Lissabon, Berlin, New York, Rio, Lingendingen – ja, die Hausfrauen und Mütter von heute kommen herum in der Weltgeschichte. Allerdings gilt es als moderne Frau ja nicht nur durch Metropolen zu jetten, Kinder zu bespaßen und an der Karriere zu feilen, nein, man hat darüber hinaus selbstverständlich auch ein erfülltes Sozialleben vorzuweisen. Gerade Letzteres gestaltet sich allerdings nicht ganz so einfach, weil natürlich alle anderen supermodernen Freundinnen-Frauen ebenfalls darum ringen, Städtehopping, Kinder, Karriere und Socializing unter einen Hut zu bringen.
Das sieht dann so aus, dass man an seinem kinderfreien Wochenende Telefon, Adressliste und Kaffee-Venentropf im Bett postiert und ab 9 Uhr morgens Gespräche in einer Frequenz führt, die jedem Callcenter-Chef Tränen in die Augen treiben würde. Um 15 Uhr bin ich zwar reizüberflutet, aber auf dem neuesten Stand.
Strichbienen, tiefgefrorene Nagetiere und Frau Odenthal
Giannini möchte mit mir, Hotti und Lotti nach Südfrankreich in den Urlaub fahren und braucht Strichbienen. Schwester S hebt ein Grab aus für Hamster Willi, der zwar bereits letzte Woche verstorben ist, aber wegen Kind und Arbeit noch nicht bestattet werden konnte und daher seit seinem Ableben in der Tiefkühltruhe zwischengelagert wurde. Meine Mutter hat ihren kleinen Kater nach stundenlanger Suche im Garten schließlich auf der Markise wiedergefunden, glücklicherweise noch vor dem Einkurbeln. Schwester T hingegen ist in der nordhessischen Provinz verschollen, auch Captain Janeway bleibt unerreicht, ich simse ihr, Missy RB, Pietra und Celada bekommen E-Mails. Ma Baker muss für die nächsten zehn Tage ihrem Angestelltenverhältnis im Irrenhaus nachgehen und daher diesen Sonntag bei der Mädchengruppe Tatort leider aussetzen, im Gegensatz zu Frau Odenthal sowie den Herren Bootz und Lannert, mit denen ich ein ganz reales Date für Sonntagabend, 20.15, arrangieren kann. Es gibt noch Konstanten. Heureka!
Onkel Alfred schaffe ich heute nicht mehr
Onkel Alfred und Tante Marion verschiebe ich auf morgen, die schaffe ich heute nicht mehr. Dafür erwische ich Boccaccia, die ich schon Ewigkeiten weder gehört noch gesehen habe. Sie hat einen neuen Job, ein neues Auto, die Malerrolle in der Hand, ihr Kind und den alten Vermieter am Rockzipfel und steckt mitten im Umzug. Wir telefonieren nur kurz und versichern uns gegenseitig, dass wir uns ganz bald treffen. HA! Nichts leichter als das!Frau Erdinger und ich verabreden uns noch für denselben Abend für einen ganz konkreten Spaziergang mit echter Face-to-face-Kommunikation, wir sind beide zutiefst erschüttert ob derartiger Spontaneität. Bei Fanta versuche ich es gar nicht erst, sie verbringt das Wochenende im bayrischen Ausland, und Urschula, die ich eigentlich in ihrem Gütle besuchen wollte, muss ich leider versetzen, weil ich mit dem Hörer in der Hand einschlafe.
Fazit: Wir alle brauchen entweder jede 20 Doubles oder das bedingungslose Grundeinkommen. Oder wie ein Typ auf der Re:publica meinte: Mein Tag hat 48 Stunden, ich bräuchte 72.