Sneak Preview

Bild: Shhhhhh, Lizenz: cc

Ihr ahnt ja nicht, was nachts bei mir los ist, und wer sich da alles so herumtreibt. Ich gehöre zu den begnadeten oder verfluchten, je nachdem, Menschen, die pro Nacht mindestens einmal, gerne auch mehrmals träumen. Das Themenspektrum reicht dabei von schnöden Erziehungsthemen und magischen Hexeneinweihungsriten über spannende Spionagethriller und mehr oder weniger unterhaltsame Todesvariationen bis hin zu nicht jugendfreien Folterszenen oder gar den letzten Fragen des Universums. Jede Nacht Kopfkino und ganz ohne Drogen. Das macht das Einschlafen besonders spannend, man weiß nie, was heute Nacht gespielt wird, jede Nacht eine Sneak Preview sozusagen, und immer wieder überraschende personelle Besetzungen. Dass man dafür jeden Morgen wie geschreddert aufwacht, ist ein gewisser unangenehmer Nebeneffekt, dafür muss man dann aber auch wieder nicht so oft ins Kino und spart eine Menge Geld. Ich präsentiere an dieser Stelle mal ein paar meiner persönlichen cineastischen Highlights, die samt und sonders aus dem letzten Vierteljahr stammen:

Spionage-Theme
Ich, mein Mann (ich bin real unverheiratet) und ein dritter Mann sind Geheimagenten, haben eine Straftat gegen den Staat und für die Gesellschaft (ich gehöre immer zu den Guten) begangen und werden von der Polizei gesucht. Mein Mann und ich versuchen den Dritten in unserer Matratze zu verstecken, aber der Reißverschluss klemmt. Daraufhin schmuggeln wir den Mann zur Kellertür hinaus. In dem Moment klopft es an der Tür: „Aufmachen!! Polizei!!!“

Psychopathen-Theme
Norman Bates jagt mich durch ein dunkles Haus. Darth Vader jagt mich durch die Volkshochschule. Ein Terrorist jagt mich durch die Stadt und erschießt mich mit Dornapfelpfeilen (!). Frankenstein schleppt mich in einen riesigen Gitterkäfig im Jobcenter und foltert mich vier Nächte lang, womit ich mir meinen Anspruch auf Hartz IV sichere. Bushido überfällt Ma Baker und mich – just in dem Moment, als wir shoppen gehen wollen.

Hexen-Theme
Hexentreffen auf dem Blocksberg, ich bin endlich 137 Jahre alt, darf offiziell partizipieren und bin sehr gespannt. Die alten Hexen sitzen um ein Lagerfeuer und reden nur Stuss. Nach einer Weile sage ich: „Ihr redet nur Stuss!“, verlasse die Veranstaltung und gehe mit Dr. Sprite, Mr. Sonicer, Mr. Matrix und Frau Schnick Radler trinken.

Todes-Theme
Meine eine Oma stirbt (natürlicher Tod). Meine andere Oma stirbt (ich drücke ihr ein Kissen aufs Gesicht). Meine Mutter stirbt gleich dreimal hintereinander (damit habe ich nichts zu tun). Mein über alles geliebter Goldfisch stirbt (ich hatte nie einen und finde Fische eher öde). Johannes Heesters stirbt. Meine Tante Margot stirbt. Und immer muss ich hinterher den ganzen Kram aufräumen.

Erziehungs-Theme
Ich sitze vorm Computer und habe keine Lust, mit den Kindern zu spielen. Ich vergesse die Kinder abzuholen. Ich koche Reis für die Kinder, sie wollen Nudeln. Meine Kinder spielen ‚Mama geht arbeiten‘, und meine Mutter sagt mit hochgezogenen Augenbrauen: „Komisch, meine Kinder haben nie so viel ‚Mama geht arbeiten‘ gespielt!“ Ich vergesse die Kinder abzuholen. Ich vergesse die Kinder abzuholen. Ich erleide einen Schwächeanfall beim Kochen. Ich organisiere Plätzchenbacken mit anderen Eltern. Ich vergesse die Kinder abzuholen.

Absurdistan-Theme
Ich habe Ärger mit meiner Vermieterin, verwandle mich in eine Muschel und werde ins Meer gespült. Auf dem Meer treiben riesige Erpel, die in Menschensprache sprechen. Ich sitze plötzlich auf einem Stuhl (wir sind immer noch auf dem Meer), Leonardo di Caprio kommt und küsst mich wach (ich schwöre, dass ich Leonardo di Caprio unerträglich finde). Ich bin in Portugal, esse ein Sandwich mit Würstchen und Banane und denke: „Ich sollte mehr auf meine Ernährung achten.“ Ich schaue Axel Prahl bei einer Bootsfahrt zu. Ich organisiere einen Photoshop-Kurs, alles läuft aus dem Ruder. Ich versehe Blumentöpfe mit Kategorien (Erdsorte/gegossen/nicht gegossen…), pdf-Dokumente fliegen an meinem Balkon vorbei. Ich bewerbe mich als Automechanikerin, gleichzeitig stellt sich heraus, dass Dr. Sprite früher ein Hörspiel-Kinderstar war. Ich schlage unserem Mittagstisch-Türken bei der Arbeit vor, seine Öffentlichkeitsarbeit zu machen, Luke Skywalker rät dringend zu. Ich verköstige die kaiserliche eritreische Gemeinde von Filderstadt mit Mirabellenmus.

Die-letzten-Fragen-des-Universums-Theme
Das Leben ist ein riesiger Walfisch, der gemütlich wie Raumschiff Enterprise durchs Weltall treibt. Ringsherum hängen winzige angeseilte Menschen und versuchen, den Walfisch zu ergründen. Überall sind Sterne, alles hängt mit allem zusammen, und ich habe auch in dieser Nacht keine Drogen genommen.

Sollte irgendjemand Interpretationen loswerden oder diesen Artikel als Skript für ein psychedelisches Spacemovie verwenden wollen, nur zu!

Gute Nacht
die aktuelle

6 Gedanken zu „Sneak Preview

  1. Pingback: Jahresrückblick: Das war 2011 « Wunderbra

  2. Eine glänzende Idee! Unverschämtheit vor allem, uns beim Shoppen zu stören. Bin schon gespannt auf heute Nacht… Sweet dreams d.a.

  3. Also nur damit das klar ist: Mich überfällt niemand, der sich Bushido nennt und auch noch so aussieht. Den diss ich einmal von der Seite und dann fängt er an zu weinen. Und dann überfall ich ihn, der hat nämlich unverständlicherweise echt Kohle.
    Laß uns ein Psychodelic-Space-Movie draus machen. Die Vaders kommen in die Matratze in der Volkshochschule, Leo spült sich selbst nach Afrika und wir lassen die anderen den Wal ergründen und essen statt dessen Mirabellenmus.
    Ma

  4. Nachklapp: Ich bin ein Teenie und fahre zum Jugendmedienschutz-Camp. Ich lade alle ein und verwüste das Haus meiner Eltern.

  5. Liebe Aktuelle,
    keines der genannten Themen überrascht mich mehr als das letzte: Der Wal im All! Im wahrsten Sinne des Wortes: Traumhaft!
    Ich möchte Ihnen Mut zusprechen, sich weiterhin mit Ihren Träumen zu beschäftigen. Sie zeigen, wie kreativ unser Kopf/Herz ist. Bin immer wieder erstaunt, mit welchen Bildern/Personen/Geschichten sie unsere aktuellen Gemütszustände/Probleme/Tagesbegebenheiten beschreiben.

    Unbedingt lesenswert: Ann Faraday „Deine Träume – Schlüssel zur Selbsterkenntnis“
    Titel klingt VIEL schlimmer als das Buch wirklich ist.

    Träum schön!

    Die Schützin

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