Und täglich grüßt …

Es ist Sommer, wir sind Urlaub, it’s hot and we’re wearing sunglasses. Wir haben unsere Angst, irgendwann zu enden wie die Menschen, die seit 40 Jahren immer in das gleiche Kaff nach Österreich fahren, überwunden und uns entschlossen, in der fünften Wiederholung die kretinische Südküste aufzusuchen. Weil uns unser Leben nach 3 Zimmer, Küche, Bad Teil 1 bis 3 in Tübingen und verschiedenen beruflichen Wendungen aufregend genug erscheint und wir uns einig sind: Im Moment sind Konstanten angesagt und keinesfalls NEUES!

Auch Konstanten brauchen innovative Highlights

Um der Gefahr von 40 Jahre Österreich offensiv etwas entgegen zu setzen ist das Motto auch dieses Jahr: Jeden Tag etwas machen, was wir noch nie gemacht haben. Das sind zum Beispiel spektakuläre Dinge wie den Nachmittagskaffee in einer Kneipe zu trinken, in der wir noch nie waren. Oder zum ersten Mal den kleinen Herd in unserem Zimmer zu benutzen, um Frühstückseier zu braten. Unter den Highlights dieser Newmakes ist zum einen eine richtige Wanderung in einem echten Gebirge, bei der wir in sengender Hitze zu einer der vielen Höhlen hochkraxeln, in der angeblich Zeus geboren wurde. Schatzi 1 spricht allerdings nach fast 1000 Höhenmetern die wirklich waren Worte: Du, ich glaub, es geht hier einfach immer nur bergauf! Verblüfft über die Stichhaltigkeit dieser Aussage lassen wir Höhle Zeus sein, rücken unsere Sonnenbrillen zurecht und suchen die Götter weiter talwärts.                                                                                                               Das zweite Highlight ist das Yogaevent, das eines Morgens angeboten wird. Wir sind uns einig, dass uns ein bisschen asiatische Dehnerei gut tun wird, trotzen abwechselnd ein bisschen rum und landen letztlich als einzige Besucher etwas überfordert von dem doch sehr exponierten Setting auf einer Yogamatte. Naja, wer abends Raki saufen kann, kann morgens Yoga machen, auch wenn die Koordination etwas schwerfällt.                          Der Spitzenreiter unserer Newmake-Liste ist aber unsere Fußwanderung auf den Kófinas, den höchsten Gipfel der südlichen Berge Zentralkretas. Sowas kann natürlich jeder. Was allerdings nicht jeder kann ist, sich dort oben auf 1280 Meter von drei Gewitterfronten gleichzeitig überraschen zu lassen. Das ist mal ein exponiertes Setting, dagegen erscheint uns die Solonummer auf der Yogamatte wie ein Witz. Wir sind beide noch nie zwei Stunden um unser Leben geklettert und gerannt – ein echter Newmake und damit Platz 1!

Der Lokalkrimi

Das hartnäckigste Neue in diesem Urlaub ist aber unbestritten der Lokalkrimi, der sich jeden Tag und vor allem jede Nacht in unserem Schlafgemach abspielt. Nein, diesmal handelt er nicht von Geschnarche , im Schlaf rumzappeln und zuviel Decke beanspruchen. Es geht garnicht um die üblichen Schwierigkeiten in einem Ehebett. Sondern von DEN ANDEREN – wir sind nämlich nicht allein. Schon am zweiten Tag fällt uns auf, dass eine üppige Moskitopopulation unser Heim bevölkert. Sowas gab es noch nie. Doch Schatzi 1, der im Zimmer mit dem Balkon schläft, liefert stichhaltige Beweise: Augenringe, Scheißlaune und zahlreiche Stiche. Zuerst glauben wir noch, wir könnten der Sache durch ein Rundummassaker und diszipliniertes Lichtaus, wenn Fenster auf Herr werden. Das ist ein Irrtum. Wir schlafen abwechselnd bescheiden, werden im Schlaf fast aufgefressen und sind irgendwann so neurotisch, dass wir keine zwei Sätze mehr miteinander wechseln können, ohne dass einer plötzlich an die Decke starrt und schreit: Da is einer!! An tiefsinnige Gespräche oder entspannte erotische Begegnungen ist nicht mehr zu denken. Hinzu kommt, dass sich der Aufbruch zu irgendwelchen Unternehmungen im Durchschnitt um etwa zwei Stunden verzögert. Immer in dem Augenblick, in dem wir loswollen, entdeckt einer von uns wieder ein blutsaugendes Untier, welches dann, getrieben von puren Rachegelüsten ohne Rücksicht auf Verluste durch’s Zimmer gejagt wird, bis es erlegt ist. Hinterher müssen wir dann das Chaos aufräumen, die Schrben auffegen, dann muss nochmal jemand auf’s Klo und bis wir wieder startklar sind sitzt das nächste Vieh auf dem Badspiegel. Wir fühlen uns wie in Täglich grüßt das Murmeltier, alles passiert in einer endlosen Zeitschleife immer wieder von vorne.

Wir sehen dringend Handlungsbedarf und entwickeln im Team eine ausgefeilte Jagdtechnik. Da Schatzi 1 der Größere ist und deshalb auch höhere Zimmergefilde errecicht wird er zum Chefmeuchler ernannt – was ihm ein an Besessenheit grenzendes Vergnügen bereitet. Wir erschaffen eine schlagkräftige Waffe in Gestalt eines nassen Badetuchs und jetzt wird uns endgültig klar, was Douglas Adams zu seinen Ausführungen über die nutzbringenden Anwendungsmöglichkeiten eines Handtuchs bewegt hat – nass als Waffe unschlagbar! Sitzen die Viecher außerhalb der Reichweite unserer Wunderwaffe werden sie solange mit Ma Bakers Gymnastikutensilien beworfen bis sie runterkommen. Die entscheidende Frage nach jedem Schlag ist : Gibt es eine Leiche?? Wo keine Leiche, da kein Mord, also weiter geht’s. Während Schatzi 1 an der Front agiert liegt Schatzi 2 auf dem Boden und verfolgt mit Adleraugen die Flugbahn des Untiers, damit wir es nicht aus den Augen verlieren, falls es wider Erwarten flüchten kann. Bis endlich Vollzug gemeldet werden kann und ein weiterer blutiger Fleck unsere weiße Wand ziert.

Das Zauberwort

feenbett-1Über mangelnde Bewegung kann sich vor allem Schatzi 1 nicht beklagen, über zuviel Schlaf keiner von uns. Nach etwa sieben Tagen, in denen sich unsere psychische Verfassung in eine bedenklich obszessive Richtung verschoben hat, kapituliert das Kampfhandtuchgeschwader. Schatzi 1 hat mitten in einer schlaflosen Nacht endlich die rettende Idee, die unseren persönlichen Tatort beenden sollte. Gegen unsere nächtlichen Eskapaden ist die Aufgabe, mitten in der kretinischen Pampa zwei Moskitonetze zu erwerben vergleichsweise einfach. Nur etwa fünf hilfsbereite Ladenbesitzer wollen uns Sprays, Cremes und etwas in orangenen Kanistern verkaufen, das eine starke Ähnlichkeit mit denen aufweist, die die Bauern auf dem Rücken tragen, wenn sie Pestizide in ihren Olivenhainen verteilen. Schatzi 1 ist schon bereit, in einem traditionellen kretinischen Geschäft einige große Tischdecken zu erwerben und daraus einen Moskitoschutz zu improvisieren. Da fällt endlich das erlösende Wort: KUNUPIERA!                                                                                                             Genau, wir wollen zwei verdammte Kunupieras!! Ab da ist alles ganz einfach. Wir erstehen zwei Träume von einem Moskitonetz in orange und rosa, die wir kurzerhand an der Lampe aufhängen. Von da an schlafen wir engelsgleich in Betten, die wie eine Mischung aus Feenstaub und Hello Kitty aussehen und sind uns einig: Das Wort des Urlaubs ist Kunupiera.