Vielerarts Müll

Deutsche sind ja bekanntlich Meister der Mülltrennung und werden dafür vielerorts milde belächelt. Wir sortieren etwa 20  Hauptmüllsorten in verschiedenfarbige Gefäße und Säcke. Papier in die blaue Tonne, Bioabfall in die grüne, Restmüll in die graue und – besonders faszinierend – den grünen Punkt in den gelben Sack! Man könnte denken, damit wäre das, was im normalen Haushalt an Müllsorten anfällt, abgedeckt. Doch das ist ein weit verbreiteter Irrtum.

Jedes Jahr, wenige Stunden, bevor alle Haushaltsangehörigen in den Urlaub verschwinden, stehen wir vor dem selben Problem. Die alltägliche Sorge darüber, dass irgendwie zu wenig leckeres Essen im Haus sein könnte, beschert uns am Abreisetag einen Kühlschrank, der gut gefüllt ist mit Dingen, die man nicht alle mitnehmen kann. In vorderster Reihe stehen aktuelle Konsumgüter wie der Kürbis-Shiitake-Aufstrich aus der Bioboutique, gefolgt von der halb gegessenen Schinkenwurst in Dose. In zweiter Reihe findet die aufmerksame Betrachterin bereits Herausforderungen auf Level 2. Der fettarme Frischkäse, den man vor einer Weile für 1,5 Tage als gesund machenden Butterersatz benutzt hat ( is ja alles ne Frage der Einstellung, ne?) hat grüne Flecken, die nicht von Kräutern herrühren. Daneben liegt Grillgut, das man vor geraumer Zeit mal einen Nachmittag durch die Hitze getragen, dann aber leider keine Grillstelle gefunden hat. Es folgen verschiedene pelzige Milchprodukte und eine angerissene Packung Meeresfrüchte, welche angeblich keiner gekauft und die ebenfalls ihren Zenit überschritten hat. Der Urlauber in Eile stellt eine kurze Überlegung an, die im Wesentlichen daraus besteht, sich auszumalen, wie sich der Kühlschrankinhalt in den nächsten 3 Wochen weiterentwickeln würde, wenn man die Sache einfach auf sich beruhen ließe. Angesichts dieser Horrorvision spaltet er die Geschichte mit den hungernden Kindern in Uganda pragmatisch ab und packt alles hastig in eine große Mülltüte, um diese umgehend in der grauen Restmülltonne zu versenken. Aus den Augen aus dem Sinn – so hofft man.

Beim Schließen des Deckels beschleicht einen aber ein mulmiges Gefühl. Man bemerkt, wie heiß es ist. Wann wird nochmal die Tonne…? Ah, in 2 Wochen…! Unangenehme Erinnerungen drängen sich ins bereits leicht rosa getönte Urlaubsbewusstsein. An entsetzlichen Gestank, wimmelnde Maden und Hühnerherzen in Plastik, fassungslose Nachbarn, kotzende Haushaltsangehörige und den heiligen Schwur, so etwas NIE WIEDER zu tun!

Schnell nimmt man den Müllsack wieder aus der Tonne. Wohin also damit? Vergraben? Dauert zu lange. Irgendwo aus dem Auto schmeißen? Is echt unverschämt. Dann kommt der rettende Einfall: Einfrieren! Unter Umständen bereits begonnene mikrozelluläre Veränderungsprozesse stagnieren einfach und ermöglichen bei Rückkehr aus dem Ferienparadies eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Problem und das Ersinnen einer nachhaltige Lösung. Freudig nennen wir unsere neu erschaffene Müllsorte den GEFRIERMÜLL und beginnen hastig damit, im Gefrierfach Platz zu schaffen. Dabei stoßen wir auf eine überaus fest verknotete Tüte mit einem Totenkopfsymbol, die keiner von uns je gesehen hat. In stillem Konsens vermeiden wir jeden weiteren Versuch, diesem Mysterium auf den Grund zu gehen, quetschen Gefriermüll neben Todesmüll und suchen das Weite.

Ein Wort zum Sonntag, das die Welt vielleicht nicht braucht

Bild: Christian Watzke, Lizenz:CC

Es ist Sonntag! Und es ist heiß! An den Schwärmen von Fruchtfligen, die sich innerhalb von Sekunden um jedes unverpackte Stückchen Essen in der Küche hermachen kann man zweifelsfrei erkennen, daß Hitze und Lebensmittel in einer unheilvollen Wechselwirkung stehen. Man kann diesem Problem auf verschiedene Arten begegnen. Da gibt es die, die schon immer alles SOFORT wieder weggeräumt haben. Kennt jemand so jemand? Ich nicht. Dann gibt es die Hygieneanarchisten, die in der Devise “ Immer schön dreckig bleiben“ ihr Lebensmotto finden und damit den Rest ihres Daseins friedlich vor sich hinmodern. Und dann gibt es noch die Besserungswilligen, die irgendwann die 30 hinter sich lassen und sich eingestehen, daß Kompost, der selber zur Tür kriecht, weder etwas mit Punksein zu tun hat noch einen Akt des politischen Widerstandes dastellt. Seither bemühen sie sich redlich, ihre Küche nicht mehr in einen mikrobiologischen Spielplatz zu verwandeln. Mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg.
Eine wesentliche Ursache des Mißerfolgs liegt unserer Meinung nach in der Unfähigkeit, Entscheidungen zur rechten Zeit zu fällen. Sprich, wenn etwas heute schon so aussieht, daß ich es lieber nicht mehr essen will, warum lasse ich es dann trotzdem nochmal über nacht stehen. Etwa, weil ich glaube, daß es über Nacht eine Spontanheilung geben wird? Naja, man kann ja nie wissen. Vielleicht durchläuft die Lasagne eine wundersame Metamorphose, wenn man ihr nur genug Zeit läßt.
Oder wird zumindest selig gesprochen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Und wer denkt, im Sommer ist es mit Rausbringen getan, der sei an dieser Stelle eines Besseren belehrt. In Bruchbuda läuft zur Zeit ein herausforderndes Experiment mit verschärftem Material. Nix Essensreste oder halb angebissene Bananen. Wir haben uns an die höchste Disziplin gewagt – nämlich rohe Hühnerinnereien, die wir letzten Winter mal aus Verzweiflung erworben hatten, um ein Brathuhn mit schmackhafter Füllung auszustatten. Wofür wir etwa ein Fünftel der gekauften Hühnerherzen benötigten. Anstatt den Rest, der damals schon nicht sehr einladend aussah, einfach wegzuschmeißen, entschlossen wir uns für Einfrieren. Man weiß ja bekanntlich nie. Die letzten Monate verbrachten die Herzchen also in unserer Tiefkühltruhe und haben sich dort ihrer Natur entsprechend nach Herzenslust verteilt. Egal, was man anfaßte, man hatte immer auch ein geflügeltes Kreislaufzentrum mit dabei. Alles noch nicht wirklich schlimm, bis wir dann letzte Woche Platz brauchten und alles Überflüssige aus der Kühltruhe entfernt werden mußte. Die eingesammelten Herzchen standen wirklich nur kurz in der Kückhe herum. Es war sofort zu erkennen, daß man besser nicht zuließ, daß sie wieder zu sich kamen. So landeten sie flugs in der Mülltonne – und kamen dort zu sich. Zuerst war es nur der Hauch eines Geruchs. Sowas wie 5 Meter entferntes Katzen-AA. Nicht weiter schlimm. tags darauf wurde der Duft deutlich penetranter. Irgendetwas schwant einem ja dann schon, aber die Vorstellung ist zu gruselig, um sie wirklich an sich ranzulassen. Hält man halt beim Fahrradabstellen die Luft an, was soll’s. Oder läßt einen weiteren Tag später einfach die Fenster zu. Kommt eh nur Hitze rein. Man läßt einen weiteren Tag ins Land ziehen und findet ab Derendingen Arbeitsamt mit geschlossenen Augen nach Hause. Hat doch auch Vorteile, falls man in den nächsten 30 Jahren erblinden sollte. Jedenfalls ist klar, daß es inzwischen lebensbedrohlich sein würde, die Mülltonne nochmal zu öffnen. Man hat diesen Weg nun mal eingeschlagen und muß ihn jetzt auch konsequent zuende gehen – Sir, ja, Sir! Riechen sie etwas? Sir, nein, Sir!
Man kann ja mal verstohlen auf den Müllkalender schauen. Noch 3 Tage bis Abholung, naja, das ist jetzt auch nicht mehr das Problem. Unsere Schilde gegen die Realität funktionieren einwandfrei. Die unserer Nachbarn nicht. Es wird eine verschüchterte Bitte an uns gerichtet, wir mögen doch der Ursache dieses Gestanks nachgehen, da auch unsere Nachbarn inzwischen ihre Fenster geschlossen halten müssen. Und dies aber nicht wollen. Obwohl’s doch eh nur heiß ist.
Wir finden uns schließlich am Ort des Übels ein, bewaffnet mit einer reißfesten Mülltüte, in die wir das Übel mithilfe einer ausgefeilten Bewegungsabfolge verpacken wollen. Tief einatmen, Luft anhalten, schnell Deckel auf, in den Sack schütten, Sack schnell zuknoten und dann schnell wieder zurück in die Tonne udn hoffen, daß die Mülltüte geruchsdicht ist.
Lange stehen wir vor der Tonne und starren sie an. Keiner will den Anfang machen. Als die Stimmung und die mittägliche Temperatur ihren Siedepunkt erreicht, ändern wir stillschweigend die Strategie. Unsere Mülltonne verschwindet ungeöffnet in dem großen Müllsack, den wir hermetisch versiegeln. Vorsichtshalber stellen wir den Sack schon heute an die Strasse, wir sind gerne auf der sicheren Seite.

Ma Baker

 

Der vierte Advent: Bug-Busting

Kopflaus (Pediculus humanus capitis)

Kopflaus (Pediculus humanus capitis)

Nach einer Woche schlafloser Nächte, in denen Euch nur die Frage umgetrieben hat, welche Katstrophen sich wohl am letzten Sonntag vor Weihnachten im Hause Aktuelle ereigneten, hier nun die letzte Folge unserer launigen Adventsreihe O Du Fröhliche. An diesem Wochenende habe ich es nicht nur geschafft, fünf Weihnachtspäckchen rechtzeitig zur Deutschen Post und ihren Rentieren zu schleppen sowie letzte Geschenke zu besorgen, nein, ich war auch auf einem sehr geilen Konzert, Frühstücken mit Ma Baker, habe mit Robbie (Williams) geputzt und geduscht sowie mit meiner Freundin Fanta und einem gepflegten Gläschen Sherry die dritte Staffel Sex and the City genossen. Eine Erfolgsgeschichte. Diesmal ungelogen!

Läuseeier überstehen mühelos Atomkatastrophen

Eine Entlausungskur und der Tag ist gelaufen.

Eine Entlausungskur und der Tag ist gelaufen.

Aber das Leben wäre natürlich nicht das Leben, wenn es nicht selbst am harmonischsten Vorweihnachtswochenende einen Knaller auf Lager hätte. Da sitze ich also Samstagabend gemütlich mit Fanta auf dem Sofa, trinke Sherry und schaue Carrie und ihren Freundinnen beim Sex in der City zu, da meint Fanta: „Wir haben Läuse.“ „Wir“ sind in dem Fall Fanta und ihre drei Kinder, Mulle, Rulle und Wulle, Läuse dagegen ekelhafte Mistviecher, die ihre Eier auf anderer Leute Köpfe ablegen, und es ist eine Drecksarbeit, sie wieder loszuwerden. Man muss nicht nur Betten abziehen und tonnenweise Wäsche waschen, sämtliche Stofftiere und andere Textilien eintüten und tagelang tiefgefrieren, man muss vor allem auch die befallenen Köpfe einer stinkigen und giftigen Entlausungskur unterziehen. Das erfordert Zeit, Geduld und Nerven, der Tag ist gelaufen.

Wir fallen in einen kollektiven Vollrausch

Am nächsten Tag, es ist, natürlich, der vierte Advent, rückt das Sondereinsatzkommando Bug Busters den Parasiten mit Chemikalien zu Leibe, deren Geruch uns sofort in einen kollektiven Vollrausch versetzt. Wir kämmen riesige Läuse aus den Haaren, die wir mit Tesafilm fixieren und zu Forschungszwecken an die strahlend weißen Badezimmerkacheln kleben, da kommen sie besonders gut zur Geltung, und wir kämmen Nissen aus den Haaren, die dort von den Läuseeltern mit Superläusespezialkleber derart liebevoll befestigt wurden, dass sie ohne Not eine Atomkatastrophe überstehen würden, ohne abzufallen. Das Ergebnis: Bei Mulle zählen wir 55 Tierchen, bei Fanta 32, bei Rulle lediglich eine Nisse, bei Wulle gar nichts, er hat verloren, aber es stört ihn nicht sonderlich. Als eine Nachbarin klingelt, um einen festlichen Eisstern mit Kerze vorbeizubringen, wird sie an der Tür von Mulle und Rulle abgefangen: „Wir haben ganz viele Läuse an die Wand im Bad geklebt! Willst Du sie mal sehen?“ Mich juckt es auch schon überall.