3 Zimmer, Küche, Bad…Teil 3

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Da wir ja nicht ewig mit Alkohol und Bad Religion im Keller unserer gewollt punkigen Identität rumhängen können wagen wir uns nach einer Woche Wundenlecken wieder hervor. Und erleben einen bunten Blumenstrauß:

Die erste Blume ist eine Wohnung in einem Neubau direkt neben der B27. Das Haus sieht von außen aus wie ein Raumschiff. Im Treppenhaus kann man vom Boden essen, was verheißungsvolle Rückschlüsse über das schwäbische Kulturgut der Kehrwoche zulässt. Es gibt einen Aufzug. Wir schlucken zuerst und entscheiden uns dann, das Ganze positiv zu betrachten. Der Aufzug schleppt dann ja unseren ganzen Kram in den dritten Stock, nicht wir. Cool! Erstmal entschlossen die Fronten gewechselt erscheint uns auch die Wohnung eigentlich ganz nett. Das Bad ist komplett schwarz gefliest und hat kein Fenster. Man hat das Gefühl, einen Sarg zu betreten. Wer hat schon sowas in der eigenen Wohnung? Wir überlegen, wo wir das Marilyn Manson Poster aufhängen und wie es technisch machbar ist, dass bei Betreten automatisch die passende Musik erklingt. Zähneputzen mit Hells Bells und Ozzy Osbourne zur Toilettenbenutzung. Noch cooler! Leider gibt es bereits eine hartnäckige Interessentin mit Grufti-Vergangenheit, die sich letztlich durchsetzt und Wohnung samt Sarg bekommt.

Blume 2 ist eine bezahlbare Wohnung in der Nähe der 3 Hauptverkehrsachsen Tübingens. Sehr nette Vermieterin, bisschen Balkon und 60 Quadratmeter, aus denen man was machen kann, wenn man sich große Mühe gibt. Eine klare Mission für Schatzi 2, dessen großes Talent ja bekanntermaßen IN der Höhle liegt. Während Schatzi 2 also bereits über Gardinen und Muschelmobiles nachsinnt steht Schatzi 1 verdächtig reglos herum. Zuhause rückt er dann sichtlich erschüttert damit raus, dass er, auch wenn es vernünftig wäre, da einfach nicht wohnen kann, weil allein der Gedanke in ihm den Impuls auslöst, sich in den angrenzenden Goldersbach zu stürzen. Da kann man nix machen. Wir nehmen die Bachmetapher zum Anlass, ein persönliches Rankingverfahren für unsere zukünftigen Besichtigungen zu einzuführen: Die Goldersbachfaktor-Skala! 10 Goldersbäche sind der absolute worst case, alles was über 5 Gs rangiert auch indiskutabel, zwischen 5 und 3 gibt es Diskussionsspielraum und ab 2 schlagen wir zu.

Mit Blume 3 wagen wir uns nochmal auf die Seite des Immobilienerwerbs. Per Zeitung wird eine 3-Zimmer-Wohnung mit 70 Quadratmetern und Balkon in der grünen Hölle zum Kauf angeboten. Per dropbox werden wir über das Verfahren informiert. Verkauft wird nach Höchstgebot und wunderlicherweise gleichzeitig nach sozialen Kriterien(??!). Bisher dachten wir, dass das insich ein Widerspruch ist, aber man will ja dazu lernen und liest weiter. So landet man beim geforderten Mindestgebot von 297.000 Gänseblümchen! Über die sozialen Kriterien, die sich mit diesen vielen Nullen vereinbaren lassen, können wir nur mutmaßen. Vielleicht sowas wie „meine Yacht in Saint-Tropez ist letzten Sommer leider abgesoffen und jetzt weiß ich nicht, wie es weitergeht“ oder “ die passenden Platinfelgen für meinen heißgeliebten Oldtimer werden leider nicht mehr hergestellt und das trifft mich echt hart“.

 

Family Guy

Family GuyWolverine ist heute selbstverständlicher Bestandteil unserer familiären Lebenswelt, also meiner, Hottis und Lottis. Das war nicht immer so. War ich in der zugegebenermaßen etwas holprigen Anfangszeit unserer Jahrhundertromanze noch recht skeptisch bezüglich der Qualitäten und Mitbringsel dieses X-Man, beeindruckten und überzeugten mich schließlich dann doch dessen an Stoizismus grenzende Hartnäckigkeit, sein selbst gezogenes Gemüse sowie nicht zuletzt ein bahnbrechender Familiensinn. Aufmerksamen Beobachterinnen und Beobachtern hätte das bereits in jener grausligen Anbahnungsphase auffallen können, als Wolvi sich am Ende eines Freiluftkonzerts mit maximalem Körpereinsatz die damals 7-jährige, dennoch riesige und schlafschwere Lotti über die Schulter wuchtete und zu meinem Auto bugsierte. Ich jedoch verbuchte diese Heldentat damals lediglich schnöde und hartherzig unter berechnendem Balzverhalten eines bemitleidenswerten Verliebten auf dem Holzweg.

Familienhilfe 24/7

Inzwischen bestreitet der X-Man mit der Lizenz zur Freizeitgestaltung an meiner Seite unerschütterlich Kindergeburtstage in Spaßbädern, Bowlingcentern und Eislaufhallen, Weihnachtsfeste unter Nordmanntannen sowie Zirkusaufführungen und damit einhergehende Krankenhausbesuche. Heimlich organisiert er mit mir Weihnachtsgeschenke für die Kinder und mit denen wiederum welche für mich. Er koordiniert und synchronisiert Freizeitaktivitäten meiner Brut mit denen seiner eigenen Familie, um alles irgendwie unter einen Hut zu bringen, und schafft sich Katzen an, nicht nur, um uns beide zu stolzen und glücklichen Katzeneltern zu machen, sondern auch, um mit diesem Patchwork-Trojaner Hotti und Lotti zu becircen und öfter nach Zenhausen zu locken. Dort überlässt er ihnen ein eigenes Zimmer, das sie nach Belieben mit Selena Gomez und anderen Größen des aktuellen Pophimmels plakatieren dürfen.

Wenn es Hotti oder Lotti wochenends einfällt, sich trotz Wolvis Anwesenheit in mein Bett zu quetschen, klemmt er sich an die Wand unters Fenster. Im Sommer lässt er sich von den zwei Grazien an der wünderschönen Blumen-Beton-Riviera zwischen Sonnenschirmen und Strandmatten im Sand vergraben, und als die beiden den Ferienbus zur Waldheimbespaßung verpassen, chauffiert er sie allen Ernstes mit dem Auto hin, während ich meinem Hobby Erwerbstätigkeit fröne. Er kennt sämtliche Namen der Kinder meiner Freundinnen sowie die Namen von Lottis Freundinnen auswendig (Hotti bringt keine mit nach Hause, ich bin zu peinlich), und als unsere heißgeliebte Horny Tawny in Ermangelung öffentlicher Gelder unsere kleine Lokalredaktion verlassen muss und zum Abschiedsumtrunk lädt, ist es Wolvi, der zu Hause die Brut ins Bett scheucht. (Zudem dekoriert er neuerdings, mutmaßlich um die Hausfrau in mir bei Laune zu halten, meine Küche mit Prilblumen.)

Maggie Thatcher, die Queen und ein Eiswürfel

Sonntags fährt Family Guy Jugendzimmermöbel durch die Gegend, montags ist er fest gebucht für die Schlammschlachten des familiären Abendessens und seine Freitagabende verbringt er mittlerweile eingepfercht zwischen Hotti, Lotti und mir auf unserem viel zu kleinen Küchensofa, um sich den großen Kanon der Kinderfilme zu geben. E.T., Ottos 7 Zwerge und sämtliche Shrek-Filme haben wir schon durch. Wollen wir mal nicht hoffen, dass er wie Shrek in Teil 4 eines Tages einen Vertrag mit Rumpelstilzchen abschließt, in dem er seine verlorene Freiheit gegen den Tag eintauscht, in dem er mich und meine Brut kennenlernte.

Und die Brut? Zeigte Hotti sich anfangs noch einigermaßen skeptisch, weil sie ja kein Problem mit Wolvi an sich, jedoch mit seiner Rolle in unserem royalen Haushalt hätte, siegten bei meiner Teenietusse Nr. 1 in der Zwischenzeit Sympathie und ein gewisser Pragmatismus: Wolvi = entspannte Mutter sowie Wolvi = Urlaub. Lotti dagegen weiß noch nicht so recht. Ihm gegenüber benimmt sie sich wie ein Konglomerat aus Maggie Thatcher, der Queen und einem Eiswürfel. Zwar lässt sie sich bereitwillig von ihm zu Events bei seiner Familie kutschieren, ein proaktives Guten Morgen ihrerseits wäre jedoch schon wieder zu viel verlangt. Immerhin hat sie sich heute dazu herabgelassen, sich nach seinem Gesundheitszustand zu erkundigen, nachdem er gestern krank für sie und ihre Geburtstagsgäste das Taxi gespielt hat.

Und ich? Beende diese Hymne auf meinen Family Guy mit Fantas Jubelruf, als sie vernahm, dass wir die montäglichen Abendessen zu institutionalisieren gedächten: „Hurra – du willst einen Mann an deinem Tisch!!!“