Der Ätna im Buddha

Bild: Joanneteh, Lizenz:CC

Ich erwache vom fröhlichen Gezwitscher der Vöglein, die sich offenbar alle im Baum vor meinem Fenster versammelt haben, um den neuen Tag zu begrüßen. Mutter Sonne schickt ihre ersten Strahlen zur Erde und ich spüre, wie ihre Kraft mich belebt.
Danach ist Aufstehen selbst um 5.00 Uhr morgens eigentlich kein Problem. Für einen Moment zwickt etwas ungut in meiner Magengegend.
Unlust? So ein Quatsch! Ein neuer Tag wird mir geschenkt!
Ich komme mal wieder am Waschbecken an.
Der Weg zwischen Bett und Waschbecken wird allgemein schwer unterschätzt. Es sind die ersten Schritte des Tages und ich gehe sie bedächtig.
Als ich die Zahnpastatube in die Hand nehme, stelle ich fest, daß jemand vergessen hat, den Deckel drauf zu machen.
Der Jemand war zweifelsohne Ich gewesen.
Hach, was hab ich nur immer für ein Problem mit Materie.
Ich drücke die Tube zunächst vorsichtig zusammen. Eineinhalb Zentimeter strahlend weißes Lächeln wird ja wohl zu holen sein.
Nichts geschieht, also intensiviere ich meine Bemühungen.
Ich ernte ein paar steinharte Brocken.
Wieder zwickt es in meinem Bauch. Und ich bemerke, daß dieses Gefühl in eine spürbare Resonnanz mit der verstopften Zahnpasta gehen will.
Ich verbiete dieses sanft lächelnd und drücke nochmal.
Als mir etwa ein halber Meter Zahnifeini um die Ohren fliegt rumort
es für eine unbedachte Sekunde tief in meinem Innern.
Was ist nur los mit mir?
Ich atme tief in mein Harazentrum und das Rumoren schwindet.
Guter Dinge putze ich mein Lächeln.
Dann suche ich nach meiner Hose und stelle fest, daß die Katze das linke Hosenbein versehentlich bepinkelt hat.
Armes Tier, denke ich. War wohl ein bißchen durcheinander.
Ich suche also eine Hosenalternative.
Wieder spüre ich dieses eigenartig rumorende Gefühl in mir.
Und während ich in die Alternativhose schlüpfe wird es stärker und stärker. Es droht, mir meine innere Mitte zu rauben.
Ich bringe meinen Körper also schnell in die Buschposition, um mich wieder zu erden – und falle mitsamt der halbangezogenen Alternative in meinen aufblasbaren Hausaltar.
Schmerz durchzuckt mich für einen Augenblick, gefolgt von dem sehr realen Bild einer laufenden Kettensäge.
Dinge regnen auf mich herab, unter anderem ein kleines Faltblatt, auf dem ein Spruch von Wogi Fitzliputzli steht:
LEBEN IST LEIDEN!
Für diesen Hinweis sehr dankbar rapple ich mich auf und die mich wohlig erfüllende Demut vertreibt den Schmerz.
Ich mache mich beschwingt auf die Suche nach meinem Schlüssel, fange meinen wild flatternden Schal ein, repariere den Reißverschluß meiner Jacke und schnappe mir gerade noch rechtzeitig meine Schuhe, die sich durch den Garten davon machen wollten.
Schließlich bin ich unterwegs zum Bus und atme tief die auf 15 Grad minus temperierte Kosmoskälte ein.
Wieder taucht das Bild der Kettensäge in mir auf, als ich feststelle, daß ich das Kleingeld für den Bus vergessen habe, diesmal mit Geräusch.
„ Was ich heute alles erleben darf,“ sage ich zu mir, als ich mit rasch noch geholtem Kleingeld an der Haltestelle ankomme und die Rücklichter des Busses am Horizont verschwinden.
Die Erde beginnt leicht zu vibrieren, gefolgt von einem Donnergrollen, und ich nutze die halbe Stunde, die ich jetzt hier an dieser Haltestelle verbringen darf, für eine Morgenmeditation.
Ich habe etwas Mühe, mein Inneres zu leeren. Ich sehe Bilder vor meinem inneren Auge. Laufende Motorsägen und rauchende Vulkane.
Als der Bus endlich kommt schubst mich irgendein Typ rüde zur Seite und ergattert den einzigen noch freien Sitzplatz.
Das Rauchen des Vulkans wird stärker, wieder bebt die Erde, als ich mir denke: Er wird einen guten Grund haben, so zu handeln.
Ich will ihn in ein Gebet einschließen, doch als ich den Mund öffne, spucke ich zu meinem größten Entsetzen eine Feuerfontäne.
Hastig schließe ich ihn wieder und bin erleichtert, als der Bus endlich vor der Klinik anhält.
In Windeseile werfe ich mich in mein Schwesternkostüm und erreiche atemlos meine Station. Dort blicke ich zuerst in die verwirrten Gesichter meiner Kollegen, dann in den Dienstplan.
Dort steht neben meinem Namen das Wort Spätdienst.
Fassungslos starre ich auf den Plan, während meine Hände anfangen zu zittern.
Die Erde bebt wieder, Rauchschwaden kommen aus meinen Ohren.
Ich ringe nach Worten und spucke erneut eine Menge Feuer.
In einer noch nie dagewesenen Art und Weise fühle ich, wie ich die Beherrschung verliere. Fäkalsprachige Satzfragmente schießen durch meine Gedanken.
Ich denke noch: Oh, das wird wohl ein epileptischer Anfall werden!

Bild: Chaouki, Lizenz:CC

Dann geschieht es!
Ich gehe einfach in die Luft.
Wie der Ätna – oder ein Spaceshuttle!
Einfach WUMM!
Explodiere ich in einem großen Ball aus Feuer und Rauch.
Und mitten in diesem Inferno wird mir klar:
ICH BIN SAUER!
DAS IST EIN SCHEISSTAG UND ICH BIN RICHTIG SAUER!

 

Ma Baker