3 Zimmer, Küche, Bad … Teil 1

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Was lange befürchtet war wird nun Realität. Unser heißgeliebtes charmantes Haus namens Bruchbuda wird abgerissen und durch ein schickes Mehrfamilienhaus ersetzt. Für unsere Vermieter bedeutet das, mit Besitz noch ein bisschen mehr Geld zu verdienen und für uns, ohne Besitz plötzlich auf dem leergefegten Lingendinger Wohnungsmarkt rumzustehen und uns irgendwoher eine bezahlbare Bleibe zaubern zu müssen. Momentan oszillieren wir in der Trauerarbeit irgendwo zwischen Nichtwahrhabenwollen, Flucht in Aktionismus und aggressiver Auflehnung. Spontane erste Versuche, unserem Schicksal zu entgehen sind gescheitert. Trotz liebevoller Pflege und intensivem UV-Lampen-Einsatz ist in unserem Frühbeet bisher keine Kohle gewachsen und auch der Versuch, uns einfach eine neue Bruchbuda zu häkeln, war leider erfolglos.

Erste zaghafte Schritte

Ein vorsichtiges Hinauswagen auf den Markt gleicht dem Aufbruch zu einer Arktisdurchquerung. Es gibt fast nix außer Ödnis, es ist saukalt und trotzdem bläst’s von allen Seiten. Wir kämpfen uns durch die Anzeigenflut, telefonieren und tanzen da und dort vor. In unserer Preisklasse hören wir Sätze wie „Also ich muß die Wohnung ja nicht anpreisen, weil die ist eh spätestens morgen weg, wissen Sie?“ Ja, wir wissen und starren auf die vierspurige Straße direkt vor der Haustür, die dazu führt, dass die Wohnung in unterschiedlichen Erschütterungsgraden mitschwingt. Wir geben uns Mühe und versuchen es mit einem humorigen Namen: Nach Bruchbuda jetzt Earthquaka? Hmm…!

Ja, wir wissen – auch angesichts des ranzigen Linoleumbodens aus den 60ern in einer Kellerwohnung, die riecht, als hätte man sie mit einer Mischung aus Heizöl und Mottenkugeln geflutet. Wir nennen sie Deepwater Horizon und stellen uns vor, wie diese „schicke Wohnung in gepflegtem Zustand“ mit dem Anzünden der ersten Zigarette in der neuen Bleibe einfach in die Luft fliegt. Fühlt sich für uns insgesamt recht stimmig an.

Und ja, wir wissen – und bewundern das weißgekachelte Wohnzimmer, das im ehemaligen Schlachtraum der ehemaligen Metzgerei sein soll – „Man kann da ja ein paar Bilder aufhängen, dann wird das schon gemütlich!“ Und fragen uns, wieviel Tonnen Bilder man wohl braucht, um im eigenen gemütlichen Wohnzimmer nicht mehr an Fleischerhaken und halbe Säue zu denken. Das mit dem humorigen Namen lassen wir lieber ganz.

Am Allerschlimmsten ist, dass man dauernd die Contenance wahren muß. Die Macht sitzt auf der anderen Seite des Tischs. Also hört man sich das ganze Geschwätz über die unschlagbaren Vorteile hässlicher Wohnungen an und bewahrt Haltung. Man kann ja dann später außer Sichtweite vor Wut in Tränen ausbrechen oder sich in irgendeine Blumenrabatte erbrechen. Bezaubernde Terassen, lichtdurchflutete Wohnzimmer, ausreichend Distanz zu vierspurigen Bundesstraßen und viele Ansatzmöglichkeiten für wohlklingende Namen voller Gemütlichkeit gibt es natürlich auch – ab 1000 Euro kalt und als Utopia. Oder am Arsch der Welt, zu dem zwei Mal am Tag ein Bus fährt. Wir nennen diese Außenposten Neumayer III – nach der 2007 erbauten deutschen Polarforschungsstation in der Antarktis.

Nach diesen ersten verstörenden Schwimmversuchen auf dem freien Wohnungsmarkt verlassen wir hastig die Phase des Aktionismus und flüchten uns vorübergehend wieder in die Verdrängung, da uns die Taschentücher ausgehen.

In tiefer Trauer um einen zauberhaften Ort

Ma Baker

3 Gedanken zu „3 Zimmer, Küche, Bad … Teil 1

  1. Pingback: Und täglich grüßt … |

  2. Danke!
    Ich denke, darüber nach, eine Farbe zu erfinden, die noch schwärzer ist als schwarz – eine fleischgewordene Finsternis sozusagen.

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