Sozialistisches Planwichteln

Und da steht es auch schon wieder vor der Tür, Weihnachten, das Fest der Liebe und des materiellen Overkills. Da im Hause aktuelle allerdings erstens nie gestritten wird und zweitens klassisch das Christkind die Geschenke einfliegt, ist das für uns alle überhaupt kein Problem. Die Wunschzettel wurden ebenfalls bereits aufgesetzt, auf die Fensterbank gelegt, abgeholt und lauten folgendermaßen:

Hotti, 10 Jahre:

„Liebes Christkind, ich wünsche mir:
1. Mp3-Payer
2. Dork diaries band 2, 3 & 4
3. eines Stift mit dem man Zeichnungen verschmieren kann, er sieht (ungefähr) so aus
4. Mangos
5. ein Backbuch (plätzchen/Kuchen oder Mauffins) (egal was)
6. Zutaten für mich alleine, für Plätzchen z.b. Hefe, Zucker…
7. Isomatte
8. Kulturbeutel z.b. so einer von Intersport
9. enge Jeans
10. Patenschaft für ein Tier
11. Stirnlape
12. Schlafsack (ein guter)
13. ein Miniherd so einer wie Wulle beim Micha hat.“

Einen Mp3-Payer hätte ich auch gerne, vielleicht wäre er das Ende aller monetären Nöte. Neben Hottis Wunschzettel liegen Karotten und Plätzchen. Damit es keinen Streit gibt, klebt zusätzlich ein rosa Post-it auf dem Brief:

„für die Rehntiere sind die Karotten, und für das Christkind die Kekse“

Lotti, 6 Jahre:

„Liebes Christkind ich wünche mir ein Freunde bach und ein TaGebuch und wir kinder Aus dem MöwenweG 2
Kul turBeutel und eine StürnLAmpe und öGent welche Bücher und ein suPer Gutes SchlAFSACK“

Darunter die Zeichnung einer Sternschnuppe mit rosa Stirnband und Hasenzähnen. Keine Karotten, keine Kekse, wenn das mal gutgeht.

 
Ein todsicheres System
 
Unorthodoxere Zeitgenossen, die sich nicht auf kleine dicke Babyengel verlassen, aber auch nicht beim saisonalen Kaufrausch mitmachen wollen, handhaben das Weihnachtsgeschäft grundsätzlich anders. So hat mein Herr Nachbar beispielsweise, ganz Mathematiker, in seiner Familie das sozialistische Planwichteln eingeführt, ein todsicheres System, das jedem Familienmitglied garantiert ein Geschenk beschert, ohne gleichzeitig den Rest der Familie in den finanziellen Ruin zu treiben. Und das geht ungefähr so (wenn ich das richtig verstanden habe):

Jede(r) darf sich ein Geschenk wünschen, das nicht mehr als 50 Euro kostet. Dann wird ausgelost, wer wem was schenkt, aber nicht mit schlichten Zetteln, auf denen dann die Namen der zu Beschenkenden stehen, sondern die/der zu Beschenkende wird von jedem Familienmitglied einzeln per Algorithmus ermittelt. Dazu denkt sich der Herr Nachbar einen Code aus, mit dem er beispielsweise die Straße in Zahlen übersetzt. Die Schenkenden müssen dann die Quersumme bilden, bis nur noch eine Zahl übrig bleibt und diese Nummer müssen sie dann beschenken. Oder so. Zugegebenermaßen schweife ich auf halber Strecke seiner Beschreibung leicht ab, um darüber nachzudenken, was ich davon halte und ob ich wohl mit einem derartigen System überhaupt in der Lage wäre, der richtigen Person das richtige Geschenk zukommen zu lassen, nicht dass am Ende Oma Erni das Touch-Handy und den Kulturbeutel bekommt und Hotti den Nierenwärmer und die Flasche Sherry.

Nichts ist sicher

So ganz easy und todsicher ist das System allerdings dann doch nicht, wie sich beruhigenderweise im Nachhinein herausstellt, so Formeln sind ja auch nicht ohne. Gestern bekomme ich folgende E-Mail vom Herrn Nachbarn, der sich offensichtlich in den eigenen Gleichungen verheddert hat:

„Habe übrigens schon erste Rückmeldungen zum sozialistischen Planwichteln bekommen. Mein Bruder rief ganz entrüstet an, dass er seinen eigenen Listenplatz rausbekommen hat, sprich, sich also selber was schenken muss… Ok, ich habe den Fehler gefunden, NICHT im Algorithmus, sondern ich habe seine Straße falsch geschrieben: Himmelsgeisterstraße statt Himmelgeisterstraße. Dem ist natürlich kein Algorithmus gewachsen… Hätte doch auch Germanistik studieren sollen!“

Da bin ich mir jetzt nicht so sicher. Die Frage jedenfalls, wer in der Familie Nachbar was geschenkt bekommt und ob am Ende nicht doch jeder seine eigene Quersumme ausrechnet, bleibt spannend. Die Wunderbra-Redaktion wird die Weihnachtscommunity selbstverständlich auf dem Laufenden halten. Ich persönlich schenke mir ja dieses Jahr eine 1-Liter-Thermoskanne (endlich 100% dicht!) und ein Buch mit dem vielversprechenden Titel Betreutes Trinken, ich bin schon ganz aufgeregt!!