Der Unk und der Shaman

Ich weiß seit einer Weile schon, daß ich neben vielen anderen über eine äußerst vielschichtige Teilpersönlichkeit verfüge. Ich spreche von dem Teil, der immer mit hundertprozentiger Sicherheit das Schlimmste ( also ich meine wirklich DAS Schlimmste ) erwartet und kommen sieht. Der Teil, der friedlich in irgendeiner Bauchfalte schlummert und nur auf den Moment wartet, in dem man sich an irgendetwas Neues rantraut und was riskieren muß. Dann springt er aus seinem hinterhältigen Versteck und bläst sich und das ganze Szenario in Sekundenschnelle zu einem riesigen drohenden Desaster auf, bevor man “ Ich könnte ja vielleicht…“ zuende gedacht hat. Kommt irgendjemand das bekannt vor? Nun, nachdem man diese wilden Teilpersönlichkeitsgesellen nicht einfach los wird, indem man ihnen ihre Existenz ableugnet oder sich die Augen zuhält, bleibt nur eines: If you can’t beat them, join them! Man muß sich mit ihnen zusammentun, sie akzeptieren, erst dann gelingt es einem vielleicht, sie hin und wieder in ihre Schranken zu verweisen. Als Zeichen meines guten Willens habe ich meinem Berufspessimisten einen Namen gegeben. Ich nenne ihn liebevoll den Unk!

Bild: gonc._a, Lizenz:CC

Im Zuge meiner persönlichen und therapeutischen Weiterbildung habe ich mich nach längeren Umwegen durch verschiedene Hirnwindungen dazu entschlossen, an einem Seminar in der Schweiz teilzunehmnen, wo es um körperorientierte Heiltechniken geht, die aus einem schamanischen Hintergrund kommen. Der Unk hat genau die erste Silbe des Wortes schamanisch gebraucht, um aus seiner Bauchfalte zu hüpfen und mich mit Bildern von wallenden Gewändern, Seidenschals, Federn im Haar, ernsthaften Sprüngen in der Kosmosschüssel, Mantras mit klemmender Repeatfunktion und Armeen von Esofloskeln ( Na, du bist auch ganz schön im Prozeß, gell?) zuzuschütten. Der Unk meint, die wollen alle nur in meinen Herzensraum und dann Spirificken. Mit viel Geduld konnte ich ihn davon überzeugen, daß man sicher einfach mal schauen darf und einen niemand mit Gewalt zwingen wird, zu bleiben, wenn man doch nur seine Sachen packen und bei Nacht und Nebel türmen möchte. Woher er die Idee hat, daß Schamanen die ganze Zeit und immer wild durcheinander vögeln wollen, konnte er mir bisher auch nicht schlüssig erklären.
Wir haben uns also nach längeren Diskussionen angemeldet. Morgen geht’s los.
So ein Unk kostet manchmal ganz schön viel Kraft und Durchhaltevermögen. Andererseits hat er mich heute im Supermarkt daran erinnert, daß man auf keinen Fall zu vertrauensselig zu so einer Veranstaltung fahren darf. Am Ende ist das Haus irgendwo in der Wildnis. Genau, Schamanen wohnen doch nicht in der Stadt! Und schon garnicht neben einem Zigarettenautomat. Ich erinnere mich dunkel, daß ich bei einem vergleichbaren Seminar, das eine Woche ging, mindestens so verzweifelt wie trotzig mitten in der Nacht 5 Kilomter durch den Wald ins nächste Dorf marschiert bin, weil ich keine Zigaretten mehr hatte und überzeugt davon war, daß ich das ohne Kippen nicht durchstehe. Wir kaufen also vorsorglich eine Stange von unseren Lieblingsfluppen. Man weiß ja nie. Dann wirft der Unk die berechtigte Frage ein, ob ich mir denn sicher sei, daß es dort auch Kaffee und nicht nur Yogitee gäbe. Ich muß zugeben, daß ich mir nicht sicher bin. Wir wissen ja beide, wie das so ist mit mir ohne Kaffee. Also schnell noch das Instantmodell Kaffee eingeladen. Ach ja, und Milchpulver! Heißes Wasser werden se ja wohl haben. Schokolade? Ok, Kekse und Schokoriegel für den Notfall. Es gibt Momente im Leben, da kann man sich nicht mit einem Äpfelchen zufrieden geben. Und weil es ja in der Schweiz sicher kalt genug ist, nehme ich noch einen großen Pack Landjäger mit, kann ich ja dann auf dem Fensterbrett verstecken. Hat bei den Buddhisten vor zwei Jahren auch astrein funktioniert. Viellicht muß ich ja mein Krafttier oder mich mit irgendwas Vernünftigem füttern.
Unk sei Dank bin ich immer glänzend vorbereitet.

Ma Aura