Apropos Weihnachten

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“
(Engel Lotti, Krippenspiel Weihnachten 2013)

Im Gegensatz zu ihrem sonstigen Gebaren entscheidet sich Lotti gegen Ende des Jahres den Engel zu geben, zumindest im Krippenspiel der ortsansässigen Kirchengemeinde. Ich begrüße das aus mehreren Gründen und, Wunder über Wunder, erklärt sich der Hotti-Lotti-Papa bereit, den nicht ganz eingängigen Text mit unserer Zweitgeborenen einzustudieren („Er kam in diese Welt, in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“) sowie auch gleich ein Paar Engelsflügel zu organisieren. Und da wir den diesjährigen Heiligen Abend mit der aus Neukamerun zurückgekehrten Fanta samt Mulle, Rulle und Wulle, ihrem neuen Clown und Herzog Ullrich sowie Oma Highspeed und Wolverine, ehemals Batman [1], begehen werden, finden wir uns alle am Nachmittag des 24. Dezember im Familiengottesdienst der Ullrichkirche wieder. Ich darf zwischen dem Hotti-Lotti-Papa und Wolverine sitzen, Weihnachten, das Fest der Liebhaber.

Hört der Engel helle Lieder

Draußen wird es allmählich dämmrig, drinnen breitet sich Stille aus. Pfarrer Cyborg spricht einleitend ein paar besinnliche Worte, dann beginnt das Krippenspiel. Lotti und zwei weitere Engel schweben zum Altar, mutterstolz und erwartungsvoll blicke ich nach vorne. Inbrünstig leiern die Engel ihren Text herunter („Er ist den (!) Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch ihn.“) und röhren dann ein derart schiefes Halleluja ins Mikrofon, dass die Gemeinde kollektiv in unterdrücktes Gekicher verfällt. Fürchtet Euch nicht, denn siehet, ich verkündige Euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird! Oh ja, und noch einmal: Halleluja! Ich distanziere mich innerlich von den Gesangskünsten meiner Tochter und verschwinde äußerlich unter meiner Kapuze.

Nach dieser kirchlich-kulturellen Erbauung begeben wir uns alle in Fantas neue Kaserne, wo wir mit zwei Raclette-Geräten älteren Datums binnen Minuten dauerhaft die Stromversorgung der gesamten Wohnung lahmlegen. Herzog Ullrich und Fanta kriechen im Dunkeln auf allen Vieren durch die Wohnung und fixieren Verlängerungskabel mit Gaffaband, bis Wolverine endlich irgendwelche Kerzen angezündet hat, die Kinder kreischen: „Das Licht ist aus!!!“ und Highspeed ruft vom Sicherungskasten aus: „Ich hab hier so gemacht!“. Fanta strahlt: „Hach, Weihnachten kann so aufregend sein!“

Familie Hoppenstedt wäre blass vor Neid

Nach Wiederherstellung des Stromkreislaufes transferieren Wolverine und ich kistenweise Geschenke von Fantas Schlafzimmer unter den von Highspeed, Lotti und mir gefällten Weihnachtsbaum, Familie Hoppenstedt würde in jeder Hinsicht blass vor Neid. Wir versammeln uns rund um den Raclette-Grill, wobei die lieben Kleinen locker den Lärmpegel einer Rock-am-Ring-Veranstaltung erreichen. Sie essen nur Mais, und für den Einkaufszettel im nächsten Jahr notieren die lieben Großen „mehr Mais“ und „Ohrenstöpsel“. Als wir abräumen, bemerkt Rulle, dass ihre Großeltern dieses Jahr gar nicht anwesend sind („Wo sind eigentlich Urmel und Elsa?“) und Tinkerbell, die heuer anstelle der abwesenden Großeltern mit uns feiert, stellt fest, dass „wir dieses Jahr echt schnell für ein Käsefondue waren“. Wir sind eben alle nicht mehr die Jüngsten.

In Ermangelung eines metallenen macht Highspeed das bezaubernde humanoide Weihnachtsglöckchen („Dingdingdingdingding!!“), und die Kinderschar stürmt bis an die Zähne mit Blockflöten bewaffnet die festliche Stube. Hotti übernimmt die Moderation und fordert aktive Publikumsbeteiligung: „Um Mitsingigkeit wird gebeten!“ Fanta und ich greifen zu unseren eingestaubten Altflöten, Herzog Ullrich rundet das Gesamtarrangement mit Ukuleligkeit ab. Danach werden noch diverse andere Weihnachtshits mehr oder weniger textsicher geschmettert, und dann gibt es eine schöne Bescherung: Die Kleinen bekommen ihre sehnlichsten Herzenswünsche erfüllt (Nähkurs, Monster High, Meister Yoda), die Großen auch (alles Mögliche) und ich ebenfalls (Das Buch der Queen, Skeletteierwärmer mit Hut, Discokugel, Landfrauenkalender). Besondere Erwähnung finden soll an dieser Stelle die Weihnachtskarte, die Rulle für mich schrieb:

„Liebe aktuelle,
ich freue mich, dass ihr mit uns Weihnachten feiert. Apropos Weihnachten: Frohe Weihnachten
Deine Rulle“

Und dann machen wir es uns gemütlich.

[1] Aus Gründen kam es zu einer Umbenennung meines aktuellen Superhelden. [zurück]

Beyond

Nachdem man in den letzten Jahren diverse Kinder geboren, die dazugehörigen Plazentae, Beziehungen und andere Illusionen begraben, Universitätsabschlüsse, Umzüge und Kindergeburtstage gemanagt, sein Innerstes in einem öffentlichen Tagebuch preisgegeben sowie Playlists auf Youtube angelegt hat, gilt es nun, pünktlich zur anstehenden Vorweihnachtsmadness, sich der möglicherweise letzten Herausforderung zu stellen: dem Handarbeitsdiskurs. Mein Plan für dieses Jahr sieht folgendermaßen aus: Ich kaufe Unmengen an Wolle und Nadeln, Fanta bringt mir Häkeln bei, und alle bekommen Mützen. Menschen, die diesen Blog verfolgen, vergessen alles, was sie bisher gelesen haben, entweder sofort oder werden unter der Nordmanntanne unbändige Freude heucheln.

Fanta sagt für die erste Handarbeitsstunde direkt und freudig zu, Ma Baker ist spontan sehr beeindruckt ob meiner Entschlossenheit und träumt seit unserem letzten Telefonat von den Landfrauen und Weihnachtsbasaren, und sogar Bedenkenträgerin Dr. Sprite, die zunächst mit hochgezogener Augenbraue darauf verweist, dass der Wolldiskurs ja gerade eh voll trendy wäre, zieht nach manischen Ausführungen meinerseits (blühende Landschaften!) in Erwägung, ihr vor Jahren eingemottetes Stricknadelset zu reaktivieren. Wenn ich eins kann, dann ist es mitreißen, egal wohin.

„Mütze häkeln“

Das Ergebnis der ersten Handarbeitsstunde mit meiner Lieblingsgrundschullehrerin ist frustrierend und landet im frisch aufgestellten Küchenschrank von Batman. Und weil mich heute das Siechtum dahingerafft hat, so dass ich keiner geregelten Arbeit, sondern lediglich maximal stumpfsinnigen Aktivitäten nachgehen kann, lege ich mich ins Bett, befestige Wärmflasche und Laptop auf meinem Bauch und youtube „Mütze häkeln“. Das erste Video ist eine ernstzunehmende Anleitung für halbe Stäbchen, ich denke „Keine halben Sachen!“, suche erst mal weiter und stoße dabei auf „Boshi in einer Minute“, wobei mich selbstverständlich vor allem „in einer Minute“ reizt. Von Fanta weiß ich, dass Boshi gerade voll hippe Häkelmützen sind, die zur Zeit offenbar vorrangig von männlichen Planetenbewohnern gefertigt werden, und sie muss es ja wissen, schließlich ist ihr Ex bereits diesem neuen Trend verfallen. Vollends abgetörnt werde ich schließlich vom dritten Video, in dem eine zuckersüße Schnuckimausi die „Jungs“ von MyBoshi und Hatnut fragt, warum und wieso sie denn zum Häkeln gekommen sind, was sie so besonders macht und ob sie heimlich auch mal stricken. Die Jungs kichern und kokettieren damit, dass sie eher nicht so stricken, weil sie schließlich Männer seien und dadurch nicht in der Lage, zwei Geräte gleichzeitig zu bedienen. Offenbar ebenfalls ein neuer Trend: die unterstellte Blödheit als niedlichen Fakt verkaufen und sich dann entspannt zurücklehnen. Mit Häkeln bin ich jedenfalls fertig. Morgen wieder Rockstars stalken.

Gut. Was wünscht Ihr Euch sonst so?

Weihnachten in Neukamerun

Um potenziellen innerfamiliären Spannungen zu entgehen, die ja zum Fest der Liebe gerne mal rund um die Nordmanntanne auftreten, packen Hotti, Lotti und ich dieses Jahr am Tag vor Heilig Abend unsere Siebensachen und fahren über die Feiertage zu Santa Fanta und ihren Sprösslingen Mulle, Rulle und Wulle nach Neukamerun. Und siehe da: Friede auf Erden, die Autobahnen 8, 5 und 656 sind frei, die Kinder verschwinden abgesehen von kurzen Unterbrechungen für drei Tage in ihren Zimmern und spielen harmonisch Polizistenraub und Laserlego, während Fanta und ich lesen, den Biomüll vor die Tür tragen, Radler trinken und so lange Tatort glotzen, bis wir Mordopfer, Kommissare und Verdächtige nicht mehr auseinanderhalten können.

Heilig Abend, Neukamerun: Das Krönchen sitzt

Am Morgen des 24. Dezember planen Fanta und ich die Choreografie des Tages: Frühstücken, einkaufen, Baum schmücken, kochen, die Kinder ablenken und zeitgleich die Geschenke ins Wohnzimmer zaubern, essen, musizieren, Geschenke auspacken, und dann machen wir es uns gemütlich! Ein guter Plan, in weiten Teilen geht er sogar auf: Wir schmücken den Baum, dieses Jahr nicht in Naturgrün und mit frischen Äpfeln, sondern in Pink und Glitzer. Wir schälen tonnenweise Kartoffeln für einen Gratin, den Fanta leider mit einem Stinkekäse überzieht, der nicht so wirklich zum Fisch passt, aber egal, in Bethlehem gab’s gar nichts, nicht mal Stinkekäse. Das Christkind beamt unbemerkt die Geschenke unter die Tanne, derweil trudeln Urmel und Elsa ein, Fantas Eltern, die leichtsinnigerweise den Abend mit uns verbringen möchten. Unser Krönchen sitzt, wir haben alles im Griff. Gemeinsam essen wir den halbrohen Stinkegratin, spielen Blockflöte und trällern Weihnachtslieder, und wider Erwarten platzt dabei auch keines der Kinder, weil es sich nicht bis zur Bescherung gedulden kann. Letztere verläuft recht hektisch, aber glimpflich, wir bekommen alle Schlittschuhe und sind glücklich, nur Lotti verliert vorübergehend die Fassung, weil das beim Christkind in Auftrag gegebene und so sehnlich erhoffte Freundebuch fehlt. Danach gibt Urmel noch ein selbstverfasstes Weihnachtsgedicht zum Besten, die Kinder schlafen reihenweise ein, und dann ist auch dieser Heilige Abend Geschichte.

Polizisten auf der Drehscheibe

Der 25. Dezember lässt sich ebenfalls unverhofft gediegen an. Zwar hat die Eislaufbahn geschlossen, auf der wir unsere neuen Kollektivgeschenke ausprobieren wollen, dafür kommt es in den Kinderzimmern zu recht ungewöhnlichen Konstellationen wie Konversationen. So spielen ausgerechnet Teenie-Hotti und Lego-Wulle Verbrecherjagd mit dem neuen „Polizeiauto mit Gefängnis hintendran“. Hotti erläutert die Vorgaben: „Die Polizisten verlieren immer, das ist die Regel. Die werden dann ausgeraubt, und das ist dann Pech.“ Ja, so ist das im Leben. Als nächstes will Hotti den Polizisten rauben, allerdings etwas vorschnell, Rulle weist sie zurecht: „Du musst erst mal die Autotür aufmachen, du Dödel!“ Nach vollzogenem Polizistenraub finden die zwei, der Gute müsse jetzt gefoltert werden, und zwar auf der Drehscheibe: „Wird dir schnell schwindelig?“ „Ja.“ „Super, dann setz‘ dich hier auf die Drehscheibe!“ Der Polizist fängt an zu heulen, doch die Gangster kennen kein Erbarmen: „Wenn du weiter so flennst, kommt auch noch die Bombe zu dir!“ Wulle befiehlt: „Gib mir das MASCHINENGEWEHR, die MASCHINENGEWEHRE kommen hierher, wir brauchen mehr MASCHINENGEWEHRE!!“ Und den Menschen ein Wohlgefallen. Als es schließlich hart auf hart kommt, kreischt der Polizist: „Du kannst mich nicht, ich bin Laser!“

Agenten auf der Terrasse

Fanta und ich machen es uns derweil auf dem Sofa gemütlich, ich lese mein neues Schneckenbuch vom Herrn Nachbarn und Fanta säuselt wohlig: „Man könnte fast vergessen, dass wir Kinder haben.“ Im selben Moment schlagen Mulle, Wulle und Hotti fast die Terrassentür ein: Sie sind als bis an die Zähne bewaffnete Agenten im Garten unterwegs, fordern Plätzchen und wollen Benjamin Blümchen hören, und zwar ein bisschen plötzlich. Gleichzeitig betreiben Rulle und Lotti im oberen Stockwerk ein Gruselzimmer: „Wir setzen uns in den Schrank und leuchten mit der Barbielampe, und wenn jemand kommt, werfen wir den Schwabbeltiger!“ Und wo wir schon beim Gruseln sind, wärmen wir abends lediglich die Reste des Stinkegratins auf, dessen Kartoffeln heute endlich durch sind.

Am 26. Dezember schließlich verlassen uns nacheinander Contenance, Grammatik und Semantik. Fanta und ich bellen abwechselnd Kommandos wie: „Es wird nicht mit Dreckservietten geworfen!“, „Es wird nicht ums Sofa oder den Baum gejagt!!“ oder „Rulle egal, Du bist jetzt allein!!!“ Ein guter Zeitpunkt, um auf die Freilufteislaufbahn auszuweichen, die heute ein Einsehen mit uns hat. Zu den Charts 2012, die aus Lautsprechern durch die idyllische Landschaft Neukameruns dröhnen, ziehen wir mehr oder weniger elegant unsere Kreise, danach geht es zurück in Fantas schicke Doppelhaushälfte, wo wir die Kinder zwingen, Teil 3 des Stinkekäsegratins zu essen, und dann ist es Zeit Abschied zu nehmen. Fanta und ich gratulieren uns zu unseren mütterlichen Meisterleistungen und sind nach diesen drei Tagen um eine entscheidende Erkenntnis reicher: Entspannte Weihnachten sind möglich!

Sozialistisches Planwichteln

Und da steht es auch schon wieder vor der Tür, Weihnachten, das Fest der Liebe und des materiellen Overkills. Da im Hause aktuelle allerdings erstens nie gestritten wird und zweitens klassisch das Christkind die Geschenke einfliegt, ist das für uns alle überhaupt kein Problem. Die Wunschzettel wurden ebenfalls bereits aufgesetzt, auf die Fensterbank gelegt, abgeholt und lauten folgendermaßen:

Hotti, 10 Jahre:

„Liebes Christkind, ich wünsche mir:
1. Mp3-Payer
2. Dork diaries band 2, 3 & 4
3. eines Stift mit dem man Zeichnungen verschmieren kann, er sieht (ungefähr) so aus
4. Mangos
5. ein Backbuch (plätzchen/Kuchen oder Mauffins) (egal was)
6. Zutaten für mich alleine, für Plätzchen z.b. Hefe, Zucker…
7. Isomatte
8. Kulturbeutel z.b. so einer von Intersport
9. enge Jeans
10. Patenschaft für ein Tier
11. Stirnlape
12. Schlafsack (ein guter)
13. ein Miniherd so einer wie Wulle beim Micha hat.“

Einen Mp3-Payer hätte ich auch gerne, vielleicht wäre er das Ende aller monetären Nöte. Neben Hottis Wunschzettel liegen Karotten und Plätzchen. Damit es keinen Streit gibt, klebt zusätzlich ein rosa Post-it auf dem Brief:

„für die Rehntiere sind die Karotten, und für das Christkind die Kekse“

Lotti, 6 Jahre:

„Liebes Christkind ich wünche mir ein Freunde bach und ein TaGebuch und wir kinder Aus dem MöwenweG 2
Kul turBeutel und eine StürnLAmpe und öGent welche Bücher und ein suPer Gutes SchlAFSACK“

Darunter die Zeichnung einer Sternschnuppe mit rosa Stirnband und Hasenzähnen. Keine Karotten, keine Kekse, wenn das mal gutgeht.

 
Ein todsicheres System
 
Unorthodoxere Zeitgenossen, die sich nicht auf kleine dicke Babyengel verlassen, aber auch nicht beim saisonalen Kaufrausch mitmachen wollen, handhaben das Weihnachtsgeschäft grundsätzlich anders. So hat mein Herr Nachbar beispielsweise, ganz Mathematiker, in seiner Familie das sozialistische Planwichteln eingeführt, ein todsicheres System, das jedem Familienmitglied garantiert ein Geschenk beschert, ohne gleichzeitig den Rest der Familie in den finanziellen Ruin zu treiben. Und das geht ungefähr so (wenn ich das richtig verstanden habe):

Jede(r) darf sich ein Geschenk wünschen, das nicht mehr als 50 Euro kostet. Dann wird ausgelost, wer wem was schenkt, aber nicht mit schlichten Zetteln, auf denen dann die Namen der zu Beschenkenden stehen, sondern die/der zu Beschenkende wird von jedem Familienmitglied einzeln per Algorithmus ermittelt. Dazu denkt sich der Herr Nachbar einen Code aus, mit dem er beispielsweise die Straße in Zahlen übersetzt. Die Schenkenden müssen dann die Quersumme bilden, bis nur noch eine Zahl übrig bleibt und diese Nummer müssen sie dann beschenken. Oder so. Zugegebenermaßen schweife ich auf halber Strecke seiner Beschreibung leicht ab, um darüber nachzudenken, was ich davon halte und ob ich wohl mit einem derartigen System überhaupt in der Lage wäre, der richtigen Person das richtige Geschenk zukommen zu lassen, nicht dass am Ende Oma Erni das Touch-Handy und den Kulturbeutel bekommt und Hotti den Nierenwärmer und die Flasche Sherry.

Nichts ist sicher

So ganz easy und todsicher ist das System allerdings dann doch nicht, wie sich beruhigenderweise im Nachhinein herausstellt, so Formeln sind ja auch nicht ohne. Gestern bekomme ich folgende E-Mail vom Herrn Nachbarn, der sich offensichtlich in den eigenen Gleichungen verheddert hat:

„Habe übrigens schon erste Rückmeldungen zum sozialistischen Planwichteln bekommen. Mein Bruder rief ganz entrüstet an, dass er seinen eigenen Listenplatz rausbekommen hat, sprich, sich also selber was schenken muss… Ok, ich habe den Fehler gefunden, NICHT im Algorithmus, sondern ich habe seine Straße falsch geschrieben: Himmelsgeisterstraße statt Himmelgeisterstraße. Dem ist natürlich kein Algorithmus gewachsen… Hätte doch auch Germanistik studieren sollen!“

Da bin ich mir jetzt nicht so sicher. Die Frage jedenfalls, wer in der Familie Nachbar was geschenkt bekommt und ob am Ende nicht doch jeder seine eigene Quersumme ausrechnet, bleibt spannend. Die Wunderbra-Redaktion wird die Weihnachtscommunity selbstverständlich auf dem Laufenden halten. Ich persönlich schenke mir ja dieses Jahr eine 1-Liter-Thermoskanne (endlich 100% dicht!) und ein Buch mit dem vielversprechenden Titel Betreutes Trinken, ich bin schon ganz aufgeregt!!

Joy to the world

So, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist soweit: Da ist er, der Heilige Morgen, und da ich den zum ersten Mal in meinem jungen Leben allein verbringe, habe ich hinreichend Zeit, um ihn entspannt dokumentieren und allen Menschen dieses Internets Friede auf Erden wünschen zu können. Denkt dran, es ist das Fest der Liebe, nehmt Euch zusammen!

Habe gerade einen Spam-Kommentar zu „Hysterische Weihnachten“ aus der Wunderbra-Warteschleife gefischt, der geht so: „Toller Beitrag. Ich habe einige Gedankenanstöße dadurch bekommen.“ Lieber linua667@gmx.net, das freut mich natürlich sehr, wenn ich Ihnen in Sachen Weihnachtshysterie ein bisschen auf die Sprünge helfen konnte! Gerne wieder.

Dann bin ich noch über die Twitter-is-down-Meldung gestolpert, die mich mit den Worten tröstet: „Es ist ein technischer Fehler aufgetreten. Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit – wir lösen das Problem und alles wird bald wieder seine Richtigkeit haben.“ Wie geil, das wünsche ich mir für mein analoges Leben auch. Wäre es nicht fantastisch, wenn im Real Life Banner mit der Aufschrift „Wir lösen dein Problem und alles wird bald wieder seine Richtigkeit haben!“ mit Segelflugzeugen durch die Luft gezogen oder von Postboten in Telegrammform an unseren Haustüren abgegeben würden, wenn etwas schief läuft, was ja hin und wieder doch mal vorkommt? Eine weitere Geschäftsidee…

Der Zustand ist stabil und ich muss nicht in die Kirche

Ansonsten: Der Zustand ist stabil, der Weihnachtskuchen für die Feier bei Ma Baker und Wutbürger (alias EDV-Schnucki, aber so will er nicht mehr genannt werden) gebacken, die Augen beglitzert, jetzt muss ich mich nur noch todesmutig mit 1 Million anderen Wutbürgern im Supermarkt meines Vertrauens um Himbeeren, Waffelröllchen und ein Gesellschaftsspiel prügeln. Das ist überschaubar. Und ich muss nicht in die Kirche!!

Zwischenfazit: Weihnachten ohne Familie ist nicht so schlecht wie ich dachte. Zumindest muss ich mir keinen Kopf machen, dass sich unter meiner Nordmanntanne irgendwelche Omas in die Haare bekommen, weil sie sich eifersüchtig um die Gunst der Enkel behaken. Und ich muss mich auch nicht über Tante Gisela aufregen, die den ganzen Abend das Elend der Welt anprangert, oder über Onkel Hubert, der sich erst die Hucke vollsäuft, um dann den ganzen Abend lang sexistische Witze zu erzählen. Und das Problem mit Trashgeschenken von irgendwelchen Schwiegermüttern in Form von Tweety-Nachthemden in Kindergröße oder geschmackvollen Buchstützen, die mehr Raum einnehmen als die Bücher selbst, stellt sich erst gar nicht.

Zu Weihnachten bekommt Ihr von mir dieses Jahr nicht nur diesen wundervollen Blogbeitrag, sondern auch eine ganz fantastische – und wesentlich authentischere – „Last Christmas“-Version einer AC/DC-Cover-Band namens Riff/Raff – endlich ist dieses Lied wieder hörbar!

Euch allen out there: Fröhlische Weihnachten!

Hysterische Weihnachten!

Die Nerven liegen blank. Nikolausfressen hilft.

Ok, 48 Stunden vorm Showdown und die Nerven liegen blank. Während andere sich über das Festtagsmenü in die Haare kriegen („ICH wollte den Nachtisch machen!! Immer musst Du Dich in den Mittelpunkt drängeln!!!“), sich im Supermarkt um die letzten frischen Fische schlagen und sich Konserven aus den Händen reißen, rast Hotti schrille Töne ausstoßend durch die Wohnung und kreischt: „DIE GESCHENKE FÜR DEN PAPA SIND NOCH NICHT FEEEERTIIIIIIG!!!!!“. Lotti steigert sich beim Baumschmücken in einen Opferfilm hinein, weil sie „ALLES alleine“ machen muss („KEINER hilft mir!!“) und ich drohe in einer sich spontan materialisierenden Festtagsdepression zu versinken, die mir weismachen will, dass ich der einzige Mensch in der christlichen Galaxie sein werde, der über die Hoch- und Heiligtage nicht in einer Pärchen- oder Familienblase verschwindet („Ich bin SOOOO ALLEIN!!“), weil ich kinderfrei habe und ich Weihnachten eigentlich mit meinem Liebsten verbringen wollte, was jetzt allerdings Geschichte ist, weswegen ich netterweise zu Ma Baker und EDV-Schnucki eingeladen bin und dort eigentlich für den Nachtisch sorgen sollte, was mir aber, wie gesagt, von jemandem abgeluchst wurde.

Ich werfe mir ein: Ignatia D6 (gegen Liebeskummer), Sepia D12 (gegen Aggressionen), Rescuetrofen (als Hyperventilationsprophylaxe), drei Alnatura-Marzipantaler (geil) und schreibe mit zittrigen Fingern eine SMS an Ma Baker, sie möge mich bitte daran erinnern, dass das nur ein GANZ NORMALES WOCHENENDE sei und dass auch dieses vorübergehe. Ma schreibt zurück: „Hallo Vorhöllenaktuelle, es ist nur ein Tag und wir verbringen Zeit mit Essen, Trinken und Glitzern! Hohoho!“ Das beruhigt, gibt Stabilität und Sicherheit, Halt und Hoffnung. Mittlerweile fangen auch die Drogen an zu wirken. Gemeinsam richten Ma und ich eine exklusive Weihnachtsselbsthilfegruppenhotline ein (aktiv aus der Krise!), um die jeweils andere vorm psychischen Untergang zu bewahren. Darüber hinaus organisieren wir hysterische Partyspielchen für den Heiligen Abend (z.B. eine „Was war Dein schlimmstes Weihnachten“-Scharade), EDV-Schnucki möchte mit dem Nachtischklauer lieber Adorno lesen. Sollen sie. Wir werden uns nicht streiten. Wir werden uns alle vertragen, essen, trinken, unglaublich harmonisch sein und glitzern. Es steht wieder mal vor der Tür: Weihnachten. Sing Hallelujah!

santa aktuella

Wunschzettel II

Da Hotti und Lotti mich nicht nur haben ausschlafen lassen (abgesehen davon, dass sie um 7 Uhr auf Zehenspitzen zu meinem Bett geschlichen sind, um mir ganz vorsichtig ins Gesicht zu flüstern: „Mamaaaaa, wo ist die Schnur von meinem Baaademaaaaantellll?“), sondern auch seit geraumer Zeit ihre Barbies an- und ausziehen und Glitzernikoläuse in Serie herstellen, konnte ich heute Morgen ungestört meinen eigenen Wunschrecherchen nachgehen. Und nun, dear Ladies and Gentlemen, ist es so weit, wie lange haben wir auf diesen Augenblick gewartet, und hier ist er, we proudly present: den Wunschzettel der aktuellen. Dabei herausgekommen ist ein wildes Medley, das in etwa meine momentane Verfassung widerspiegelt.

Ok, wir müssen leider kurz unterbrechen, ich bekomme von Hotti gerade einen weiteren Glitzernikolaus geschenkt, den es entsprechend zu würdigen gilt, und Lotti vermisst ihre 297. gerade gebogene Büroklammer, die sie zum Aufstechen ihrer zugeklebten Kleberflasche benötigt. Abgesehen davon langweilt sich Hotti gerade zu Tode, weil sie niemanden ihrer Klassenkameraden auftreiben kann, aber Besuch haben will, während Lotti den Boden um meinen Schreibtisch herum mit Überraschungseikrümeln übersät. Überraschung. So, und jetzt ist den beiden eingefallen, dass ihr Papa heute Geburtstag hat und sie ihm deswegen am Telefon ein Ständchen bringen wollen. Aber nicht irgendeines. Deswegen haben sie jetzt alle Liederbücher dieser Welt – vor meinem Schreibtisch – ausgebreitet und singen jetzt mal alles an, was sie so kennen und nicht kennen. Jetzt ist die Schokolade vom Ü-Ei aufgefressen, daher muss ich nur eben ganz kurz das gelbe Plastikding aufmachen, heraus kommt eine Schildkröte, zum Glück ist sie schon fertig und ich muss ihr nicht noch die Beine in den Panzer stecken. Und jetzt sind sie neugierig geworden, was ich da eigentlich mache, so dass ich ihnen kurz erkläre, dass ich sie gerade ins Internet stelle. Lotti kreischt: „Nein, Du sollst uns nicht ins Internet stecken!“ Vielleicht ist das die schwarze Weihnachtspädagogik des digitalen Zeitalters: Statt zu drohen „Wenn Du nicht mit xy aufhörst, kommt Knecht Ruprecht mit der Rute / bringt das Christkind nur Kartoffeln!“ kommt man den Kindern von heute mit „Wenn Du nicht Dein Kinderzimmer aufräumst, steck‘ ich Dich ins Internet! Oder ins Kindermedienland.“

Was zu beweisen war. Genau deswegen weiß ich nicht, was ich mir wünschen soll. Also nochmal von vorne:

„Liebes Christkind!
Ich wünsche mir dieses Jahr zu Weihnachten:

eine Haushaltshilfe (Perle)
eine Glitzerstrumpfhose
alle Staffeln von Scrubs
alle Staffeln von Sex and the City
alle Staffeln von Scrubs and the City
Drei Nüsse für Aschenbrödel-DVD
keine Bücher
Kinder, die nicht riechen, wenn man sich 5 Minuten ausklinken will und ganz viele Pralinen (von Reber)

Ich war meistens brav und kann auch ein Gedicht.
Deine
aktuelle (35 Jahre alt)“

Oh, da liegen ja ein Lebkuchen und ein Schokoherz auf meinem Schreibtisch, die haben wohl die Weihnachtswichtel hier platziert… Man bekommt ja so viel zurück!

Wunschzettel

Wieso fragt mich dieses Jahr eigentlich niemand, was ich mir zu Weihnachten wünsche? Abgesehen davon, dass das diesjährige Weihnachtsfest bereits so was von gelaufen ist, bevor es auch nur in Ansätzen angefangen hat (so früh war ich noch nie dran), und mir außer innerem Gleichgewicht und dass bald Januar ist, eh nichts einfällt, wäre es wenigstens nett, mich nach meinem Wunschzettel zu fragen (WESSEN Wunschzettel?). Stattdessen wollen alle wissen, was Hotti und Lotti sich vom Christkind erwarten. Gut, wenn das so viel interessanter ist, hier die Wünsche meiner Kinder:

„Fürs Christkind von Lotti (4 Jahre):
Barbyauto
Barbyhaus
Plemobil
Kuschelhund“

Dazu muss man sich eine Zeichnung mit einem fetten Engel, einem fetten Barbyauto, einem grinsenden Plemo-Zombie und einer zerfledderten grauen Ratte vorstellen.

Hotti (7 Jahre) ist noch nicht so weit, sie feilt noch an ihren Wünschen, da sie sich, ganz ihrem Aszendenten Waage entsprechend, wieder mal nicht entscheiden kann. Plemobil oder ein Wollkleid oder große Kissen oder doch lieber nur Plemo? Mh. Auf jeden Fall „ganz viel Marzipan“. Platz gemacht haben sie auch schon, die Bauklötze, das Bobbycar und der Kaufladen sind rausgeflogen und im regionalen Kinderflohmarkt verscherbelt. Man kann Kindern nicht früh genug das Tauschprinzip nahebringen (ganz zu schweigen natürlich vom Aspekt der frühkindlichen Kapitalismuserziehung). Dieses Jahr keinen Weltfrieden (Lotti: „Ich schaff’s ja nicht mal mich nicht mit Lotti zu streiten, da brauch‘ ich mir auch keinen Weltfrieden wünschen.“) und keine Glitzerstrumpfhosen („Aus dem Alter bin ich raus.“). Vielleicht sollte ich mir dieses Jahr Glitzerstrumpfhosen wünschen, aus dem Alter für Weltfriedenswünsche bin ich schließlich raus. Ansonsten bekommen sie von meiner Seite aus Bobs, die ich seit zwei Wochen im Kofferraum mit mir herumfahre, damit die lieben Kleinen ihre Geschenke nicht schon wieder vorzeitig im Keller entdecken und damit auf allen Seiten Psychodramen auslösen. Und Bücher. Was das Christkind schenkt, ist sein Problem.

Sollten mir noch Wünsche für mich einfallen (für WEN??), lasse ich es dich, werte Fangemeinde, als erste wissen.

P.S.: Hier noch ein heißer Tipp für Heilig Abend: Der Feierabend (III) von Vera Henkel.

die aktuelle