Kulturpessimismus für Anfänger

Im Urlaub erlebt man alle möglichen Abenteuer. Sie haben manchmal mit habituellen Anpassungsschwierigkeiten zu tun (wieviel Raki muss man trinken, um nicht als unhöflich zu gelten?). Manchmal macht die überaus legere Beschilderungskultur im Gastland Probleme (Ziegen wissen schließlich immer, wo es lang geht!) oder der Reiseführern glänzt mit so präzise Angaben wie: Da im Gebirge kommt dann so ne Bergkuppe, da biegen wir dann links ab! Mit Humor und hoffentlich genug Wasservorrat lässt sich das alles meistern.

Manchmal liegt das Problem aber auch woanders. Man ist an einem wunderschönen Flecken Erde am Arsch der Welt – ein Geheimtipp, weil letztes Hippienest Kretas und so. Und man trifft lauter Deutsche, die entweder mit ihren Multifunktionskinderwägen ihre Brut die Schotterpiste langschieben oder mit ergrautem Haar in der einzigen wlan-stabilen Taverne vor ihrem Tablet sitzen und bloggen. Doch damit nicht genug. Abends darf man sich dann anhören, wie sie seufzend an ihrem Paulanerbier nuckeln und ihrem Kulturpessimismus freien Lauf lassen. Wunderbra hat einen kleinen O-Ton zusammmen gestellt:
Tourist A, der ein T-Shirt trägt mit dem Aufdruck „Jetzt red i!“ redet Folgendes:
Also, vor 5 Jahren, da war das hier echt noch anders – echt coole Leute. Und jetzt
? Lauter Deutsche!
Tourist B, mit ordentlichem Sonnenbrand auf der baren Brust, seufzt verständig:
Ja, is echt nicht mehr das selbe. Ich hol uns mal Pommes und nen Jägermeister!
Als deutsche Zwangszuhörerin am Nebentisch möchte man dringend etwas unternehmen. Hingehen und den Jetztredenden tröstend in den Arm nehmen und sagen: Ach, du armes kleines Freakhäschen bist jetzt nicht mehr der einzig wahre coole Deutsche hier. Das is ja furchtbar, da trinken wir doch gleich noch ein deutsches Bier zum Trost!
Oder als Variante B aufspringen und lautstark folgende Gedanken zur Erörterung bringen: Wie kommt man als deutscher Urlauber eigentlich zu einem derartig egozentrischen Weltbild, das einem selbst das Recht gibt, zu bedauern, dass die anderen von der gleichen Sorte auch da sind? Sitzt der Nabel der Welt wirklich auf dem eigenen sonnenverbrannten Bauch? Wie kommt man zu der Ansicht, dass das, was sich um einen herum verändert mit einem selbst nichts zu tun hat? Haben nicht die coolen Leute von damals fleißig allen anderen erzählt, dass es hier voll coole Leute hat, damit noch mehr coole Leute kommen? Und jetzt sitzen die von damals da und jammern. Das ist so wie sich als Schwabe eine Wohnung in Kreuzberg rauszulassen und sich dann über Gentrifizierung zu beklagen. Wir sind nun mal Teil von allem, was passiert!

Die beiden Herren haben sicher über keine dieser großen Fragen jemals nachgedacht. Ich seufze in mein immerhin griechisches Bier und verkneife mir den melancholischen Gedanken, dass alles irgendwie immer schlimmer wird.

 

5 Gedanken zu „Kulturpessimismus für Anfänger

  1. Pingback: Superpep und Reisegold |

  2. Sorry, PD, aber krieg Du erstmal Deine weichgespülten Karten sortiert, bevor Du hier soviel Wind mit Deinem kurzen Hemd machst, hm?

  3. Sorry, Kinnersch – die Phönixnummer ist besetzt! Also drängelt bitte in der Schlange vor einer anderen kosmischen Macht … Habt Ihr kein Zuhause?

  4. Das Schräge am Phönix is ja leider, dass er dann auch unvermittelt in Flammen aufgeht. Halte jedenfalls Löschutensilien bereit.
    Bei der Rückkehr aus dem schönen Süden haben zumindest diese 2 Deutschen heute bemerkt, dass sie ein Zuhause haben. Was wollen wir nur alle woanders??

  5. Baby, wenn wir eins können, dann die Phönixnummer! Bin beeindruckt ob der derzeitigen Artikelfrequenz, jetzt keinesfalls nachlassen! Inhaltlich kann ich Deinen Miturlaubern auf Kreta allerdings nur beipflichten. In unserem jüngst vergangenen Urlaub an der Blumenriviera gestaltete sich das Bild ganz ähnlich: Nur wir und lauter Deutsche, fürchterlich. Haben die kein Zuhause? Wünsche weiterhin stabiles WLAN!

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