The Power of Less

Behalte, was dich glücklich macht!- Übrigens: Hotti trägt jetzt auch kurz (links im Bild)

Ferien! Nach einem bewegten Jahr (wir berichteten noch nicht) sehe ich freudig ein paar entspannten Tagen zwischen Nordmanntanne und den Heiligen Drei Königen entgegen, in denen ich mich – Gipfel des Hedonismus – ein kleines bisschen um mich selbst drehen kann, am Ende gar mit einem Buch auf der Couch. Wenn Du Gott zum Lachen bringen willst, mache einen Plan.

Weniger ist mehr

Einen Tag nach Weihnachten hält Hotti den Zeitpunkt für gekommen, den Gutschein für ihre Zimmerrenovierung (Streichen und neuer Teppich), den sie zum 15. Geburtstag bekommen hat, einzulösen. Sie beginnt mit Ausmisten, kann sich aber aufgrund ihrer Lebensphase zwischen den Welten nicht von liebgewonnener Materie trennen: Was tun mit den ersten selbstgenähten Herzchenkissen, der gemeinsam auf dem Flohmarkt erworbenen Sahne-Muh-Muh-Spardose in Milchkannenform oder der Lieblingsjeans, in die die heranwachsenden Kurven beim besten Willen nicht mehr reinpassen? Als gute und nicht ganz uneigennützige Mutter gebe ich dem ratlosen Teenager einen Artikel über Minimalismus – Drei Methoden für Einsteiger zu lesen, nicht zuletzt in der Hoffnung, dass erstens jede Menge Kinderkruscht vergangener Tage endlich unsere Wohnung verlässt und dass ich durch die Selbstbeschäftigung des Kindes zweitens ein paar Stunden Zeit für mich, das Buch und die Couch rausschinde.

Hot or not?

Hotti bedankt sich artig und schwirrt ab. Da steht Lotti auf der Matte, die, wie üblich in den Ferien, in einem Loch aus Langeweile und Strukturlosigkeit versinkt und fragt, was sie „ma‘ machen“ kann. Da ich keine Lust auf Brettspiele habe, antworte ich ebenso lächelnd wie berechnend: „Liebes Kind, hier, lies diesen großartigen Artikel über Minimalismus, Hotti liest den auch gerade, das schadet Euch gar nichts!“ Kurz danach geht es rund: Hotti und Lotti schleppen unermüdlich Berge von Spielzeug, Klamotten, Büchern, Bastelperlen und Müll aus ihren Zimmern, die sie, in Ermangelung von Kisten, im Flur, in der Küche und schließlich in meiner Acht-Quadratmeter-Residenz abladen. Sie übertrumpfen sich gegenseitig, wer besser loslassen kann, dazwischen rufen sie euphorisch Sätze wie „BOAH KRASS, was man alles nicht braucht!“ und „EY, ich behalt nur noch, was mich ECHT GLÜCKLICH macht!“ Während Lotti mir dabei alle paar Minuten Sachen vor die Nase hält, die eine Entscheidung verlangen – Hot or not? Gehen oder bleiben? – schaufelt die große Schwester alles, was sie ECHT GLÜCKLICH macht, rüber in Lottis Zimmer, um Platz zu schaffen für die Renovierung und fließende Energie. Genau so geht das die nächsten Tage weiter. Kisten gibt es immer noch keine („EY, ich geh‘ doch nicht RAUS!“), alles fliegt herum, unsere Wohnung gleicht einer Messie-Bude vom Feinsten, Hotti und Lotti hausen, schlafen und zanken nun gemeinsam in Lottis Chaoszimmer, an Hedonismus ist nicht zu denken. Immerhin hilft der Hotti-Lotti-Papa (HLP) tatkräftig auf der Baustelle und baut das Hochbett ab und um.

Rome wasn’t built in a day

Beim Streichen des künftigen Feng-Shui-Tempels bekommen Hotti, Lotti und ich uns vollends in die Haare, und als wir den Teppich rausreißen, prangt dort, wo der scheinselbstständige Teenager gerne seine nassen Handtücher auf den Boden zu werfen pflegt (Hotti: „EY, das hab‘ ich schon voll lang nich‘ mehr gemacht!“), ein nicht unbeachtlicher Schimmelfleck. Da Hotti nun erst mal auf eine Freizeit fahren und der Schimmel ohnehin tagelang besprüht werden muss, kommt es zum Baustellenstopp. Unsere Wohnung gleicht nun einer Messie-Bude vom Feinsten mit Chlorgeruch, Buch und Couch habe ich längst abgeschrieben, aber wie sagt der Buddhismus unter anderem? Wenn Du es eilig hast, geh langsam. Gut Ding will eben Weile haben, und Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut.

Die erste Schulwoche ist nun vorbei und Ansätze von zeitlicher und räumlicher Struktur kehren allmählich zurück. In unserer Messie-Bude stinkt es zwar immer noch nach Hallenbad, und Hotti schläft nach wie vor in Lottis Zimmer, wo sich Szenen wie im Tatort abspielen, aber die Teenie-Baustelle verzeichnet mittlerweile deutliche Fortschritte: Der HLP hat Laminat verlegt (aus hygienischen Gründen haben wir uns gegen Teppich entschieden), und er sagt, dass „das alles in zwei, drei Tagen fertig“ sei. Genau. Stuttgart 21 sowie der Berliner Flughafen sind schließlich auch kurz vor der Vollendung, und die Erde ist eine Scheibe.