Heute schon geflügelt?

Neulich waren Leitmayer und ich zum Kochen verabredet. Es sollte geben: Reis, Gemüse, Putengeschnetzeltes, Salat, Nachtisch. Gemeinsam entwarfen wir einen Einkaufszettel und teilten die zu besorgenden Lebensmittel auf, indem wir alles, was ich nicht besorgen sollte, durchstrichen, ankreuzten oder offen ließen, und er den Rest auf einen eigenen Zettel übertrug. Das führte ein paar Tage später dazu, dass ich besagten Einkaufszettel nicht mehr verstand, weil irgendwie alles durchgestrichen, angekreuzt oder offen war, so dass ich mich genötigt sah, noch einmal per Mail nachzufragen und die verabredeten Einkaufsmodalitäten zu klären. Leitmayer antwortete, meine Zuständigkeiten seien: Karotten, Salat, Gurke, Petersilie und Pute. Es ist ja wie immer alles nicht so einfach.

Wiener Wald und Hähnchenschlegel

Einen Tag vorm Kochevent in der Kreissparkassenküche überholen Dr. Sprite und ich auf dem Weg zur Arbeit einen Laster mit der Aufschrift: Heute schon geflügelt?, und ich denke, nein, noch nicht, und dass ich auf keinen Fall die Pute vergessen darf. Im Büro angekommen hängt am Schwarzen Brett eine Tageskarte vom Wiener Wald, und ich denke: Heute schon geflügelt?, und dass ich auf keinen Fall die Pute vergessen darf. In der Mittagspause gibt es beim Türken als Erinnerung Hähnchenschlegel, so dass ich direkt im Anschluss zum Metzger trabe, wo ich drei abgearbeitete Metzgereifachverkäuferinnen aus ihrer wohlverdienten Mittagsruhe reiße, lächelnd, schulternzuckend, wimpernklimpernd. Die Verkäuferinnen sind sehr nett, trotz Mittagspausenunterbrechung, beraten, wiegen, schnetzeln. Zurück im Büro trage ich die frisch gejagte Pute in den Teeküchenkühlschrank, wo ich sie bis morgen einzulagern gedenke, und tippe mir für den nächsten Tag eine Erinnerung ins Handy: 16:30 PUTE! Sicherheitshalber schreibe ich mir auch noch einen analogen Zettel, stelle ihn vor meinen Bildschirm: PUTE! und bitte zusätzlich Dr. Sprite, mich morgen bitte an das Teeküchenkühlschrankgeflügel zu erinnern.

Wir haben es geschafft!

Als ich am nächsten Tag ins Büro komme, wundere ich mich kurz, was mir der aufgestellte Zettel sagen will, und um 16:25 schaffe ich es schließlich ganz ohne Handygebimmel, die Pute aus dem Teeküchenkühlschrank zu holen, mit ihr nach Hause zu fahren und sie sofort in meinem Privatkühlschrank zu verstauen. Noch zwei Stunden bis zum Kochen, und wie gesagt: Ich darf die Pute nicht vergessen. Dann backe ich noch schnell einen Kuchen für die am wiederum nächsten Tag anstehende Party anlässlich meines 26. Geburtstages, nicht ohne jedoch vor lauter Putenpanik nahezu den kompletten Rührteig auf den Ofenboden zu kippen. Doch selbst dieser kleine Zwischenfall hält mich nicht davon ab, an die Pute zu denken, bevor ich zu Leitmayer fahre.

Dort angekommen präsentiere ich sie stolz auf dem Kreissparkassenküchentisch: Wir haben es geschafft! Leitmayer, der nicht ahnt, was das Geflügel und ich die letzten zwei Tage alles miteinander durchgestanden haben, nimmt die Pute und wirft sie kurzerhand in die Pfanne. Was sonst soll man auch damit machen?

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Kreissparkasse

Es ist ja alles nicht so einfach. Da lernt man einen netten, jungen Mann kennen, nennen wir ihn spaßeshalber Leitmayer, der, wie sich herausstellt, ebenfalls im letzten Jahr aufgrund emotional widriger Umstände das Laster des Rauchens wieder aufgenommen hat, und mit dem man prima plauschen kann, weil er ungefähr ebenso alberne Dinge erzählt wie man selbst. Dann trifft man ihn zufällig noch einmal und noch einmal und noch einmal, nur um irgendwann festzustellen, dass man denselben netten, jungen Mann (immer noch Leitmayer) gerne mal nicht zufällig, sondern eher so ganz gezielt treffen würde. Und, schwupps, hat man ein Problem.

Denn: Man hat weder eine amtlich autorisierte Handynummer noch einen offiziellen Anlass für eine Verabredungsoffensive, dafür jedoch umso mehr Klöße im Hals und Steine im Bauch. Das Problem eröffnet an dieser Stelle mehrere Lösungsmöglichkeiten: Entweder man veranstaltet ein Riesengehampel, um zufällige Begegnungen herbeizuführen, oder man wartet darauf, dass der andere sich möglicherweise erbarmt, was aber dauern kann, bis man Spinnweben ansetzt oder auch gar nicht passiert, oder man geht in die Dateoffensive und riskiert, mit einer Abfuhr emotional geschreddert zu werden, oder aber: Man bleibt auf der sicheren Seite und lässt das Ganze bleiben. Da wir von der Wunderbra-Redaktion jedoch bekanntermaßen fast nichts auslassen, um auch die letzten menschlichen Abgründe auszuloten und die finalen Fragen des Universums zu klären, haben wir uns in den vergangenen Wochen intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt: Wer meldet sich wann bei wem, und wenn ja, unter welchem Vorwand? Die Ergebnisse möchten wir der werten LeserInnenschaft, wie immer, natürlich auf gar keinen Fall vorenthalten.

Lässig wie Aschenbrödel

In meiner stets heroischen und aufopferungsvollen Art habe ich mich als Testperson zur Verfügung gestellt und mich der Problematik folgendermaßen genähert: Nach diversen Wahnsinnsaktionen, die zu gar nichts führten, sondern lediglich Zeit, Energie und Freundinnen verschlissen, und die ich auch nicht wirklich im Detail vertiefen möchte, berief ich schließlich den Hexenrat ein, der einen geschlagenen Nachmittag auf verschiedenen Kanälen damit verbrachte, Chancen und Risiken abzuwägen, um endlich einstimmig zu beschließen: Handynummer von Leitmayer recherchieren, per Kurznachricht Date anfragen, auf „Senden“ drücken und anschließend lässig wie Aschenbrödel über schneebedeckte Ebenen reiten, als wäre nichts passiert.

Und da es gegen die Beschlüsse des Hexenrats recht wenige Vetomöglichkeiten gibt, recherchiere ich gehorsam Leitmayers Handynummer, tippe eine SMS, drücke auf „Senden“, unterdrücke den Impuls, mein Handy auf der Stelle in der Toilette hinunterzuspülen und beneide Aschenbrödel um ihre Lässigkeit. Ich rechne mit Antworten von „Wie, bitte, kommst Du auf das schmale Brett?“ über „Noch eine SMS und ich ruf‘ die Polizei!“ bis hin zu einem schlichten „Nein danke, ich treffe mich nicht mit Stalkerinnen.“ oder einfach: Nichts. Eine Stunde passiert dann auch wirklich nichts. Dann kommt Leitmayers Antwort, und ich bin nicht sicher, ob ich sie lesen oder löschen will. Und dann ist plötzlich alles recht einfach. Per SMS, Gott segne den Erfinder, überlegen wir, was „Freitag“ oder „Samstag“ auf türkisch heißt, und ob wir uns lieber in der Kreissparkasse oder in der Volksbank treffen, entscheiden uns dann aber für erstere, denn da wohnt Leitmayer.

Abspann

Es wurde dann im Übrigen noch ein sehr netter Abend. Leitmayer und ich versackten in der Kreissparkassenküche, plauschten über Prinzessinnen, Halbmonde, Langeweile in der Badewanne sowie das Leben als solches, leerten dabei zwei Flaschen Wein und rauchten geschätzte 200 Zigaretten. Fazit: Die Dateoffensive habe ich überlebt, bei dem Jenseitsschädel am Morgen danach bin ich noch nicht ganz sicher.

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Knutschen oder Klatschen II

Vor einigen Wochen gingen wir hier der Frage nach, welche der Froschkönig-Fassungen nun die offiziell autorisierte ist: a) Der Frosch wird geküsst (und verwandelt sich in einen Prinzen), oder b) der Frosch wird an die Wand geklatscht (und verwandelt sich in einen Prinzen). Hier die Ergebnisse: 1. Im Original wird geklatscht. 2. Wo die Mär vom Küssen herkommt, weiß kein Mensch, wir tippen auf einen Mann bzw. Frosch. 3. Was den Umgang mit Prinzen angeht, so reichen die Vorschläge von Klatschen über Nachklatschen bis hin zu nochmal Nachklatschen, und wenn er dann gut prinzt, kann immer noch geküsst werden. Beschwerden über die aktuelle Prinzenlandschaft wurden ebenfalls laut.

So weit, so gut, doch das wirft neue Fragen auf:
1. Was ist los mit den Prinzen von heute?
2. Was heißt „gut prinzen“?
3. Was wollen moderne Prinzessinnen?

Das sind zugegebenermaßen schwierige Fragen, für Superheldinnen wie uns jedoch eine Kleinigkeit.

1. Was ist los mit den Prinzen von heute? (An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass sich kein einziger von ihnen an der doch auch für sie nicht ganz uninteressanten Diskussion beteiligt hat. Warum eigentlich? Haben für sie Küssen und Klatschen den gleichen Stellenwert?) Meine These: Der Prinz von heute ist, das ist nichts Neues, hochgradig verunsichert.

IIIiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiihh, mach das weg!!!

Hatte er früher lediglich Mammuts zu jagen und die Höhle mit Weib und Kind vor Säbelzahntigern zu beschützen, musste der Mann des vorigen Jahrhunderts bereits Geld jagen, Socken stricken, diskutieren, zuhören, den Macho machen, über Gefühle reden, breitschultrig und magersüchtig werden sowie sensibel, durchsetzungsfähig und die Schulter zum Anlehnen sein. Zwischendrin galt es Kriege anzuzetteln und die Welt zu ruinieren. Mittlerweile brennt er aus, weil er Job, Haushalt, Kinder und Frau unter einen Hut bringen, kochen, „hinspüren“, über Liebe reden, seine weibliche Seite entwickeln und ein Sexgott sein soll. Fußball hingegen, das letzte Reservat des wilden Mannes, wurde spätestens bei der vorigen Weltmeisterschaft von den Frauen okkupiert. Da kann mann schon mal den Überblick verlieren und durcheinander kommen.

2. Was aber heißt nun „gut prinzen“ in einer Zeit, in der Säbelzahntiger ausgestorben sind und das Weib mittlerweile einem geregelten Job nachgeht, nachdem sie das Kind in die Ganztags-Kita gebracht hat? Regelmäßig den Müll runterbringen? Regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgehen? Regelmäßig duschen? Ja, das auch. Aber das ist nicht super, das ist Standard.

3. Was zum Teufel also wollen moderne Prinzessinnen? Was wir nicht (mehr) wollen: Selbstmitleid, Humorlosigkeit, Halbherzigkeit, Unentschlossenheit. Wir wollen keine Prinzen, die uns damit umwerben, dass sie sich alleine anziehen oder über die Straße gehen können. Wir wollen auch keine Prinzen, die vor der Drachenhöhle die Nerven verlieren. Und wir wollen erst recht keine 50jährigen Babies, die eine Mama brauchen und kein gestandenes Burgfräulein.

Bad Hair Day.

Kurz: Wir wollen Prinzen, die gut prinzen. Wir wollen kühne Recken, keine Dramaqueens. Wenn wir Großes Kino wollen, machen wir das selbst. Wir wollen: Mut, Energie, Witz, Verstand und einen ordentlichen Bizeps. Wir wollen echte Helden, die uns ritterlich nach Hause geleiten, die uns im Hormontief mit Schokolade und Sherry und bei Grippe mit Hühnersuppe versorgen, die Schwächen zugeben, über sich selbst reden und vor allem lachen können, die uns bekochen und Bademäntel schenken, damit wir nicht frieren, und die uns nächtelang im Arm halten. Wir wollen Prinzen, die uns ernst nehmen und zum Lachen bringen, die uns nicht nur am Frauentag mit Liebe und Blumen überschütten, die unsere Autos und Computer reparieren und uns auch an Bad Hair Days zu verstehen geben, dass wir die Schönste sind.

Wir wollen Rockstars, die uns bei der Online-Flugbuchung und der Einkommenssteuererklärung Händchen halten, die uns zuhören und im Winter unseren Glauben an den Frühling aufrecht erhalten und die uns Hasenkäfige bauen, wenn wir im Urlaub sind. Wir wollen Superhelden, die sagen, was sie wollen, die ihr Leben inklusive sich selbst auf die Reihe bekommen, die uns auf Händen tragen, uns hegen, pflegen und verwöhnen, die uns nicht immer allzu ernst nehmen und selbst unsere raffiniertesten Tricks durchschauen. Und dafür werden wir sie bewundern, lieben und schließlich – küssen!

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Knutschen oder Klatschen?

Ist eigentlich schon einmal jemandem aufgefallen, dass es vom Froschkönig-Märchen zwei verschiedene Fassungen gibt? Bei Variante a) wird der Frosch geküsst (und verwandelt sich in einen Prinzen), bei Variante b) wird er an die Wand geklatscht (und verwandelt sich in einen Prinzen). So, und welche ist denn jetzt bitte die offiziell autorisierte Fassung? Oder darf man sich, je nach Prinzessinnengemüt, eine aussuchen? Knutschen für die hoffnungslosen Romantikerinnen, Andiewandklatschen für die knallharten Realistinnen? Ich werde das recherchieren. Vorschläge gerne in die dafür vorgesehenen Kommentarfelder.

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