Zucht und Deformation

Es gibt einen Gott: Der fürs Wochenende angesetzte Halligallilottikindergeburtstag fällt wegen erkrankter Geburtstagsgäste aus, so dass ich, anstatt Kartoffelsalat und Würstchen an kreischende Kinder zu verteilen, mit Fanta zum Chillen und Nikotinausschwitzen in die Sauna gehen kann. Wir packen unsere Bademäntel, Schläppchen sowie Die Vampirschwestern ein und rauschen los ins Achmannbad am Fuße der Schwäbischen Alb. Die Lektüre hätten wir allerdings getrost zu Hause lassen können, unterhaltungsmäßig sitzen wir bereits bei Saunagang Nummer eins in der ersten Reihe:

Mann 1: Die hat sich ja dann gar net mehr in die Sauna getraut, also wegen ihrer Deformation, weil, die wollt‘ halt net immer so angestarrt werden.
Mann 2: Hhmm.
Mann 1: Also, dabei war des mit der Deformation gar net so des Problem.
Mann 2: Wieso, was dann?
Mann 1: Also, des eigentlich Schlimme war nämlich, dass die als Kind zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. DES war des eigentliche Problem.
Mann 2: Ja, des is halt immer des, ne.
Mann 1: Genau, und des kann man halt auch net mehr nachholen, wenn de als Kind zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hast!
Mann 2: Hhmm.
Mann 1: Weil des mit dem krummen Rücken war eigentlich gar net so schlimm. Also, grad wegen Inklusion und so.
Mann 2: Wegen was?
Mann 1: Inklusion.
Mann 2: Ach so.
Mann 1: Und dabei hatte die doch auch so einen gut aussehenden Mann und so gut aussehende Kinder!
Mann 2: Hhmm.
Mann 1: Aber des mit der Sauna ging halt trotzdem net.
Mann 2 (zu mir): Ist das Ihr Handtuch? (zeigt auf den Boden)
die aktuelle: Nein.
Mann 2: Na, so was – das ist ja meins!
Mann 1: Sag mal – sollen mir eigentlich mal raus?
Mann 2: Hhmm. Des ist ja echt SCHEIßheiß hier.
Mann 1: Ja, SCHEIßheiß! Und kälter wird’s ja irgendwie auch net.
Mann 2: Nee, kälter wird’s net. (gehen ab.)

Kurz darauf beenden auch Fanta und ich die erste Runde und begeben uns zum scheißkalten Eisbecken. Während ich einsteige, gesellt sich ein dicker alter Mann zu mir und gibt mir den ganz heißen Tipp, ich müsse immer rückwärts reingehen, wobei er peinlich genau darauf achtet, ob ich diesem Hinweis auch Folge leiste. Fluchtartig verlasse ich vorwärts das Becken. Fanta, die nichtsahnend nach mir ins Eiswasser gleitet, raunt er hingegen zu, dass „das immer so züchtig“ mache. Wir möchten uns nicht ausmalen, was Männer wie er ohne Eiswasser in der Sauna machen würden.

Hören Sie’s auch?

Nach dem zweiten Saunagang hat es sich ein anderer älterer, nicht ganz so dicker Herr vor dem Eiswasserbecken gemütlich gemacht. Dazu hat er seinen Stuhl exakt vor dem Becken neben der Einstiegsleiter postiert, so dass er beim vermeintlichen Zeitunglesen nicht nur problemlos seine Füße auf dem Beckenrand ablegen, sondern garantiert auch jede Pore der Badenden überblicken kann.

Beim dritten Saunagang sind Fanta und ich allein mit einem weiteren recht betagten Mann. Nachdem er mehr als umständlich sein Handtuch auf der obersten Etage zurechtgewurschtelt hat, legt er sich endlich hin. Gerade, als wir schon meinen, jetzt sei aber mal Ruhe im Karton, tönt es von oben: „Ich höre hier so ein seltsames Motorengeräusch. Sie auch?“ Wir verneinen und werten diese finale Entgleisung als Zeichen zum Aufbruch, schließlich soll man ja gehen, wenn’s am schönsten ist. Auf dem Weg nach Hause müssen wir kichern: Wir hören da so ein seltsames Motorengeräusch. Sie auch?

Hausfrauenreport

Um meine persönliche Verfassung nach den letzten unerquicklichen Vorkommnissen zu stabilisieren, quartiere ich Hotti und Lotti zum Hotti-Lotti-Papa aus und lasse ein weiteres Mal den Klempner in Erscheinung treten, in der Hoffnung, er möge wenigstens meine tropfende Spüle fixen, wenn schon die Traditionsspülmaschine von Dr. Sprite nach Wasserschaden und Ölpest das Zeitliche gesegnet hat. Pünktlich um zehn Uhr klingelt es an der Haustür, Klempnerman betritt die Wohnung, seine erste Frage gilt dem längeren Gerät seines Nachfolgers: „Und? Was hatte der jetzt für eins?“ Ich antworte wahrheitsgemäß, dass ich das auch nicht so genau wisse, aber der Kollege habe dann den Rest erledigt. Um ihn nicht vollends zu deprimieren, schiebe ich hinterher, dass er ja schließlich die ganze Vorarbeit geleistet habe und es sei ja auch prima gewesen, dass da überhaupt jemand gekommen wäre, zwischen den Jahren und so. Er nickt traurig und sagt: „Das ist halt immer das, wenn man nicht mit dem gescheiten Gerät ausgestattet ist!“ Ich nicke verständnisvoll und biete ihm zum Trost einen Kaffee an, den er dankbar annimmt: „Ja, gerne, aber bitte einen ganz Kleinen, ganz Schnellen!“

Mit diesen Worten verschwindet er wieder unter meiner Spüle. In Erinnerung der letzten Flutkatastrophe biete ich ihm sofort einen Eimer zum Unterstellen an, er winkt ab: „Nö, alles einwandfrei!“ Ich lenke mich mit Kaffeekochen ab, unter dem Spülbecken ruft es: „Perfecto grande!“ Zu meiner Erleichterung möchte Klempnerman jetzt doch lieber einen Eimer unterstellen, und dann sind es letzten Endes nur die Dichtungen, die lediglich mal nachgezogen werden müssen, und für diesen Job ist er glücklicherweise auch mit dem richtigen Gerät ausgestattet. Wir sind beide erleichtert.

Zweite Chance für 2013

Bei unserem Kaffeequickie erzählt er mir von seinem Urlaub vor Weihnachten, in dem er mit dem Fahrrad 1500 Kilometer zurückgelegt habe, über den ganzen Teide auf Teneriffa, den höchsten Berg auf spanischem Staatsgebiet, sei er gefahren, und außerdem lerne er gerade Spanisch, weil er da auch durch persönliche Beziehungen einen Draht zu habe, und deswegen interessiere ihn Englisch überhaupt nicht. Dann nimmt er freundlicherweise noch meine derangierte Spülmaschine in seinen Schadensbericht auf und gibt mir damit bei der Hausbesitzergemeinschaft eine Chance auf Kulanzzuschuss. Wir wünschen uns ein gutes neues Jahr und dann verlässt mich Klempnerman, um andere Hausfrauen zu beglücken.

Ansonsten lässt mir die zuständige Sachbearbeiterin für die Faschingsferienbetreuung bei der Stadt Lingendingen das Anmeldeformular für zumindest eines meiner Kinder zukommen, Hotti ist leider zu alt für derlei Bespaßungen, aber immerhin: fünfzig Prozent verräumt, und alleine ohne Schwester streitet es sich auch schlecht den ganzen Tag. Wenn ich jetzt noch mit meiner neu gegründeten Tippgemeinschaft mit Frau Blocksberg den Jackpot knacke, würde ich dem neuen Jahr möglicherweise noch einmal eine Chance geben.