Miteinander spielen, singen, essen und trinken

Nein, ich habe weder völlig überraschend die Freuden des unkomplizierten zwischenmenschlichen Beisammenseins entdeckt noch bin ich endlich in der grünen Hölle angekommen. Es ist auch keine Auflistung meiner ständigen Tätigkeiten mit meinen Kindern. Die Überschrift ist vielmehr der Titel der Einladung, die ich heute Morgen aus Lottis Postklorolle im Kindergarten ziehen durfte. Der Inhalt dieser Einladung hat mich derart aufgewühlt, dass ich ihn gerne mit der ganzen Welt teilen möchte:

Miteinander spielen, singen, essen und trinken

In diesem Jahr wollen wir anstatt des österlichen Bastelnachmittages einen Eltern-Kind-Spielenachmittag anbieten. Dazu laden wir sie ganz herzlich ein. An diesem Nachmittag sollen Sie Gelegenheit bekommen, den Kindergarten Ihres Kindes „von innen“ zu erleben. Sie können mit Ihrem und anderen Kindergartenkindern spielen, sich mit anderen Eltern austauschen, oder mit einer Erzieherin ins Gespräch kommen. […] Um ca. 15.30 Uhr treffen sich alle Kinder nach dem Aufräumen zum gemeinsamen Essen. Hierfür sollten Sie und Ihr Kind eine Kleinigkeit zum Essen dabei haben. Anschließend gehen wir mit den Kindern in den Garten. […] Zum Abschluss wollen wir um 16.40 Uhr mit allen Kindern und Eltern gemeinsam noch ein paar Kindergarten-Hits singen.

Auf ein fröhliches Miteinander freuen wir uns sehr.
Ihr KIGA-Team

Im Büro muss ich niemanden in sein Zimmer schicken

Alles in Comic Sans MS, der gutgelaunten Kinder- und Familienschrift. Drei Fragen drängen sich mir angesichts eines derartigen Angebotes spontan auf: 1. Wer will das? 2. Bin ich eine Rabenmutter, wenn ich so etwas nicht will, weil ich genau diese Dinge sowieso dauernd mit meinen Kindern mache, und froh bin, wenn ich mit erwachsenen Menschen in meinem Büro sitzen und mit ihnen zum Essen beim Chinesen/Türken/Griechen gehen darf? Ohne dass ich jemandem die Finger abwischen, Essen aus den Haaren fummeln, vom Boden aufsammeln oder in sein Zimmer schicken muss? Und vor allem: 3. Wer kann sich das zeitlich leisten? Ich ziehe meine entzückende Brut überwiegend alleine groß, arbeite 50% in der fern entlegenen Landeshauptstadt und verbringe wöchentlich ca. acht Stunden auf der B1234567. Alleine dieser relativ gewöhnliche Umstand löst bei mir bereits morgens im Bad Tobsuchtsanfälle aus, auf der Bundesstraße Herzrasen, vor der Stechuhr Schweißausbrüche, weil Hotti zwar mittlerweile – hallelujah – in einer Ganztagsschule mit Spätbetreuung bis immerhin 17 Uhr untergebracht ist, Lottis Kindergarten allerdings noch immer vorsintflutliche Öffnungszeiten vorweist: dreimal die Woche muss man seinen Nachwuchs um 13 Uhr abholen, zweimal um 17 Uhr. Wenn Lotti nächstes Jahr in die Schule kommt, ist dann zwar sie ganztagsbetreut, allerdings wechselt Hotti zeitgleich auf die weiterführende Schule, wo sie dann wieder um 12 Uhr auf der Matte steht. (Darüber denke ich bereits seit zwei Jahren nach.)

Zurück zum Ausgangsproblem: Um meine Jüngstgeborene glücklich zu machen, habe ich die Wahl zwischen exakt zwei Möglichkeiten: a) Ich nehme mir einen Tag frei, um den Kindergarten meines Kindes „von innen“ zu erleben (Pest). b) Ich übe mich in Übergriffigkeit und schicke den Hotti-Lotti-Papa hin (Cholera). Option a) fällt flach, weil ich bei sechs Wochen Urlaub pro Jahr bei gleichzeitg zwölf abzudeckenden Wochen Schulferien pro selbem Jahr ohnehin, jetzt bereits im dritten Jahr, das Unmögliche vollbringen muss. Option b) finde ich etwas unangenehm, weil ich den HLP vorhin schon um sein handwerkliches Know-how anbetteln musste, da ich meine neue Wohnungstür mit Nagellackentferner ruiniert habe. Darüber hinaus hallt bereits im Vorfeld Lottis nichtamüsiertes „NIEkommstduzumeinenbastelnachmittagen!“ in meinem schlechten Gewissen nach.

„Reden Sie doch bitte vor der Tür weiter!“

Mich regen solche Einladungen, gelinde gesagt, auf, weil sie mir neben veritablen Schuldgefühlen einen unglaublichen Stress verursachen. Neulich, zwei Tage vor meinem glorreichen Umzug, habe ich mich in die Schule meiner Erstgeborenen gezwungen, um an einem ähnlich gearteten Angebot zu partizipieren, es hieß, soweit meine Verdrängung mich nicht trügt, Eltern-Kind-Spiele-Lernnachmittag. Da durfte man sich dann in gefühlten 2000 Stationen die Lernmaterialien seiner Kinder von seinen Kindern erklären lassen (wer will das??). Ich schleppte mich hin, um mir nicht hinterher nachsagen zu lassen „AllewarendanurDUwiedernicht!!“, und da saßen dann tatsächlich ganze ElternPAARE. Und ich will gerade nicht darauf hinaus, dass ich momentan nicht besonders gut auf traute Zweisamkeit zu sprechen bin, sondern ich frage mich vielmehr: Wie schaffen es gleich ZWEI Leute aus einer Familienfirma, ihrem Sprössling in der Schule über die Schulter zu schauen? Und vor allen Dingen: Wozu überhaupt? Das Dilemma konnte ich immerhin so lösen, dass ich so lange und laut mit einer ebenfalls kurz vor Umzug und Ohmacht stehenden Mutter über die Strapazen des Alltags klagte, bis uns Hottis Klassenlehrerin bat, doch bitte vor der Tür weiterzureden. Geil, wie früher.

Ich will, wieder mal, ein Double, vielleicht sollte ich mal beim Jobcenter nachfragen. Schließlich kann es doch nicht so schwer sein, eine ähnlich gestresste, genervte, erschöpfte Mutter am Rande des Zusammenbruchs aufzutreiben, die sich mit bloßem Authentischsein ein bis zwei Euro die Stunde dazuverdient. Bei meinem nächsten Kundengespräch mit meiner Sachbearbeiterin werde ich mich mal informieren. Bewerbungen werden auch auf wunderbra.org entgegengenommen.

die aktuelle

2 Gedanken zu „Miteinander spielen, singen, essen und trinken

  1. Liebe Urologia – ich bin dabei! Und wenn Du dann immer noch nicht genug hast, gehst Du einfach gleich weiter zum Elternstammtisch („Wir laden ein zum Beisammensein, sich kennen lernen, sich austauschen, plaudern…“). Viel Spaß, Singlemum

  2. Liebe Aktuelle
    Ich kann mich zwar nicht als Doublemum bewerben, aber ich hätte ein Tauschangebot. Ich geh zu Deinem Kindergarten von innen und singe soviele Hits, daß sie mich irgendwann vor die Tür tragen und Du gehst dafür zum Pflegekongress einer frei erfundenen urologischen Klinik, wo wir spannende Neuigkeiten über das Klonen von Schwestern erfahren und als Attraktion eine begehbare Prostata zu bieten haben. Na, wie wäre das?
    Urologia

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