360 Joule für mehr Gemütlichkeit

Nachdem die ersten sechs Wochen des neuen Jahres ins Land gerast sind ist es amtlich: Diese Welt ist IMMERNOCH zu schnell.

Bild: Lipjin, Lizenz:CC

Agent Panty hat in diesen sechs Wochen zusammen mit ihren Kolleginnen bereits über 300 Überstunden angehäuft, Tendenz steigend. Verabredungen mit Freundinnen funktionieren ja schon lange nicht mehr ohne Kalender, aber was tun wir, wenn wir trotz Kalender in den nächsten vier Wochen keinen Termin für ein Date finden? Oder wenn der Agent und ich in der Schlange vor der Supermarktkasse stehen, dem hektischen bipbipbip des Scanners lauschen (nichtmal mehr für das „e“ im biep ist noch Zeit) und sich uns dabei unweigerlich das Bild eines immer schneller rasenden Herzens aufdrängt? Emergency room sagt uns die Diagnose: Ventrikuläre Tachykardie, übergehend in Kammerflimmern! Ein vor lauter Hektik flimmerndes Herz bringt keine ausreichende Auswurfleistung mehr. Und das ist kein unwesentlicher Kostenpunkt in irgendeiner Schreibtischschublade. Das ist ein lebensbedrohlicher Zustand. Und die Therapie? Die Serienguckerinnen wissen’s. Defibrillator laden, alle weg vom Tisch und drauf. Satte 360 Joule unterbrechen das Gerenne und schocken ein Herz wieder in einen mit dem Leben zu vereinbarenden Rhythmus.
Wo soll das nur hinführen? Turbokapitalismus in Voll- oder Teilzeit und ansonsten Autistin, weil zu nix mehr fähig und nur noch Ruhehabenwill? Dabei hätte ich ein qualitativ hochwertiges Phlegma, welches ich auch gerne in unsere Gesellschaft einbringen möchte. Neben der dringend nötigen Entschleunigung, weil so ein Phlegma ist ja von Natur aus sehr langsam, bringt es Qualitäten wie Bedächtigkeit, Gründlichkeit, Ruhe und Achtsamkeit mit sich, was doch durchaus nette und sinnvolle Eigenschaften sind.
Wieso sagt mein Chef nicht zu mir: O, Du denkst grade über wichtige, das Leben ansich und die Menschen betreffende Dinge nach? Dann geh doch heute früher und sinniere weiter bei einer gemütlichen Tasse Tee. Und vielleicht möchtest Du mich morgen an Deinen Erkenntnissen teilhaben lassen!
Wieso HöherSchnellerWeiter, wenn langsamhierunten auch sehr schön ist?

Bild: Bob.Fornal, Lizenz:CC

Die Welt braucht die Bedächtigen, die Wohlüberlegten, die Zartbesaiteten, die Künstler und vor allem die Gemütlichen. Es ist eine himmelschreiende Unverschämtheit, daß man sich als Angehöriger dieser Gruppe in so vielen Bereichen wie ein insuffizienter Alien fühlen muß, der irgendwas Wesentliches einfach nicht mitgeschnitten hat.
Der Agent und ich fordern also:
DIE MACHT DEN LANGSAMEN – UND FÜR DEN REST EINEN DEFIBRILLATOR!

 

Ma Baker

2 Gedanken zu „360 Joule für mehr Gemütlichkeit

  1. Wir könnten auch stapelweise Exemplare von “ Die Entdeckung der Langsamkeit“ aus dem Hubschrauber werfen. Haben sie mit der Bibel auch gemacht.
    Jedenfalls rettet dem Protagonisten seine Langsamkeit am Ende das Leben. Wie schön 🙂

  2. Dieses Jahr und dieser Superkapitalismus sind defintiv zu schnell, kann mich nur anschließen. Ich hätte entweder gerne 24 Stunden mehr Freizeit oder 12 Stunden weniger Alltag pro Tag oder wahlweise ein Double. So kann das in der Tat nicht weitergehen. Gegen ein HöherSchnellerWeiter hätte ich als eher stürmisches Temperament im Übrigen nichts einzuwenden, wenn es wenigstens in die richtige Richtung ginge…

    Meine Empfehlungen fürs Erste:
    1. Eine internationale Entschleunigungsagentur gründen („Slowlyslowly“).
    2. Den Kapitalismus abschaffen.
    3. Element of Crime hören (gut bei Herzgrippe UND für Entschleunigung).
    4. Leben, lieben, kämpfen, schlafen.
    5. Mut zum Phlegma, die Welt braucht es – dringend.
    6. Samstag Käffchen trinken!

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