Da die ewig erholungsbedürftige Wunderbraredaktion sich natürlich nicht mit derart popeligen Kraftplätzen wie dem Georgenberg zufrieden gibt (ich beantrage an dieser Stelle die Umbenennung in Urselberg, die ihn uns schließlich in ihrem Spiriwanderführer als Ort der Auramassage verkauft hat), erobern Ma Baker und die aktuelle im Anschluss nicht nur den Wackerstein, nein, sondern auch noch gleich das Won, unter anderem, weil mir am Wackerstein aufgrund altersbedingt zunehmender Höhenangst schlecht wird und weil das Won im Spiri-Ursel-Buch als weiterer Ort der Kraft und Sammlung angepriesen wird. Vielleicht finden wir ja hier, wenn auch keine Kaffee kochenden Druiden, so doch Ruhe und Einklang. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Der Berg ruft, Schafe blöken
Mit Won meine ich im Übrigen nicht das World Opponent Network, ein „Client-Server-Netzwerk für Multiplayer-Spiele von Spielen des Publishers Sierra Entertainment“, und auch nicht die süd- oder nordkoreanische Währung, sondern eine entzückende sanfte Hügelwiese mit Blick auf die Schwäbische Albhochfläche, genau das richtige also für geschundene Irrenhausschwestern- und Alleinerziehendeberufstätigemutterseelen wie uns. Juhu, denken wir, der Berg ruft, nix wie rauf, ab auf die wasserdichte Picknickdecke, abflacken, Schokokekse essen. Auf dem Weg nach oben kommt uns eine Herde Schafe entgegen, auch sie brauchten wohl etwas Sammlung und Erbauung, haben jetzt aber genug und gehen gerade. Oben angekommen entrollen wir unsere Decke, entrollen uns darauf, stopfen uns mit Keksen voll und schließen entspannt die Augen. In der Ferne hören wir das leise Blöken der Schafherde, das sich immer weiter im Wald verliert. Die Alb, ein Idyll.
Eine Schafphalanx materialisiert sich aus dem Nichts
Zwanzig Minuten später stößt mir Ma Baker aufgeregt ihren Zeigefinger in den Oberarm. „Du, aktuelle„, haucht sie, „schau mal!“ Als ich mich unwillig hochrolle und die Augen aufschlage, starre ich in zweihundert Augenpaare, die wiederum mich anstarren. In etwa zehn Metern Entfernung hat sich eine Schafphalanx aus dem Nichts materialisert, die uns fixiert und sich ebenso lautlos wie unaufhaltsam den Berg hinauf schiebt. Ich überlege kurz, was der Edeka neuerdings für Kekse verkauft, und starre ungläubig erst die Schafe an und dann Ma. Die starrt zurück, und nach eingehender Beratung einigen wir uns auf die passive Defensive. Die Schaffront dagegen hat sich für die aktive Offensive entschieden, sie rückt geschlossen näher und beginnt, einen Kreis um uns zu bilden. Zwei Meter vor unserer Decke bleibt die Huftiere stehen. Dort scheinen sie ihre Sprache wiedergefunden zu haben, sie blöken und starren. Und blöken. Und starren. Und blöken. Ma und ich schwanken zwischen Hysterie und Scheiße-warum-haben-wir-keine-Kamera-dabei-wären-wir-Jungs-hätten-wir-sogar-mobiles-Internet-das-glaubt-uns-doch-kein-Mensch und starren zurück. Und blöken.
Das Kollektiv umspült unsere Picknickdecke
Albtips.de schreibt über das Won: „Es lohnt sich, zum höchsten Punkt der Wiese hinaufzugehen, denn von dort hat man einen herrlichen Rumdumblick vom Wackerstein bis hin zum Lichtenstein.“ Möglicherweise haben die Schafe mobiles Internet und wollten endlich mal vom Gipfel aus den herrlichen Panoramablick genießen, und jetzt liegen wir ihnen im Weg und sie wissen nicht so recht, wie weiter. Vielleicht wollen sie auch nur unsere Schokokekse, sie wirken unentschlossen. Nach einer gefühlten Ewigkeit stampft schließlich die Schafchefin zweimal energisch mit dem Huf auf, blökt und gibt damit das Kommando zur weiteren Wonbesteigung. Das Kollektiv setzt sich in Bewegung, umspült unsere Decke, glotzt, blökt, spült an uns vorbei und erreicht schließlich den Gipfel. Heureka. Was für ein Stress für alle Beteiligten, darauf ein paar Kekse und Kippen für uns, Gras und Magerblumen für die Schafe und etwas Wonlicht für eventuell vorhandene Elementargeister.
Um das Ganze abzukürzen: Zwanzig Minuten später spielt sich alles von vorne ab, nur umgekehrt. Die Schafe spülen die sanfte Hügelwiese wieder hinunter, blöken, starren, blöken, starren, bis sie nach weiteren dreißig Minuten das Fußende des Berges erreicht haben. „Schafgezeiten“, meint Ma. Fragend schaue ich sie an. „Na ja“, meint sie, „Schafflut, Schafebbe, sie spülen rauf, sie spülen runter.“ Das ist natürlich eine Möglichkeit, aber wechseln die Mondphasen am Won so schnell? Oder haben Schafe eine andere Zeitrechnung? Und was war in den Keksen? Als die nächste Schafflut den Berg heraufrollt, packen wir zügig unsere Sachen und verlassen den geheimen Kraftort der Schafe.

Pingback: Jahresrückblick: Das war 2011 « Wunderbra
Unter dem Motto Won for all könnten wir einen eigenen Spiriplatzführer rausgeben. Man sieht an uns ja, daß Menschen sowas kaufen. Ich denke zum Beispiel, daß das Zinserdreieck in Tübingen früher mal eine Schafweide war und man das immernoch spüren kann. Und auch die Wilhelmstrasse hat eine ganz besondere Energie, wenn man sich darauf einläßt. Unser Schaf würde auch seine Beziehungen spielen lassen und für Schafphalanxe sorgen. Es könnte auch Übersetzungsarbeit leisten, damit jeder die Botschaft verstehen kann: einen vollkommen nutzlosen Nachmittag auf vollkommen nutzlose Art und Weise verbringen. Dazu könnten wir dann noch Kurse anbieten, weil sowas Großstadtneurotikern ja bekanntlich schwerfällt.
Eine Ursel