Beyond

Nachdem man in den letzten Jahren diverse Kinder geboren, die dazugehörigen Plazentae, Beziehungen und andere Illusionen begraben, Universitätsabschlüsse, Umzüge und Kindergeburtstage gemanagt, sein Innerstes in einem öffentlichen Tagebuch preisgegeben sowie Playlists auf Youtube angelegt hat, gilt es nun, pünktlich zur anstehenden Vorweihnachtsmadness, sich der möglicherweise letzten Herausforderung zu stellen: dem Handarbeitsdiskurs. Mein Plan für dieses Jahr sieht folgendermaßen aus: Ich kaufe Unmengen an Wolle und Nadeln, Fanta bringt mir Häkeln bei, und alle bekommen Mützen. Menschen, die diesen Blog verfolgen, vergessen alles, was sie bisher gelesen haben, entweder sofort oder werden unter der Nordmanntanne unbändige Freude heucheln.

Fanta sagt für die erste Handarbeitsstunde direkt und freudig zu, Ma Baker ist spontan sehr beeindruckt ob meiner Entschlossenheit und träumt seit unserem letzten Telefonat von den Landfrauen und Weihnachtsbasaren, und sogar Bedenkenträgerin Dr. Sprite, die zunächst mit hochgezogener Augenbraue darauf verweist, dass der Wolldiskurs ja gerade eh voll trendy wäre, zieht nach manischen Ausführungen meinerseits (blühende Landschaften!) in Erwägung, ihr vor Jahren eingemottetes Stricknadelset zu reaktivieren. Wenn ich eins kann, dann ist es mitreißen, egal wohin.

„Mütze häkeln“

Das Ergebnis der ersten Handarbeitsstunde mit meiner Lieblingsgrundschullehrerin ist frustrierend und landet im frisch aufgestellten Küchenschrank von Batman. Und weil mich heute das Siechtum dahingerafft hat, so dass ich keiner geregelten Arbeit, sondern lediglich maximal stumpfsinnigen Aktivitäten nachgehen kann, lege ich mich ins Bett, befestige Wärmflasche und Laptop auf meinem Bauch und youtube „Mütze häkeln“. Das erste Video ist eine ernstzunehmende Anleitung für halbe Stäbchen, ich denke „Keine halben Sachen!“, suche erst mal weiter und stoße dabei auf „Boshi in einer Minute“, wobei mich selbstverständlich vor allem „in einer Minute“ reizt. Von Fanta weiß ich, dass Boshi gerade voll hippe Häkelmützen sind, die zur Zeit offenbar vorrangig von männlichen Planetenbewohnern gefertigt werden, und sie muss es ja wissen, schließlich ist ihr Ex bereits diesem neuen Trend verfallen. Vollends abgetörnt werde ich schließlich vom dritten Video, in dem eine zuckersüße Schnuckimausi die „Jungs“ von MyBoshi und Hatnut fragt, warum und wieso sie denn zum Häkeln gekommen sind, was sie so besonders macht und ob sie heimlich auch mal stricken. Die Jungs kichern und kokettieren damit, dass sie eher nicht so stricken, weil sie schließlich Männer seien und dadurch nicht in der Lage, zwei Geräte gleichzeitig zu bedienen. Offenbar ebenfalls ein neuer Trend: die unterstellte Blödheit als niedlichen Fakt verkaufen und sich dann entspannt zurücklehnen. Mit Häkeln bin ich jedenfalls fertig. Morgen wieder Rockstars stalken.

Gut. Was wünscht Ihr Euch sonst so?