Das Comeback des Blumenmörders

Totgesagte leben länger. Bayern auch. Mit Erschrecken stelle ich beim Zeitunglesen fest: Er ist wieder da! Wir dachten, er wäre erledigt, zumindest politisch und vor allem rhetorisch. Was macht er stattdessen? Er schreibt seine Memoiren. Als Exilbayerin teilte ich lange Jahre, vor allem während seiner Amtszeit als bayrischer Ministerpräsident das Schicksal vieler Bayern, die in anderen Bundesländern leben – dieses Schicksal hieß Fremdscham!

Man hoffte immer insgeheim, er würde einfach nicht reden – und wurde meistens enttäuscht. Er zeigte uns die Welt aus ganz neuer Blickrichtung und erschuf sprachliche Dimensionen, von denen wir nie auch nur zu träumen gewagt hätten. Er machte es möglich, in den Hauptbahnhof einzusteigen und rückte München näher an Bayern. Ihm haben wir das stichhaltige Stufenmodell des integrationsunwilligen Bären zu verdanken: Normaler Bär – Schafbär – Problembär! Seine Ausführungen zu Fußball und brasilianischen Spielern sind legendär und die gludernde Lot würde uns auch fehlen, hätte er sie uns nicht geschenkt.

Vom Format her muß man leider sagen, reicht er an den legendärsten seiner Vorgänger nicht ganz heran. Obwohl er sich sichtlich Mühe gab, verbal daneben zu langen, blieben seine Ausfälle doch eher im komischen Bereich und erreichten nie die politische Brisanz eines Franz Josef Strauß. Dieser schaffte es in Zeiten des Kalten Krieges, auf die höfliche Frage von Gorbatschow, ob er denn schon mal in der Sowjetunion gewesen wäre, zu antworten: „Ja, aber das letzte Mal kam ich nur bis Stalingrad!“

Trotzdem ist er wieder da! Der blumenhinrichtende Patriarch, dessen Frau dann macht, was er gerne täte. Wie direkt einem Moers-Comic entsprungen: Äch bän wäder da – und äch habe ein Boooch geschräben!

Wir möchten an der Stelle einfach nur „Bitte nicht“ sagen und halten unser Banner von damals wieder schützend über uns.

Von Frauen und Unimogs

Der Mann unterscheidet sich vom Knaben bekanntlich durch die Kostspieligkeit seines Spielzeugs. Wo kleine Jungs noch mit Matchboxautos brummbrumm machen, gibt es für den erwachsenen Mann bereits Vergnügungsparks in Form riesiger Baugruben, in denen Baufahrzeuge zur freien Nutzung bereitstehen. Eine Stunde Baggerfahren für 50 Euro, die halbe Stunde auf der Planierraupe für die Hälfte. Ermäßigung gibt es für Gruppen, in denen die eine Hälfte ein Loch ausbaggert und die andere sich bereit erklärt, selbiges wieder zuzuschütten.

Auch Lego hat inzwischen die Männerwelt entdeckt und die Produktionssparte LEGO MEN entwickelt. Der zahlungskräftige Mann jenseits der 35 findet eine vielfältige Auswahl an Bausätzen, die sowohl seinen Intellekt als auch seine Testosteronproduktion ankurbeln werden. Von einem funktionstüchtigen R2D2 über verschiedene Fluggeräte bis hin zu einem Unimog mit allen Schikanen. Für die, die es nicht wissen: Unimog steht für UniversalMotorGerät. Das Wort Universal ist wie Musik, es will sagen, dass der Unimog alles kann. Er ist sozusagen der Grundbaustein allen interessanten motorisierten Maschinenlebens. Mann kann durch zwei Meter hohen Schlamm pflügen oder ihm eine Schneefräse an die Schnauze montieren, falls kein Schlamm, sondern der Winter die Mission gefährdet. Er schafft Steigungen bis zu 110 Prozent, und wenn es mit der Straße nix mehr ist, dann nimmt er halt die Schiene oder hebt ganz ab.

Man kann sich die Frage stellen, wieso ein großer Teil der Männer eigentlich Frauen heiratet und keine Unimogs. Unimogs sind in ihrer Omnipotenz weder hysterisch (emotionsflexibel. Anm. d. Red.) noch haben sie ihre Tage (ihre monatliche Resettaste, verbunden mit einigen Tagen Klarsicht. Anm. d. Red.) Die Antworten darauf sind vielfältig und von unterschiedlichem Niveau. Hier ein kleiner Auszug:

– Der Unimog paßt nicht ins Bett!
– Wer bewundert dann, was für ein Kerl ich bin?
– Mit einem Unimog kann man nicht reden!!!
– Ich hab die Brüste am Unimog noch nicht gefunden!
– Wer wischt dann die Kotze von den Kindern auf?

Danke, Jungs! Wir wissen um unsere Vorzüge im sexuellen und sozialen Bereich und bei der Kinderaufzucht. Darüber hinaus möchten wir noch ergänzen, dass es unter Umständen eine weibliche Stimme ist, die sagt:

„Jetzt lass doch die Matschpfütze und fahr einfach außenrum.“
Oder:
„In Zeiten der globalen Erwärmung in Mitteleuropa vielleicht statt der Schneefräse einen Rasensprinkler?“
Oder:
„110 Prozent Steigung is echt faszinierend, aber was will ich auf dem scheiß Berg?“

Was nicht heißen soll, dass Frauen nicht auch die Gelegenheit nutzen würden, mit einem Unimog in einer großer Staubwolke Richtung Horizont zu verschwinden.

Die Welt jenseits des Plans

Die Zeiten, in denen man einfach für mehrere Monate nach Indien, Costa Rica oder in die Uckermark verschwand, wenn einem die Wirren des Erwachsenwerdens zuviel wurden, sind irgendwie vorbei. Wir sind ja schon erwachsen. Auch, wenn die Schamanen uns gnädig bis zum stolzen Alter von 54 Jahren Zeit geben, um wirklich groß zu werden, ist es trotzdem eine Tatsache, dass wir uns zu alt dafür fühlen, im Urlaub tagelang in irgendeinem Bushäuschen zu sitzen oder, um Geld zu sparen, im Puff zu schlafen.

Inzwischen haben wir mehr Geld und weniger Zeit. Das schafft eine völlig neue Problemlage, mit der man erst umgehen muss. Mehr Geld eröffnet mehr Möglichkeiten, gleichzeitig müssen die aber in sehr viel weniger Zeit gefiltert, priorisiert, verfeinert und letztlich umgesetzt werden. Was bedeutet, man hat URLAUBSSTRESS!

Es gibt ambitionierte Versuche, dem vorzubeugen. Wir müssen an der Stelle gestehen, dass wir uns im Augenblick auf einer uns nicht unbekannten griechischen Insel befinden. Weil da war’s schön, also wieso nicht wiederholen? Der Repeat-Urlauber erliegt dem Irrtum, er könne sich, weil ja alles schon bekannt ist, die Entspannung anrühren wie einen Instantkaffee. Funktioniert genau solange, bis irgendeine scheiß Kleinigkeit einen Tick anders ist als das letzte Mal. Das Zimmer ist zum Beispiel nicht das gleiche, zwar alles hübsch, aber es riecht anders und die Lampen verbergen sich in überdimensional großen Blütenblättern aus Glas. Schon stehen wir beide belämmert da und brauchen mehrere Anläufe, um in der eigenartig riechenden Glasblumenlandschaft heimisch zu werden. Was dann aber gut funktioniert, indem wir die Lampen, die so gar nicht zu unserer hartnäckigen Erinnerung passen wollen, einfach aus lassen.

Schon fühlen wir uns wie die Tenkan-Master, da wartet bereits das nächste „NichtsowieletztesMal“ auf uns. Es ist Anfang September, nicht Anfang Mai. Für griechische Inseln bedeutet das, dass es heiß ist und man zwischen 12 und 16 Uhr eigentlich nichts tun kann, außer sich im Kühlschrank zu verstecken oder in der einzigen Kneipe, die nicht über Mittag zu macht, circa 5 Liter kalte Orangenlimonade in sich reinzuschütten. Man gewöhnt sich daran, auch an die überaus belustigten Blicke der Einheimischen, die sich wohl einfach damit arrangiert haben, dass deutsche Touristen nicht alle Latten am Zaun haben. Und man hört nach wenigen Tagen wirklich auf, nach dem Frühstück so gegen 11 Uhr wie ein Irrsinniger mit bepacktem Rucksack und Wanderstiefeln loszuziehen, um schon nach einer Stunde unter den fassungslosen Blicken der Eingeborenen in der Schnapsbar des nächsten Dorfes einfach zusammenzubrechen.

Auch hier ist also wieder Tenkan gefragt. Unser fest eingeprägter Tagesablauf, der für Mai super funktioniert hat, ist Anfang September voll der Bullshit. Nach einer Woche haben wir uns das eingestanden und machen jetzt nach dem Frühstück eine überaus anstrengende Wanderung zur schattigen Terrasse im zweiten Stock unserer Behausung hinauf. Dort packen wir unser Picknick aus und tun einfach so, als hätten wir heute schon voll was gerissen.

Das Erstellen von Plänen für den nächsten Tag ist für unseren Urlaub unerlässlich. Wir verbringen beide viel Zeit damit, angestrengt über dem Reiseführer zu brüten, uns gegenseitig die ohnehin schon sehr mitgenommene Karte aus der Hand zu reißen und unausgegorene Ideen in die Urlaubswelt hinauszuposaunen. Es gibt ihn ja, den Erlebnisdruck. Wir können ja nicht einfach nichts machen. Und vor allem MÜSSEN wir jeden Tag auch etwas machen, was wir noch nie gemacht haben. Das brauchen wir, um ausreichend Distanzierungsmöglichkeit zu den Leuten zu haben, die seit 40 Jahren immer ins gleiche Kaff nach Österreich fahren. Mit denen möchten wir nämlich nichts zu tun haben. Jeden Tag erschüttern also mehrere Innovationswellen unsere zufriedene Passivität.

Wir entdecken eine weitere Problemquelle. Unser Auto. Autos gaukeln einem vor, dass man maximal flexibel ist und praktisch überall hin kann. Als wir das erste Mal ernsthaft einen Plan verfolgen, der uns nach dreistündiger Autofahrt zu einer 17 Kilometer langen Schlucht im Süden Kretas bringen soll, welche wir dann durchwandern würden, um dann wieder drei Stunden zurückzufahren, gestehen wir uns ein, dass auch griechische Inseln größer sind als man so denkt und schießen diesen Plan in den Wind.

Um solchen Eskapaden in Zukunft vorzubeugen ziehen wir eine dicke rote Linie im Umkreis von 40 Kilometern um unsere Homebase und beschließen, dass alles außerhalb des magischen Kreises einfach nicht existiert. Und schon ist die Welt wieder klein und handlebar.
Pläne machen wir weiterhin. Pläne sind überaus wichtig, weil, wer keinen Plan hat, der kann auch keinen in den Wind schießen. Nichts ist schöner, als viel zu spät irgendwo ’nen Kaffee zu trinken und dabei festzustellen, dass man eigentlich schon längst wieder irgendwo sein wollte, um irgendwas zu erleben. Und dann nach kurzem Hochschrecken mit einem einträchtigen „Scheiß drauf“ wieder in Urlaubsatonie zu versinken.

Wir haben versucht, auch dabei Energie zu sparen und nur noch halbherzige Pläne zu machen, bei denen von vorneherein klar ist, dass wir sie nicht ernst meinen. Das funktioniert jedoch nicht. Halbernster Plan produziert auch nur halbgare Entspannung bei Abschuß. Man braucht einen richtigen, toternst gemeinten Wahnsinnsplan. Es ist diese Ernsthaftigkeit, welche dem Moment, in dem man beschließt „Nee, ich bleib‘ einfach hier sitzen und trinke Orangenlimonade“ zu seiner kosmischen Größe verhilft.

Für die Maulfaulen

Menschen reden!
Über alles mögliche und nichts. Über Fußballergebnisse, Kindheitstraumatas, Menstruationsbeschwerden, das, was ihnen heute beim Einkaufen passiert ist, über ihre PartnerInnen oder darüber, dass sie keine(n) haben, über Agavensirup statt Zucker im Kaffee , darüber, dass Sojamilch in selbigem ausflockt und dann aussieht wie Kotze und darüber, dass es total gut ist, mit jemandem über all das zu sprechen.
Es gibt viele verschiedene Arten, zu reden. Mal blubbern die Wörter aus Menschen heraus wie aus einer lecken Wasserleitung, ein stetiges gleichförmiges Sprudeln ohne nennenswerte Höhen und Tiefen. Oder sie blubbern nicht, sondern spucken wie ein Vulkan Worteruptionen, unterbrochen von kurzen Momenten des Atemholens. Manchmal kommen Worte nur mühsam hervor, der Sprechende scheint sie vor die Tür beziehungsweise aus dem Mund prügeln zu müssen wie einen ungebeten Gast. Und selbst wenn sie schon draußen sind bleiben sie noch an einem kleben wie Kaugummi und ziehen schwerfällige Fäden.
Manchmal haben Wörter ein Echo, das wie etwas Fremdes zu uns zurück kommt. Man hört sich selber zu und fragt sich: Gott, was rede ich da eigentlich??? Und redet weiter.

auch ein Geblubber

Es gibt Menschen, deren Mitteilungsbedürfnis gleicht einem Tsunami. Sie fangen irgendwo an und hören nirgendwo auf. Nachdem man sich durch verschiedene Stufen der Höflichkeit gekämpft hat kapiert man vielleicht, dass es nicht um den Inhalt geht, sondern um den Akt des Sprechens ansich. Und kann dann nochmal neu entscheiden, ob man weiter tapfer lächelt, oder durch’s Klofenster abhaut.
Es ist beinahe unmöglich, sich der verbreiteten Kulturpraxis des Redens zu entziehen. Reden bedeutet Kontakt, Interesse, viele Freunde, Zuspruch, Lebensfreude und Eis am Stiel. Eine Beziehung ist glücklich, wenn man sich was zu sagen hat, wenn nicht, ist das Grund zur Besorgnis. Wer redet, ist mittendrin, hat Anteil, ist dynamisch und agil, witzig und normal. Wer gerne die Schnauze hält ist nichts dergleichen, sondern sonderbar, eine Art Vakuum im Wortuniversum und keiner weiß, was darin lauern könnte. Menschen mögen keine Vakuümmer.
Damit muß Schluß sein. Ich erkläre hiermit, dass ich dynamisch, lebensfreudig, wahnsinnig witzig, äußerst normal, interessiert sowie ein Eis am Stiel bin und trotzdem manchmal einfach total gerne und zufrieden meine Klappe halte.
Gleichgesinnte können sich mit mir gerne auf einem Schweigekaffee im Café Maulfaul verabreden.

Ma Baker