Die Rückkehr der Jedi-Ritter

Nach einem laangen, ruhigen Wochenende, wir berichteten, und einem laangen, ruhigen Bürotag, nicht erwähnenswert, freue ich mich darauf, dass Hotti und Lotti wieder nach Hause kommen. Strahlend hole ich Lotti bei der Tagesmutter ab, sie versteckt sich. Ich will sie anziehen, sie bockt. Ich will schnell nach Hause, weil Hotti gleich auf der Matte steht, Lotti drückt im Fahrstuhl die Kellertaste.

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Zu Hause will sie ihre verschlammten Stiefel putzen, falls der Nikolaus noch einmal kommt. Im selben Moment klingelt Hotti Sturm an der Haustür, poltert die Treppe hoch und brüllt Schulinfos durchs Treppenhaus. Im Bad läuft das Wasser, die Schlammstiefel sind klatschnass, alles ist voll Matsch, der Teppich, der Schlafanzug, Lotti. Ich mache Abendessen, die lieben Kleinen sich um die Adventskalender. Mein linkes Augenlid zuckt. Beim Essen skandieren sie Süßis! Süßis!! Süßis!!! Süßis!!!!, wir schachern um jeden Bissen: Jede noch drei Löffel. Beim Nachtisch wird zurückgeschachert: Noch eine Tüte Colafläschchen und zwei Traubenzucker. Mein rechtes Augenlid zuckt. Ich räume ab. Im Bad keift Hotti: Gleich hau ich Dich!! Lotti kreischt: Und ich kneif Dich!!! Mein Kopf tut weh, in meinen Ohren pfeift es, und ich weiß nicht, ob es der Tinnitus ist oder die Kinder. Ich weiß nur eins: They’re back.

die aktuelle

Der zweite Advent: Kampfbacken

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Endlich, mein erstes freies Wochenende seit langem. Hotti und Lotti sind bei ihrem Vater, wie geschickt, denke ich, am Sonntag ist Nikolaus, und ich muss mich um nichts kümmern. Endlich frei, endlich Zeit für mich, endlich Ausschlafen, Kaffee im Bett, Lesen, Stille. Ich schreibe meine alljährliche Weihnachtsliste, kaufe in Ruhe Weihnachtsgeschenke, schlendere entspannt über den Weihnachtsmarkt und betrachte mit einer Mischung aus Mitleid und Schadenfreude Eltern, die von ihren Kindern zum Kauf eines Spongebob-Gasballons gezwungen werden. Heute nicht mein Problem! Ich setze mich ins Café, vertrödele den restlichen Nachmittag, keiner will was von mir, der Himmel auf Erden.

Nach einem gechillten Samstag kommt der Sonntag. Es ist der zweite Advent und obendrein Nikolaus. Super, denke ich, Ruhe, Besinnlichkeit! Ausschlafen, Kaffee im Bett, Lesen… Stille. Nichts. Nichts regt sich. Kein Mamadernikolauswarda!! zu unmenschlichen Zeiten, kein Geschrei wegen gefüllter Stiefel, kein Zank um Apfel, Nuss und Mandelkern. Stille. Niemand stürmt mein Bett mit verschmierten Schokofingern, niemand streitet sich um meine Decke, niemand will mein Kissen für irgendwelche Schlachten. Nichts. Kein Mucks. Totenstille. Überhaupt kein Problem, denke ich, Weihnachten, Besinnlichkeit, eine meiner leichtesten Übungen, schließlich bin ich die Weihnachtsfrau!

Ich gehe in die Küche, stelle das Radio an gegen die Stille, es ist Advent, es dudeln Weihnachtslieder. Ich mache Plätzchenteig, Vanillekipferln, niemand schreit Ich will mitmachen!!, Ruhe im Kinderzimmer, nur das Radio dudelt Cold, cold Christmas without you, ich mache noch einen Plätzchenteig, Kokosmakronen, niemand will Teig naschen, es dudelt Have yourself a merry little christmas, Stille in der Wohnung, ich knete Kipferln, ich forme Makronen, niemand da, der Sauerei macht, und bei Last christmasbreche ich zusammen. Niemand da. Und nichts im Stiefel außer Schafffellsohlen, nicht eine Schokokugel, kein Tannenzweig, kein Anruf, nichts. Und die Stille wird unerträglich. Nächstes Wochenende sind die Kinder wieder bei mir, hallelujah!

Der erste Advent

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Früher ging Weihnachten anders. Ich war die Weihnachtsfrau, ich liebte die Vorweihnachtszeit mit Advent, Plätzchen, Besinnlichkeit und Schneegestöber. Ich studierte und sah meine winterliche Hauptaufgabe darin, Kerzen anzuzünden und meine neurotisch-depressiven Mitbewohner im alternativ-antikapitalistischen Wohnprojekt zu bekehren: „Guck mal, es schneit!“ oder: „Jürgen, heute bist DU dran mit dem Adventskalender!!“ Jürgen hätte mir damals vermutlich am liebsten den Hals herum gedreht. Heute habe ich zwei kleine Kinder, Hotti und Lotti, ein altes Auto, einen Job mit einstündigem Anfahrtsweg, und die Weihnachtszeit erscheint wie eine einzige Grenzerfahrung. Alleine diesen Herbst habe ich drei vergeigte Laternenumzüge mit schlecht gelaunten Kindern, eine Plätzchenschlammschlacht, zwei Erkältungswellen, eine gesamtfamiliäre Bindehautentzündung, morgendliche Autoausfälle samt vereisten Scheiben und einen ersten Advent hinter mir, den ich am liebsten streichen würde.

Die Kinder: seit Tagen zu krank für Schule und Kindergarten, aber zu gesund für zu Hause. Ich: nach einer Woche Organisations- und Betreuungsstress reif für die Insel. Meine Hoffnung: ein besinnliches Adventswochenende. Die Realität: Morgens um 7 Uhr 30 zwei keifende Furien, die sich um Barbie-Puppen prügeln, sich die Gesichter zerkratzen und Haare ausreißen, sich schlagen und gegenseitig aus den Zimmern schmeißen und, als ich schlichten will, um 7 Uhr 55 Mama-Verbot-Schilder an die Türen kleben. Na gut, denke ich, Friede auf Erden, mach‘ ich mal Rolf und seine Freunde an, das hat noch immer geholfen, mir zumindest, er ist nicht umsonst seit 18 Jahren ungeschlagene Nummer eins auf der Hitlist meiner Lieblingsweihnachts-CDs, mach‘ ich mal Frühstück, Unterzuckertsein ist ja auch kein Spaß, und ausatmen und loslassen.

Um 8 Uhr 30 fliegen die Fetzen, weil beide die Adventskerze anzünden wollen, um 8 Uhr 32 schreie ich „Finger weg!“, weil sie anfangen, Äste aus dem Kranz zu ziehen, um 8 Uhr 45 ruft unsere Tagesoma an, ob sie uns um 10 Uhr das Kinderbett vorbeibringen könnte, das seit Monaten auf ihrem Dachboden herumsteht und das sie jetzt endlich loswerden will. Ein guter Zeitpunkt. Ich ziehe die Kinder und mich durchs Bad, begrüße die Oma, baue das Kinderbett zusammen, backe einen Kuchen für den Nachmittagsbesuch, Hotti und Lotti zanken sich um die Teigreste, ich mache Mittagessen, die Kinderzimmertüren fliegen, ich drehe das Radio lauter, bekomme Kopfschmerzen, den Kindern schmeckt das Essen nicht, uuäääähhhhrrr und igitt, ich räume ab, Spülmaschine einräumen, im Kinderzimmer steigt die nächste Prügelei, ich bin kurz davor mitzumischen, um 14 Uhr kann ich nur noch brüllen, Spülmaschine ausräumen, und in dem Moment, als Lotti schreit „Alle raus!! Ihr seid alle blöööööd!!!!“ ist es, schwupps, 15 Uhr, es klingelt und der Besuch, eine Familie mit zwei Kindern, steht vor der Tür. Wie schön, dass Ihr da seid, kommt doch rein, bei uns ist es gerade so gemütlich.

Ich decke auf, ich decke ab, Kaffee, Kuchen, Abendessen, um 19 Uhr 55 werfe ich die zwei Engel ins Bett, mir selbst fallen die Augen zu, um 20 Uhr steht meine Hosenkreuzer-Gruppe vor der Tür, eine Geheimverbindung, über die ich nicht sprechen möchte, um 23 Uhr 30 krieche ich mit unerledigten Arbeitspapieren ins Bett, und als ich die Überschrift zum sechsten Mal lese, ohne ihren Sinn zu erfassen, lösche ich das Licht und bin weg. Allerdings nur bis 23 Uhr 55, da schreit ein alptraumgeplagtes Nervenbündel, mein Automatenkörper wankt ins Kinderzimmer, tröstet, deckt zu, Kuss, gute Nacht, zurück ins Bett, zurück ins Koma. Um 0 Uhr 25 kriecht das Nervenbündel zu mir unter die Decke, strahlt mich an und sagt: „Dein Bett ist so gemütlich!“

Der nächste Advent kann nur besser werden. Die Hoffnung stirbt zuletzt.