Krebs kostet

Million Euro Baby

Million Euro Baby

Chronische Krankheiten sind ein teures Vergnügen. Sie kosten, und zwar nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch Nerven, Zeit und Geld. Der gallische Zaubertrank Paclitaxel, den ich seit zwei Wochen bekomme, macht es da auch nicht besser, nur anders. Er gehört zur Gruppe der sogenannten Taxane, und die verursachen unter anderem gerne Hautprobleme. Aufgrund dieser „Tumortherapie-induzierten Hauttoxizität“ trocknen nun zahlreiche meiner Häute und Schleimhäute aus und machen an allen möglichen Ecken und Enden Sperenzchen: Es spannt, es juckt, es brennt, es blutet, es nervt, und ich möchte buchstäblich aus meiner Haut fahren.

Money, money, money

So verbringe ich aktuell einen nicht unerheblichen Teil meines Tages im Bad mit Gurgeln, Spülen, Sprayen, Tropfen, Tupfen, Wärmen, Salben, Cremen und noch mehr Mundhygiene als sonst. Über diesem neuen Hobby darf ich nicht vergessen, die diversen Tabletten, Pillen, Pulver und Zäpfchen gegen Magenprobleme, Harnwegsinfektionen oder bakterielle Vaginose sowie für eine gesunde Darmflora und ein stabiles Immunsystem einzunehmen und meine Hände und Füße bezüglich anfänglicher Missempfindungen (Kribbeln und Brennen) zu versorgen. Zudem gilt es, den ganzen Tag über literweise Tee zu trinken, alles gut durchzuspülen und sich regelmäßig zu bewegen. Aber was hadere ich, schließlich habe ich sonst nichts zu tun (#Emotionen Pause machen).

Die Sache mit dem Geld ist da schon existenzieller. Einen Teil der Spezialausrüstung übernimmt zwar die Krankenkasse, den Rest zahlt man jedoch höchstselbst. Dazu kommen die schier zahllosen Zuzahlungsbeträge: nicht nur für die verschiedenen Medikamente gegen Übelkeit, Erbrechen, Thrombose, Verstopfung, Schmerzen, Stomatitis, polyneuropathische Sensibilitätsstörungen oder zur Bildung weißer Blutkörperchen, sondern auch für die Zytostatika selbst sowie für die Antibiotika, die zur Behandlung einiger Nebenwirkungen erforderlich sind. Bei den regelmäßigen Taxifahrten in die Tagesklinik und zurück wird ebenfalls ein Eigenanteil fällig, zumindest bei der ersten und der letzten Tour der Serienfahrt; beim Jahreswechsel wird von vorne gezählt. Summa summarum läppert es sich. Natürlich gibt es die Möglichkeit, bei der Krankenversicherung einen Befreiungsantrag für Zuzahlungen zu stellen, wenn diese die persönliche Belastungsgrenze überschreiten – vorausgesetzt, man kann alle entsprechenden Nachweise vorlegen, das kostet dann eben wieder Zeit und Nerven.

Ab in die Sofortrente

Weitere monetäre Kosten verursachen die aktuell benötigten FFP2-Masken (auch für die Brut), da man immunsupprimiert zur Risikogruppe zählt und von zusätzlichen Infektionen derzeit eher absehen sollte, Betäubungspflaster gegen den Port-Anstech-Schmerz, auf die ich allerdings aus Allergie- und Kostengründen künftig verzichten werde, und nicht zuletzt die Anschaffung mehrerer Schlafanzüge wegen nächtlicher Entgiftungsorgien. Menschen, die auf eine Haarattrappe Wert legen, müssen zudem noch ihre Perücke mitfinanzieren, da sparen mir mein Pragmatismus und die Zwergenmützen von Frau Zirkus bares Geld.

Damit ich mir den ganzen Spaß und noch viel mehr leisten kann, hat Chéri sich jüngst etwas ganz Besonderes einfallen lassen und mich mit einem Mega-Jahreslos beglückt, mit dem ich mindestens eine monatliche Sofortrente gewinnen werde, wenn nicht gar wöchentlich eine Million. Sollte dieser Plan nicht aufgehen, werde ich es mit ABBA halten und beim Glücksspiel in Las Vegas oder Monaco ein Vermögen machen. Denn wie sagte schon der Milliardär Aristoteles Onassis, der es schließlich wissen musste? „Dem Geld darf man nicht nachlaufen, man muss ihm entgegengehen.“

Inkassomüller

Wieder alles falsch gemacht.

Wieder alles falsch gemacht.

Es hätte so nett sein können. Eigentlich wollten wir, Dr. Sprite, Mr. Matrix und meine Wenigkeit, nur friedlich am jährlichen Betriebsausflug unserer Firma partizipieren. Das Ausflugsziel: Lingendingen, für mich ein Heimspiel mit angenehmen fünf Fahrradminuten Anreisezeit, und wann macht man schon mal eine professionelle Stadtführung in der eigenen Heimatstadt? Die Kollegen: Nett. Die Stocherkahnfahrt: Entspannt. Das Wetter: Strahlender Sonnenschein. Die Frisur: Sitzt.

Ein Tag so schön wie heute

Dass dann letzten Endes doch alles aus dem Ruder läuft, liegt diesmal aber wirklich nicht an uns, sondern an der völlig irren Schichtleiterin des Inkassomüller, einem idyllisch gelegenen Biergarten mit abgrundtief gruseliger Personalpolitik. Es geht so los, dass Dr. Sprite, Mr. Matrix und ich zu spät zu unserem Mittagessen in eben diesem Biergarten einlaufen, weil wir zuvor noch dringend Sonnencreme für unsere Kinder und Belohnungsbrekkies für unsere Katzen im Drogeriemarkt unseres Vertrauens erwerben mussten, so dass alle Plätze bei den schon sitzenden KollegInnen bereits vergeben sind. Wir, ganz vernünftig, setzen uns an einen anderen Tisch, bestellen Weißwürste mit Brezeln und Salate, die dann auch bald kommen, und stoßen mit unseren semialkoholischen Kaltgetränken auf einen Tag so schön wie heute an. Pascal, unser Kellner, schaut noch kurz vorbei und fragt, ob alles in Ordnung sei, und wir strahlen: Ja, alles wunderbra, vielen Dank!

Kaum haben wir aufgegessen, steht Pascal allerdings erneut mit Weißwurstschüssel auf der Matte und fragt, ob wir noch mehr Weißwürste bestellt hätten, hier stünden noch welche auf der zuvor angekreuzten Betriebsausflugsessensliste. Wir sagen artig, nein, danke, wir hatten schon, aber Pascal und ein weiterer Kellner, der sich mittlerweile mit Knödeln und Pilzrahmsoße neben Pascal aufgebaut hat, insistieren: Doch, das wären unsere Würste und auch unsere Knödel, die hätten wir angekreuzt und die müssten wir jetzt auch essen, und außerdem hätten wir auch gleich sagen müssen, dass wir zur Betriebsausflugsgemeinde gehören. Wir beteuern, dass wir nichts von der Verbindlichkeit der Betriebsausflugsessensliste gewusst hätten, und dass wir auch nicht absichtlich die Zugehörigkeit zu unserer Peergroup verschwiegen hätten, aber das bringt die beiden nur noch mehr in Rage und zu dem Schluss, dass es jetzt Zeit für ein ernstes Wörtchen mit ihrer Schichtleiterin wird. Die zwei dampfen ab und wir denken an Kafka.

Born to fail

Als die Schichtleiterin Kurs auf uns nimmt, geht es buchstäblich um die Wurst. Ihr Schritt ist energisch, ihr Blick eisig, bedrohlich schüttelt sie schon von Weitem ihr Handy gegen uns. Sie wiederholt, was Pascal und der Knödelkellner uns schon haben wissen lassen, nämlich, dass das unsere Würste wären, die wir bezahlen müssten, weil wir die vorher angekreuzt hätten, und dass der Inkassomüller sie uns auch gerne einpacken könnte, weil noch mal aufwärmen geht ja schließlich nicht und bei ihnen würden die Weißwürste nicht eine halbe Stunde im Wasser liegen, dann wären die ja hin, und wenn das jeder machen würde, einfach irgendetwas Verbindliches ankreuzen und dann nicht essen wollen! Mittlerweile stehen auch schon wieder Pascal mit Weißwurstschüssel und der Knödelkellner neben der Schichthexe und versuchen, die Teller irgendwie auf unserem Tisch zu platzieren. Wir denken an Kafka und Weißwürste, die in einer Goldfischtüte schwimmen, beteuern erneut unsere Unschuld und sind inzwischen überzeugt, dass das Inkassomüllerpersonal für jede überflüssige und unbezahlte Weißwurst kollektiv in den hauseigenen Kerker wandert.

Das Ganze geht dann noch eine Weile hin und her, die Schichthexe schiebt uns die Schuld zu, wenn der Inkassomüller pleite macht, die Kellner tragen noch ein bisschen dämlich die Knödel und Würschtl durch die Gegend, bis letztere dann schließlich dem Herrn an unserem Nachbartisch serviert werden, der zuvor versichert hatte, dass er wirklich kein Fleisch esse. Hauptsache frisch. Nachdem wir hinreichend ausgeschimpft worden sind, ziehen Dr. Sprite, Mr. Matrix und ich von dannen, ohne die überschüssigen Würste und Knödel in einer Goldfischtüte heimtragen zu müssen, dafür mit dem Schwur, mindestens bis ins fünfte Glied unserer Nachkommen nie wieder auch nur einen Fuß in den Inkassomüller zu setzen.

die aktuelle

Du, Schuhindustrie!

Willst Du uns, Frauen, eigentlich verar…en? Streifzüge durch die aktuelle Schuhmode machen mich dies fast glauben. Wer, bitte, soll das tragen: bunte Halbschuhe mit Riemchen, Rüschchen, Schneckchen oder Bändelchen, quietschbunte Flipflops mit Blümchenstoff, orange Sandaletten mit Glitzersteinchen, rosa Pantoletten aus Silikon, grüne Silikonballerinas (mit und ohne Glitzersteinchen) oder rote Pornosandalen mit 20-cm-Absätzen? Oder willst Du, dass wir uns im Alltagsdreieck zwischen Arbeit, Supermarkt und Kindergarten die Haxen brechen? Was ich sonst noch auszusetzen habe: Es muss da so etwas geben wie Murphy’s Shoe Law. Entweder man hat Geld wie Dreck, und die aktuelle Frauenschuhmode ist indiskutabel wie dieses Jahr. Oder es gibt tolle Treter wie für eine gemacht, und man ist pleite.

Anständige Schuhe für anständige Füße!

Mehr als fragwürdig sind im Übrigen und Speziellen auch die sogenannten Peeptoes, also Clogs mit abgeschnittener Spitze, so dass der sexy lackierte große Zehennagel gerade noch vorne rauspeept. Was aber, wenn man keine zarten Prinzessinnenfüßchen in Größe 36, 37 oder meinetwegen auch 38 vorzuweisen hat, bei denen so ein rauspeepender Zeh möglicherweise den einen oder anderen Mann auf den einen oder anderen Gedanken bringen mag (Männer, bitte melden, ich hab‘ da ein paar Fragen)? Was, wenn man mit eher pumucklähnlichen Knubbelzehen in bodenständigen 40, 41 oder gar 42 durchs Leben trabt, die in Peeptoes selbst blutrot lackiert bei Männern wie Frauen nichts als die stille Bitte evozieren: Bitte, Mädel, kauf Dir ein paar anständige Schuhe! Wenn man jetzt nicht gerade zu den wahnsinnsfemininen Wesen dieses Planeten gehört, ist derartiges Schuhwerk eine Zumutung.

Ich meine, alles, was ich will, sind ein paar schlichte Halbschuhe und Sandalen in Schwarz, Braun, Anthrazit oder meinetwegen auch Oliv, aber bitte ohne rosa Riemchen, Rüschchen, Schneckchen und Glitzersteinchen. Ist das denn zu viel verlangt?

Daher meine dringende Bitte an Dich, Schuhindustrie: Etwas mehr Bodenhaftung!

Inständig
deine aktuelle

Kaufland

Vor den Feiertagen einkaufen zu gehen ist ein Event, wenn auch ein recht fragwürdiges. Man hat das Gefühl, am letzten Tag vor der Apokalypse auf die allerersten Menschen zu stoßen, die einem mit ihren Einkaufswägen in die Hacken fahren, als gäbe es kein Morgen, zusammengepfercht auf geschätzten 500 Quadratmetern, berieselt von irrer Einkaufsmusik und fünfmal hintereinander abgespulten Gehirnwäschewerbeslogans, die einen dazu bringen sollen, fünf Paletten Katzenfutter zu kaufen, obwohl man gar keine Katze hat, aber egal, Hauptsache K-Classic. Da kann man schon mal durchdrehen.

Sind Sie auch Geheimagent?

Als ich mich mit Spinat, Ketchup, Fischstäbchen, Usher-CD für Hotti und Osterfahrradkörbchen für Lotti an der Kasse anstelle, überholt mich ein fahriger junger Mann um die 28, in der Hand einen Kasten Bier. Als er sieht, dass alle anderen Kassen noch voller sind, macht er kehrt, sieht mich an und sagt: „Sie sehen aus wie Annie Lennox!“ Dann stellt er sich brav hinter mich und sagt, mein Hintern hänge schief. Na dann. Als nächstes fragt er in den Raum hinein: „Sind Sie auch Geheimagent?“ Keiner antwortet, offenbar ist er der einzige hier. Als ihm das Schweigen zu mächtig wird, schimpft er: „Und jetzt betrink‘ ich mich! Und dann enttarn‘ ich Euch alle, und dann seid Ihr alle arbeitslos.“ Enttäuscht fügt er hinzu: „Drei Jahre habe ich ihnen vertraut, und dann das!“ Langsam fügen sich die Puzzleteile zusammen. Offensichtlich hat den jungen Mann nicht nur das Madnesskaufland vor den Feiertagen im Speziellen, sondern auch der super Kapitalismus im Allgemeinen nachhaltig zerrüttet.

Weil mein Einkaufswagen dann doch ein bisschen voller ist als seine Kiste Bier und ich auch nicht dauernd auf meinen schiefen Hintern gestarrt bekommen möchte, biete ich ihm schließlich an, ihn vorzulassen. Hektisch dankend lehnt er allerdings ab: „Nein, nein, Sie haben eine Mission auszuführen, ich will Sie nicht aufhalten.“ Eine Mission erfüllen – er hat vollkommen recht! So muss ich das sehen: Ich verbringe nicht ewig lange Ferientage mit streitenden Kindern, sondern: ICH HABE EINE MISSION ZU ERFÜLLEN. Ich bin Agent Aktuelle und verstecke am Sonntag nicht nur Ostereier, sondern auch Fahrradkörbchen, Usher und mich. Feiertage sind einfach nichts für schwache Nerven. Einkaufen auch nicht.

die aktuelle

Teenietusse

Es begann vor einem halben Jahr mit fettigen Haaren und zartem Müffelgeruch. Es folgten Kicheranfälle bei jeder passenden oder auch unpassenden Gelegenheit, extrem unkomische Witze und leichte Stimmungsschwankungen. Dann wanderten Rolf Zuckowski und seine CDs in die Flohmarktkiste, Rock und Pop mussten her, meine Lieblings-CDs fand ich im Kinderzimmer wieder. Um Weihnachten herum wurde es existenziell zu wissen, wie man Amy Macdonald schreibt, und die neue Katzenjammer zu haben. Seit zwei Monaten ist plötzlich morgens um sieben schon alles, inklusive mir, „VOLL UNGERECHT!!!“, im überfüllten Kleiderschrank „nichts anzuziehen“, und meine Order, bei Minusgraden Mütze und Handschuhe anzuziehen „HAMMERSGEMEIN!!!!“. Und vor zwei Wochen fing sie an, sich meine Handcreme ins Gesicht zu schmieren. Als sie sich dann heute Morgen nach einer halben Stunde mit meiner feuchtigkeitsspendenen Tagescreme mit Lotusblüte für normale und Mischhaut in der Hand aus der Badezimmertür hängt und „Wofür ist das? Kann ich das benutzen?“ fragt, habe ich die Gewissheit: Hotti, meine Erstgeborene, pubertiert.

Hammerscool

Das heißt erstens: Wir haben eine neue Entwicklungsstufe erreicht (heureka!), zweitens: Sie dringt in meinen Kosmetikbereich vor, und drittens: Lachen, solange es noch lustig ist. So will Hotti beispielsweise nicht mehr die bis vor Kurzem noch geliebte Bravo-Hits Nr. 13 aus dem Jahre 1996 zum Einschlafen hören, weil sie jetzt bei Lied Nr. 5 immer Angst bekommt. Auf dem Cover lese ich Mutter, der Mann mit dem Koks ist da von T>>MA A.K.A Falco. Fragend schaue ich Hotti an. Hotti, entrüstet: „Das ist doch was mit Drogen!!“

Ebenfalls recht unterhaltsam ist die Entdeckung der aktuellen Charts: „Mama, wie heißt das Lied von Usher mit Baddabing, baddabumm? Das ist nämlich hammerscool, das Baddabing, baddabumm!“ Der gesuchte Titel lautet übrigens DJ Got Us Fallin‘ In Love. Oder: „Von wem ist ‚Money – money – money – sobollse – money – money – money‘?“ Der Rhythmus passt nicht, sobollse auch nicht, ich schlage trotzdem ABBA vor. Die angehende Teenietusse verdreht die Augen, schüttelt genervt den Kopf und insistiert wippend: „Nein, das geht so: ‚Money – money – money – sobollse – money – money – money‘!“ Beim dritten sobollse löse ich: Der gesuchte Titel lautet Price Tag von Jessie J. Ich wusste, eines Tages würde mein konsequentes SWR3-Hören sich auszahlen.

Payback

Gestern Abend hatten Hotti und ich einen recht unschönen Streit, den ich an dieser Stelle nicht weiter vertiefen möchte, nur so viel: Wir waren beide nicht so richtig nett. Nach meiner heutigen Erkenntnis sehe ich den Vorfall um Klassen gelassener, neue Entwicklungsstufe und so, das Ding hat einen Namen, alles händelbar, ich aufgeklärte Mutter und so, und zum Glück ist sie ja meistens auch echt noch putzig. Als Hotti heute aus der Schule nach Hause kommt, entschuldigt sie sich bei mir „wegen gestern Abend, das war blöd von mir!“. Ich sage das Gleiche, denke „Inneres Fest!!“ und klopfe mir ob meiner mütterlichen Abgeklärtheit innerlich ausgiebig auf die Schulter. Zwei Minuten später baut sie sich wieder vor mir auf und faucht: „Weißt Du, und wenn Du mich früher angemeckert hast, dann hab‘ ich nix gesagt, aber jetzt lass‘ ich mir das nicht mehr gefallen, jetzt schrei‘ ich zurück!!“

Nach dem Abendessen braucht Hotti heute besonders lang im Bad. Als ich schon denke, sie ist beim Haarekämmen eingeschlafen, öffnet sich endlich die Tür: „Kann ich was von der Körpermilch nehmen?“

die aktuelle

eineinhalb Jahre Wunderbra

Vor 18 Monaten ging Wunderbra online – ein Grund zu Feiern allemal. Musikalische Glückwünsche entsendet einmal unsere Abteilung für Kosmosfragen:

wunderbra zong gong:

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dann die ewig Dagegenen (wunderbra fuck the system):

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die Wunderbra-Sisters:

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und heute noch eingetroffen die etwas sakralere Variante passend zu Christi Himmelfahrt:

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Wir sind auch alle ganz happy und konnten uns statt irgendwelche Dinge erledingen zu müssen getrost den ganzen Nachmittag mit Audiodateien und Fanpost beschäftigen.

New Mom in Town

Da wäre ich dann also wieder, mitten in der Grünen Hölle, wie der Spiegel ebenso schön wie nicht ganz unwahr meine neue alte Heimat jüngst betitelte. Die Kisten sind fast alle ausgepackt, bis auf einige wenige im Kinderzimmer, die ich mich nicht getraue aufzumachen, weil in ihnen die Feng-Shui-Hölle tobt: angefangene Bastelarbeiten, auf der Straße gefundene Dinge und andere Kostbarkeiten, Hottis Stiftespitzen-Sammlung (ja, sie sammelt abgebrochene Buntstiftspitzen, die Gute), Lottis Schießmunition-Sammlung (kleine gelbe Plastikkügelchen, die Jungs mit Plastikknarren im Park verschießen) und ca. 50 Millionen Kuscheltiere. Ich dagegen habe mir anlässlich der neuen Gegebenheiten ein eigenes Zimmer (Feng-Shui-Himmel) rausgelassen und mich von jedwedem irdischen Kram befreit, der bei 3 nicht auf den Bäumen war. (Dearest Fangemeinde, wenn Ihr mich wirklich liebt, dann schenkt Ihr mir ab jetzt nur noch Dinge, die verwelken oder essbar sind.)

Der Volkspark heißt jetzt Panzerhalle

Der Volkspark (Grünfläche mit 2 Spielplätzen, in der alten Heimat unser zweites Wohnzimmer) heißt jetzt Panzerhalle (Panzerhalle inmitten einer spielplatzähnlichen Grünfläche, in der neuen Heimat vermutlich mein dritter Balkon), Volkspark für Fortgeschrittene sozusagen, und da hänge ich jetzt mit den ganzen LOHAS-Eltern herum, die sich zehn Tage nach dem Spiegel-Verriss noch vor die Haustür trauen: jung, dynamisch, ökologisch, nachhaltig, schick (mutig: weiße Blusen), ausgerüstet mit elektrolytischer Apfelschorle und zahnschonenden Reiswaffeln für den alternativen Nachwuchs sowie einer gepflegten Latte Macchiato für sich selbst. Bei der Recherche nach der richtigen Schreibweise bin ich gerade über das sehr netten Abschnitt der „Kulturellen Bedeutung“ dieses koffeinhaltigen Heißgetränks in der Wikipedia gestolpert, das ich an dieser Stelle kurz anbringen möchte:

„Latte macchiato wird, ähnlich wie auch auch Bionade, häufig als Symbol für trendbewusste Neu-Großstädter der kreativen Mittelschicht und jungen Elterngeneration in Szenebezirken verwendet und demzufolge auch abwertend als Modegetränk der Yuppies und sarkastisch als Symbol und begleitendes Getränk von Gentrifizierungsprozessen betrachtet; Stereotype die unter anderem auch von Kabarettisten wie Rainald Grebe und Philip Tägert oder in dem Musical Mama Macchiato karikiert werden. Betroffene Bezirke werden in diesem Zusammenhang häufig als „Latte-macchiato-Viertel“, beziehungsweise „Latte-macchiato-Kiez“ bezeichnet. Unter der Bezeichnung „Latte-macchiato-Eltern“ oder auch speziell „Latte-macchiato-Mütter“ definieren Trend- und Zukunftsforscher eine marktwirtschaftlich relevante Zielgruppe, die einen bewusst urbanen Lebensstil in das Familienleben integrieren möchte.“ (Wikipedia)

Hat Dieter Thomas Kuhn seinen Porsche schon verkauft?

Ich lasse das jetzt mal so stehen, man muss es sich ja nicht gleich in der dritten Woche nach dem Umzug mit dem neuen Sozialgefüge verscherzen, zumal der Spiegel-Artikel hier nicht wirklich auf begeisterte Anhänger spieß, äh, stieß, und die meisten Leute hier sind ja auch wirklich nett. Gell! Bin heute übrigens an Dieter Thomas Kuhn beim nachmittäglichen Drink mit seinen Kumpels vorbeigelaufen, habe leider ganz vergessen ihn zu fragen, ob er seinen Porsche schon verkauft hat.

Hotti und Lotti sind völlig im Glück, sie ahnen noch nichts von Gentrifizierungsprozessen und Schlagermusik, sondern rennen den ganzen Tag durchs Treppenhaus, um andere Kinder einzusammeln, schwingen sich an Lianenschaukeln durch die grüne Hölle oder stürzen sich todesmutig in die Blaulach, den reißenden, an seiner breitesten Stelle ca. 50 cm fassenden Strom, der vor unserem Haus dahinplätschert.

Ich persönlich stehe noch ein bisschen unter dem Nachbeben des Umzugs, der mich physisch, mental und ökonomisch an meine Grenzen und darüber hinaus gebracht hat (wo nie ein Mensch zuvor gewesen…). Die Bilanz: Rückenschmerzen, entzündete Sehnen und Handgelenke, ein zerrüttetes Nervenkostüm und Schulden bei der Bank. Ansonsten versuche ich mich gerade an 5 Meter gegenüberliegende Häuser mit riesigen Fensterfronten zu gewöhnen, in denen Katalogfamilien zu Abend essen und an deren Dachterrassen Muschelketten hängen, und auch dass die mir plötzlich alle beim Ausziehen – Schlafen – Nasebohren zuschauen können, finde ich noch leicht grenzwertig. Aber sicher nicht mehr lang, schließlich sind wir ja alle eine grüne Familie.

Höllische Grüße
die aktuelle

Mehr über LOHAS finden Sie hier und hier.

So jung und schon so versaut

Es ist ja nicht nur so, dass wir die total bescheuerte Rampensaufrau unseres geltriefenden Verteidigungsministers Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester (!) zu ertragen hätten, die momentan keine Gelegenheit auslässt, sich mit Kinderpornografie in den Mittelpunkt zu drängeln (don’t feed the trolls). Nein, wir werden auch noch von einer Twitterministerin für Familie, Senioren, Frauen, Jugend und Inkompetenz Dr. Kristina Dumpfbacke Schröder regiert, deren Blödheit ihresgleichen sucht und unter anderem mit Auftritten glänzt wie diesem:

 

Stephie und Krisi haben viel gemeinsam
 

Barbie zu Guttenberg. Bild: tafkas, Lizenz: cc

Stephie und Krisi haben viel gemeinsam: Beide sind jung, dynamisch, erfolgsorientiert, ätzend, sehen aus wie Barbies Schwestern und stehen auf der falschen Seite. Beide geben sich einen pseudojugendlichen Anstrich, obwohl sie innerlich die 150 längst überschritten haben, und beide hätte ich zu Schulzeiten von der Raucherecke aus stumm gehasst. Egal, die eine ist genug gestraft mit dem Ehemann mit den vielen Vornamen, die andere mit ihrem Parteibuch. Beides gibt vermutlich nicht zu wenig Karmapunkteabzug. Das einzig Gute an ihnen: Sie sind weit weg.

Krisi Barbie. (Bild: Kristina Schröder)

Gar nicht weit weg sind leider die beiden jungen Studentinnen, die Stephie und Krisi erschreckend ähneln und welche die Zelte ihrer Wohngemeinschaft unter meiner Wohnung aufgeschlagen haben. Die beiden gehen mir nicht nur regelmäßig auf die Nerven, weil sie Anfang zwanzig sind und mich siezen, sondern auch, weil sie sich über Hottis und Lottis Fahrräder im Treppenhaus mokieren als wären sie meine eigene böse Vermieterinnenhexe, mir mit einer Selbstverständlichkeit, die keinen Widerspruch duldet, Filzaufkleber für meine Wohnzimmerstühle verordnen (ich habe Teppichboden) und drei freundliche Frühstückseinladungen zum Zwecke der Hausgemeinschaftsoptimierung meinerseits angewidert ausgeschlagen haben. Außerdem sei ich ihnen zu laut, also manchmal, also nachts, und das sei ihnen peinlich. Das Schlimmste an diesen Barbie Sisters aber ist, dass einen nach jeder Begegnung mit ihnen das Gefühl beschleicht, eine alte, vergammelte, ranzige, minderwertige, minderbemittelte, schlampige Asseltante zu sein, die sozialschmarotzt, ihr Leben nicht auf die Reihe bekommt und ihre Existenzberechtigung lediglich aus der Barmherzigkeit und Gnade der Leistungsträger unserer Gesellschaft bezieht. Wie schaffen die das nur?

Fragt sich
die aktuelle

Gewidmet: Dear old Dr. Dirty Sprite

Halt ich’s aus?!

Hormonschwankungen kennt jeder von uns, in den Genuss des Prämenstruellen Syndroms (PMS) kommt allerdings nur die weibliche Hälfte der Weltbevölkerung, und auch von der nur eine Gruppe der Auserwählten. Mein Großer GU Kompass Homöopathie beschreibt einige der prickelndsten Symptome des PMS wie folgt:

Empfohlene Globoli: Sepia D12

„Sie würden am liebsten alles liegen lassen und abhauen; Abneigung gegen Beruf, Familie und Sex; Sie sind wütend, aggressiv und reizbar, aber auch sehr empfindlich, depressiv, weinerlich; schwach und müde; spannende Brüste, Akne, Kopfschmerzen und Sauberkeitsfimmel; Morgenübelkeit, Ekel vor Fett, aber Verlangen nach Saurem, Süßem oder Salzigem.“

Abgesehen von Kopfschmerzen, Morgenübelkeit und Ekel vor Fett kann ich persönlich in den drei Höllentagen vor den Tagen alles unterschreiben, würde die Aufzählung allerdings noch um zwei weitere Punkte ergänzen: 1. Wassereinlagerungen in sämtlichen nur denkbaren Problemzonenbereichen, 2. vorübergehende Hellsichtigkeit. Der Wunsch abzuhauen wird übermächtig, man ist froh und dankbar für jede gewaltfrei verbrachte Minute, möchte abwechselnd heulen und schlagen, man ist verpickelt, putzgeil und süchtig nach Nutella, Chips und Sherry. Mental ist man unterwegs in den Hades, physisch auf dem Weg zur Wassertonne. Nach drei Tagen hormoneller Talfahrt würde man für den sofortigen Eintritt in die Menopause jedem dahergelaufenen Scharlatan auf der Stelle seine Seele, seine Kinder und seine Großmutter verkaufen.

Die TOP FIVE meiner PMS-Shitlist

Auf die oben aufgeführte vorübergehende Hellsichtigkeit wurde ich aufmerksam durch einen buchstäblich sehr erhellenden Artikel („Drei Tage Klarsicht“) in meiner erklärten Lieblingszeitung Brigitte (ich habe nichts mehr zu verlieren). Darin beschrieb die Autorin, wie sie die Tod-und-Teufel-Zeit als Indikator nutzte für die Dinge, die ihr zwar unerträglich waren, die sie sonst jedoch erfolgreich verdrängte, und die ihr jetzt plötzlich mikroskopisch 1000fach vergrößert erschienen: Auseinandersetzungen mit der pubertierenden Tochter, Ärger mit dem Chef etc. Mit anderen Worten: Man hat vorübergehend einen glasklaren und unbestechlichen Blick dafür, was man wirklich nicht mehr aushält und womit man wirklich nicht mehr leben möchte. Die Konsequenz: Man merkt sich diese Dinge für die Zeit danach, in der man wieder in der Lage ist, Unerträgliches nicht mit der Axt, sondern mit Diplomatie und Verstand zu lösen.

Hier in Wunderbra nun exklusiv die Liste meiner bisherigen PMS-TOP 5:

1. Kindergetrödel im Badezimmer
2. Kindergesaue beim Essen
3. Kleiderdiskussionen mit Kindern
4. mein Ex
5. der Kapitalismus

Die Gliederung ist nicht hierarchisch.

Anarcho-Platanen belästigen Anwohner und Autos

Aus aktuellem Anlass muss ich meine persönliche Shitlist leider um einen Punkt erweitern. Vor meinem Haus am schönen Sternplatz wurden just fünf von elf Platanen gefällt mit der Begründung, dass sie sich nicht an die vorgeschriebenen EU-Baumrichtlinien gehalten haben. Nein, das habe nicht ich mir in einem meiner ständigen Anfälle von Albernheit ausgedacht, sondern die Stadtverwaltung Lingendingen, und es ist ihr voller Ernst, so Ernst, dass die Bäume weg mussten: Selbst schuld, wer sich nicht an die Regeln hält, muss gehen. Ausgelöst hat diesen Schwachsinn ein Beschwerdeschreiben von Anwohnern, die sich bitter über die Vermüllung ihrer Regenrinnen durch die Anarcho-Platanen beklagt hatten, woraufhin die Stadt nicht nur aufhorchte, sondern auch gleich die Baumverordnungsrichtlinien auspackte, nachmaß und befand, dass die Bäume weder den ihnen vorgeschriebenen Abstand zu den umliegenden Häusern ein- noch sich von der Straße fernhielten, wo sie Busse und LKW behelligten. Ebenfalls echt nicht zum Aushalten: Verwaltungsirrsinn.