Oma-Saufen

Sherry, Schätzchen?

Nein, uns sind nicht etwa die Themen ausgegangen, im Gegenteil, die Dinge überschlagen sich dermaßen, dass wir als erklärte Entschleunigungs-Omas mit der Dokumentation einfach nicht mehr hinterher kommen. Zeit also zum Innehalten, Zusammenfassen, Updaten, Neudurchstarten und Oma-Saufen, die Zeiten des Koma-Saufens liegen ja, Göttinseidank, schon länger hinter uns.

Was also ist passiert? Während Ma Baker sich auf der Suche nach beruflicher Weiterentwicklung in den unendlichen Weiten der wunderbaren Online-Ausbildungsgalaxien buchstäblich die Lichter ausgeschossen hat, hat sich die aktuelle das Herz gebrochen und einen schicken Zweitwagen erworben (Fünftürer, Baujahr 2010, 2,5 Liter, rosa.) (Der war gut, was?). Nebenbei haben wir Kinder in den Schlaf gewiegt und ihnen den Hintern abgewischt, das Haus geputzt, Wäsche ohne Pulver gewaschen, Geschenke für Kindergeburtstage organisiert, Essen gejagt und verkocht, den Zoo heimgesucht, den Frühling und Blind Dates genossen, die Winterbeine rasiert, den Baumarkt erschlossen und Hormonschwankungen überstanden. Darüber hinaus sind wir selbstverständlich als stolze Leistungsträgerinnen dieser unserer super- bis spätkapitalistischen Gesellschaft einer geregelten Arbeit nachgegangen, wir wollen ja niemandem auf der Tasche liegen.

Gestern mussten wir dann noch ein bisschen neben uns stehen, bei einem gepflegten Gläschen Sherry, zwei ungepflegten Tüten Chips, einer klebrigen Tafel Schokolade und einem XXL-Beutel M&Ms wieder zu uns kommen, um dabei mental in Welten vorzustoßen, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat. Das tolle am Oma-Saufen ist ja, dass man nach drei Likörgläschen so drauf ist wie früher nach fünf Halben. Man muss auch nicht mehr bis morgens um acht durchhalten, um mit einem schicken Konterbier das Frühstück einzuleiten, nein, man darf schon um 22 Uhr 30 sagen: „Du – ich glaub, ich muss ins Bett!“ Ist das nicht großartig? Das spart Zeit, Geld und Leberzellen. Segen des Alters! Darauf einen Sherry.

die aktuelle

My bloody Valentine

Ist ja schön, wenn die Leute verliebt sind. Aber muss man denen gleich einen ganzen Tag widmen? Die haben doch sowieso schon den Mai. Und müssen die dann damit hausieren gehen und den ganzen Tag mit Rosen und Geschenkchen durch die Straßen latschen? Haben die kein Zuhause? Und haben die schon mal darüber nachgedacht, dass sie anderen Leuten damit vielleicht tierisch auf die Nerven gehen? Ist ja schon schlimm genug, dass man momentan nicht mal mehr zum Bäcker gehen kann, ohne von lustigen Clowns, wilden Katzen oder heißen Hexen bedient zu werden, das Nudelregal hat man mittlerweile auch den ewig Knutschenden überlassen – ich bin auf Reis umgestiegen – , jetzt wird man beim Brötchenkaufen auch noch von Torten in Herzform heimgesucht, verziert mit Marzipanherzchen und einem großen Schriftzug LOVE. Ist ja gut. Hysteriker. Diese Kombination aus Fasching UND Valentinstag, Narren UND Verliebte überall, das ist irgendwie zu viel. Entweder oder. Nächstes Jahr bitte zwei Wochen Abstand oder ich wandere aus. Happy Valentine.

die aktuelle

Bitte Socken mitbringen!

Nach einer nicht unanstrengenden Woche – massive Hirnverspulung, mittelschwere Herzgrippe (ich denke, ich komme durch), streikende Erzieherinnen in zwei Kinderbetreuungseinrichtungen (gebt ihnen doch bitte einfach ganz viel Geld!!!), kaputtes Auto, Fremdkinderbesuch mit Granateneinschlagseffekten im Kinderzimmer, Elterngespräch in der Schule – ist das Letzte, das ich am Samstag gebrauchen kann, ein Rhetorikkurs an der Volkshochschule, zu dem ich mich im letzten Herbst in einem Anfall von Bildungswahn angemeldet habe. Der Anfall muss sehr heftig gewesen sein, ich habe es nämlich geschafft, auch noch Frau Dr. Sprite mitzureißen und zur Mitteilnahme zu nötigen. Chancen und Risiken einer ausgeprägten Begeisterungsfähigkeit, gebt mir eine Idee, und ich verkaufe sie.

Der Weiterbildungsteufel

Wie gesagt, das war letzten Herbst, aber heute morgen ist heute morgen. „Jetzt rede ich – auch mit Lampenfieber!“ und zwar von 10 bis 17 Uhr, ich muss irre gewesen sein. Zum sechsten Mal in dieser Woche zwinge ich Hotti und Lotti ihr Frühstück gefälligst SCHNELL in sich hineinzustopfen, jage sie durchs Bad (LOS! MACH!! ZACKIG!!!) und liefere sie bei den jeweiligen Babysittern ab (Tschüssmeinschatzichhabdichlieb). Natürlich komme ich zu spät, Sprite sitzt sicher schon entspannt im Seminarraum und fragt sich, wo ich bleibe, hektisch schließe ich mein Fahrrad ab und als ich mich gerade zum hundertdreiundfünfzigsten Mal an diesem Morgen frage, welcher Teufel mich da bloß geritten hat, biegt Sprite um die Ecke, gehetzt, genervt und übellaunig, mit der Bäckertüte in der Hand, und fragt mich ebenfalls, welcher Teufel uns da eigentlich geritten hat. Bevor wir hineingehen, ringe ich ihr das Versprechen ab, mich bei der nächsten manischen Weiterbildungseuphorie BITTE aufzuhalten.

Vielleicht doch noch den Folgekurs dranhängen -?

Als Einstieg sollen wir einen Spontanvortrag vor der Gruppe halten. Auf Sprites Nase bilden sich Schweißperlen, ihre Knie zittern, mein Herz rast, unsere Hände werden klatschnass, der Impuls, auf der Stelle den Raum zu verlassen, wird übermächtig. Es hilft nichts, wir müssen da durch bzw. nach vorne. Wie durch ein Wunder überleben wir und dürfen in die Mittagspause. Für die zweite Einheit brauchen wir Socken (Bitte mitbringen!), habe ich natürlich vergessen, Sprite hat welche eingepackt, aber in die falsche Tasche. Nach anfänglichen Zweifeln und einer Stunde Körperhaltungs-, Stimm- und Luftballonspielchen packt es uns. Den nächsten Kurzvortrag mit argumentativer Drei-Schritt-Methode schaffen wir fast mit links und ohne Zittern, ich möchte mich auch nur noch hinter dem Projektor verstecken und nicht mehr gleich gehen. Wir werden euphorisch – wir, die neuen Rhetorik-Queens, wir werden sie alle mit dem klassischen Dreischritt in die Tasche stecken, notfalls auch mit Fünferschritten nachrüsten! HA! Die Moderation bei meinem Porno-Workshop (es ist nicht so wie es klingt) nächste Woche? Kinderspiel! Vielleicht doch noch für den Folgekurs anmelden?? Abschließend überzeugen Sprite und ich uns gegenseitig mit dem klassischen Dreischritt davon, dass wir das auf keinen Fall tun sollten und verabschieden uns glücklich ins wohlverdiente Wochenende.

Knutschen oder Klatschen?

Ist eigentlich schon einmal jemandem aufgefallen, dass es vom Froschkönig-Märchen zwei verschiedene Fassungen gibt? Bei Variante a) wird der Frosch geküsst (und verwandelt sich in einen Prinzen), bei Variante b) wird er an die Wand geklatscht (und verwandelt sich in einen Prinzen). So, und welche ist denn jetzt bitte die offiziell autorisierte Fassung? Oder darf man sich, je nach Prinzessinnengemüt, eine aussuchen? Knutschen für die hoffnungslosen Romantikerinnen, Andiewandklatschen für die knallharten Realistinnen? Ich werde das recherchieren. Vorschläge gerne in die dafür vorgesehenen Kommentarfelder.

die aktuelle

Herzgrippe I

Verliebtsein ist ja nicht zwangsläufig lustig. Mit hormonellen Höhenflügen, mentalen Grenzerfahrungen, dramatischen Fehleinschätzungen, einer erhöhten Risikobereitschaft und entsprechenden emotionalen Bruchlandungen erfüllt Verliebtsein, wie übrigens auch das Leben als solches, im Prinzip sämtliche Kriterien sehr gefährlicher Extremsportarten. Die offizielle Definition von Extremsportart in der Wikipedia lautet folgendermaßen:

„Unter Extremsport versteht man das Herangehen an sportliche Grenzen. Extremsport bedeutet für den Sportler eine besondere technische oder logistische und körperlich-psychische Herausforderung und ist oft mit hohem Risiko verbunden. Extremsport wird einzeln oder in kleinen Gruppen, manchmal fernab der Öffentlichkeit, manchmal mit großer Medienpräsenz durchgeführt und ist in einigen Formen auch illegal. Die Ausschüttung von Endorphinen kann Glücksempfindungen hervorrufen, aber auch zu Missachtung von Warnsignalen führen, die Unfälle verursachen können.“

Auch beim Verliebtsein überschreitet man Grenzen, es kickt, man macht es alleine, zu zweit, in Gruppen oder vor Publikum, manchmal ist es verboten, immer riskant, und bisweilen handelt man sich nicht unerhebliche Blessuren ein, vom Highsein über blaue Flecken bis hin zum Genickbruch ist alles drin. Eine körperlich-psychische Herausforderung ist es allemal. Nichts für schwache Nerven.

Saufen, Heulen, Zähneklappern

Als gemeiner Single wirft man knutschenden Pärchen im Supermarktnudelregal gerne böse Blicke zu, wünscht knutschenden Pärchen auf karierten wetterfesten Wolldecken im Park die Pest an die Hälse und ist versucht, knutschenden Pärchen auf Rolltreppen einen dezenten Tritt zu verpassen. Bis es einen selbst erwischt und man den lieben langen Tag in Nudelregalen, auf Karodecken oder Rolltreppen herumknutschen möchte. Im selben Moment verabschiedet sich das Gehirn quasi mit den Worten Ichbindannmalweg und taucht mit etwas Glück möglicherweise zwei Jahre später oder im nächsten Leben wieder auf. Statt dessen: Schmetterlinge, Moskitos, Hornissen, Flugzeuge, Achterbahn, Geisterbahn, Feuerwerk, Explosionen, kognitive Ausfälle, kommunikative Aussetzer, Fettnäpfchen, Kontrollverlust, die totale Verblödung. Schlafen und Essen werden zur Nebensache, man redet wirres Zeug, und zwar derart besessen, pausenlos und penetrant, bis selbst die letzte beste Freundin nicht mehr ans Telefon geht.

Man ist krank: Schweißausbrüche, Panikattacken, Herzrasen, Schüttelfrost, Schläge in die Magengrube mit der Rückstoßkraft einer Panzerfaust, Kreislaufschwäche, Kopfschmerzen, 50° Fieber, Augenringe, bei denen selbst der beste Abdeckstift versagt. Herzgrippe. Man ist benommen, zerschlagen, gerädert, geliefert, fertig, erledigt, müde, matt, das war’s. Man möchte einen meterlangen Schal um sein Herz wickeln, ein Fieberthermometer hineinstecken, sich einen Socken über den Kopf ziehen, unter der Bettdecke verschwinden und der Außenwelt, wenn möglich, nie wieder gegenübertreten. Man möchte mindestens Medikamente nehmen. Saufen, Heulen, Zähneklappern.

Vielleicht doch eher Golfen?

die aktuelle

Den Mutigen gehört die Welt

Mut ist, wenn du Todesangst hast und dich trotzdem in den Sattel schwingst.
(John Wayne)

Eigentlich grenzt es an ein Wunder, dass es diesen Blog überhaupt gibt. Ma Baker und die aktuelle mussten es nicht nur mit chronischem Zeitmangel, latenter Technikfeindlichkeit, äußeren Umständen, Außerirdischen und anderen Ausreden aufnehmen, nein, es galt vor allem auch Chancen und Risiken abzuwägen (Was, wenn uns nichts einfällt? Oder, schlimmer: Was, wenn uns jemand liest?), weibliche Selbstzweifel zu überwinden (Wier könen gah nich schraibn.) und männliche Zweifel am weiblichen Informationsgehalt zu ignorieren (Boar, voll selbstreferenziell, langweilig ey!) .

Peinlich, nicht putzig
Leider mussten wir feststellen, dass ab einem bestimmten Punkt auch und gerade die weiblichen Minderwertigkeitskomplexe einfach nicht mehr putzig, sondern nur noch peinlich und darüber hinaus hochgradig hinderlich sind. Diese bittere Erfahrung mache ich, als mir an ein und demselben Tag von zwei durchaus wohlmeinenden männlichen Mitmenschen die Frage nach dem Gedeihen unseres Blogs gestellt wird. Beim ersten Mal stammele ich etwas wie: „Ääääh, technisch ist alles fertig, nur trauen wir uns jetzt nicht was reinzustellen. (Pause.) Äääääh, das ist so’n Mädchending.“ Ich ernte einen ratlosen Blick, eine hochgezogene Augenbraue und der wohlmeinende Mann verlässt den Raum. Beim zweiten Mal sage ich nur: „Ich möchte nicht darüber reden.“ In dem Moment wird mir klar, dass es sich mit Selbstsabotage nicht länger kokettieren lässt und auch keine Blumentöpfe mehr zu gewinnen gibt. Im Gegenteil. Irgendwann werden Ichkanndasnicht und Ichtraumichnicht a) unsexy, b) albern, c) sinnlos, d) Energie- und e) Zeitverschwendung. Und irgendwann kann man es auch selbst nicht mehr hören.

Move your ass!

Also bissen wir in saure Äpfel, schluckten Kröten, brachen uns Zacken aus der Krone, sprangen über Schatten, schwangen uns in den Sattel und fingen an zu schreiben, um über den Tücken des Alltags nicht komplett den Verstand zu verlieren, den letzten Dingen auf den Grund zu gehen und damit auch noch uns und unser wertes Publikum zu bespaßen. Dass das schließlich doch noch geklappt hat, finden wir ganz wunderbra!

Lebenslänglich

Das neue Programm der Volkshochschule ist da. Da lebenslanges Lernen inzwischen Standard ist und auch Nahtoderfahrende vor Weiterbildungsmaßnahmen nur bedingt sicher sind – auch von ihnen wird beispielsweise eine einigermaßen solide Medienkompetenz erwartet (Stichwort Silversurfer) – , begebe ich mich also auf die Suche nach einer passenden Horizonterweiterung. Das Heft beginnt mit Kursen zur Stressbewältigung: Stressbewältigung durch Achtsamkeit, Umgang mit Ärger, Klopfakkupressur bei Ängsten (gibt’s wirklich) und Fühl dich gut (Bitte Socken mitbringen!). Den Kursen, die Hektik, Wut und Perfektionismus den Kampf ansagen, folgen Angebote zur Effizienzsteigerung: Speed-Reading (schnellere, effektivere Lesegeschwindigkeit für Studierende), Meine Kompetenzen managen, Perfekt verpackt! Deine schriftliche Bewerbung und Perfekt auftreten! Individuelle Selbstpräsentation im Vorstellungsgespräch.

Und jetzt? Be- oder entschleunigen, ich kann mich nicht entscheiden. Vielleicht sollte ich selbst Kurse anbieten. Wie wäre es zum Beispiel mit Traumatisierte Kinder, Jugendliche und Erwachsene des Turbokapitalismus oder Lebensfreude trotz Neoliberalismus (Bitte Socken mitbringen!)? Anmeldungen gerne in den Kommentarfeldern von Wunderbra.

Neighbours

Ein Sondereinsatzkommando stürmt die Wohnung und reißt die Anlage auf. Bild: Stefán, Lizenz: cc

Heute ist Samstag. Ich habe einen perfiden Plan ausgetüftelt, wie ich Hotti und Lotti garantiert zum längeren Ausschlafen als 6 Uhr 30 bewegen kann. (Eins der unerklärlichen Kindernaturgesetze besteht darin, dass man sie unter der Woche um 6 Uhr 30 nicht aus dem Bett bekommt, während sie am Wochenende um exakt dieselbe Uhrzeit topfit durch die Wohnung springen.) Gestern Abend also ließ ich sie extra lange herumtoben, bis sie mich anflehten sie endlich ins Bett zu bringen. Ich ließ die Rollläden im Kinderzimmer herunter, um ewige Nacht vorzutäuschen, und das Flurlicht brennen, damit niemand wegen totaler Finsternis und etwaiger Monster, Räuber, Vogelspinnen oder Krokodile, die sich gerne in selbiger herumtreiben, in Panik ausbricht. Und um Mitternacht zerrte ich die jammernde Lotti aus ihrem Bett und aufs Klo, nur damit sie nicht nachts um drei Pipi muss. Danach legte ich mich mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen und der Gewissheit, alles für einen wohlverdienten ausgedehnten Schlaf ohne Unterbrechungen gesorgt zu haben, zur Ruhe.

Schlafstörungen, Liebeskummer oder Dachschaden?
Um sechs Uhr morgens jagt ein Sondereinsatzkommando mit schweren Maschinengewehren die Treppen hoch und tritt unsere Wohnungstür ein. Sie spielen RELAX von Frankie goes to Hollywood im Wohnzimmer und reißen die Stereoanlage auf. Ich sitze senkrecht in meinem Bett. Mein neuer Nachbar! Er arbeitet nachts und schläft dafür nicht tags, offensichtlich auch am Wochenende. Das Problem: Unsere Schlafzimmer liegen nebeneinander und sind quasi nur durch eine Papierwand getrennt. Durch diese dröhnt jetzt Nineteen von Paul Hardcastle. Ein wilder Ritt durch die 80er beginnt, allerdings werden die Titel nur angespielt. Ich liege auf dem Rücken, die Arme unter dem Kopf verschränkt, und rate die Titel. Zwanzig Sekunden Miami Vice Theme folgen vier verschiedene Metalbands (erkenne ich nicht), danach First Time First Love, schließlich bleibt er hängen bei I Need A Hero. Den brauche ich auch und der geht dann rüber und lässt meinen Nachbarn seine eigene Anlage fressen. Ey, was hat der genommen?! Hat er Schlafstörungen, Liebeskummer oder einfach einen Knall?? Der hat die ganze Nacht gearbeitet, der muss doch müde sein, warum schläft der nicht?

Um sieben Uhr: Plötzliche Stille. Entweder er ist eingeschlafen oder zusammengebrochen. Ich bin hellwach. Ich stehe auf und gehe duschen. Hotti und Lotti schlafen friedlich. Einkaufszettel für Drogerie: Ohropax für mich, eine Zehnerpackung Hopfen-Baldrian-Dragees für meinen Nachbarn.

Wie war die Woche, Liebling?

Es ist zwar erst Donnerstag, innerlich habe ich diese Woche allerdings bereits abgehakt und würde gerne zur nächsten übergehen. Zeit also für einen kleinen Rück- und Ausblick.

Montag: Tschüss Auto
Die Woche beginnt mit einer qualmenden und nach Schwefel stinkenden Autobatterie (vier Monate alt) und das einen Tag, bevor ich mit meinen werten KollegInnen Frau Dr. Sprite und Mr. Sonic zu einem Workshop im Siebenzwergegebirge fahren soll. Leider kann mir keiner der vier Autohelden, die ich zur Rettung von R2D2 (mein Auto, 17 Jahre alt) bemühe, spontan wirklich weiterhelfen. Die Ferndiagnosen reichen von Kurzschluss über Marder bis hin zum Lichtmaschinenregler. Mein Haus- und Hofmechaniker ist leider für die nächsten zehn Tage verhindert, also gibt mir eine Freundin die Nummer ihres Haus- und Hofmechanikers. Wie sich herausstellt, handelt es sich dabei um denselben.

Dienstag: Ein Käfig voller Narren
Wir fahren also mit einem anderen Auto zum Workshop ins Siebenzwergegebirge. Offizielles Thema ist „Laubsägearbeiten – früher und heute“, aber darum geht es nicht. Man fragt sich, warum man sich inhaltlich vorbereitet hat und nicht psychisch und kampftechnisch. Der Raum ist voll von Profilneurotikern, die den Mund nicht zubekommen, das Seminar eine Plattform für lauter kleine Egomanen. Ich komme mir vor wie zu Hause: ICH!! Nein, ICH!! IIIIICH!!!!!! Willichnicht!!! Willnichtwillnichtwillnicht!!!!!!! Dagegendagegendagegen!!! Du bist sooo blöööd!! Ich mach nicht mehr mit!!!! 55jährige Männer, die sich aufführen wie Dreijährige, das ist nicht schön.

Mein persönlicher Tiefpunkt ist erreicht, als der Seminarleiter mich beiseite nimmt und fragt, ob diese Augen lügen könnten. Erschrocken drehe ich mich um, möglicherweise steht jemand neben mir, den ich übersehen habe, ich sehe aber niemanden, er muss meine Augen meinen, aber wieso sollten diese lügen können, mir ist der Sinn seiner Worte überhaupt nicht klar, also stammele ich eine Antwort, die irgendwo zwischen „Auf gar keinen Fall!“ und „Gar keine Frage!“ angesiedelt ist, und flüchte mich zu meinen KollegInnen in die Raucherecke (nachträglicher Vorsatz für 2010: Dringend wieder mit Rauchen anfangen!!!). Nach einem Tag unter hochgradig psychisch Auffälligen möchte ich nur noch schlagen.

Mittwoch: Tschüss Computer
Mein Laptop verabschiedet sich. Immer, wenn er sich anhört wie ein Staubsauger, weiß ich, er raucht gleich ab, spätestens in zwei Minuten. Ich hasse diesen Sound. Organisiere Auto, um am nächsten Tag zur Arbeit zu fahren.

Donnerstag: Tschüss Gesundheit
Habe mit Fanta ein hochdiffiziles Autoarrangement ausgetüftelt inklusive Kinderbetreuung und -logistik, um entspannt (HA!) arbeiten zu können. Nach zehn Minuten auf der B 12784563 stelle ich fest: Ich bin krank. Hatte ich komplett ausgeblendet. Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, dröhnende Kopfschmerzen, ich drehe um, fahre heim, lege mich ins Bett und stehe erst wieder auf, als ich Hotti und Lotti von ihren Freundinnen holen muss.

Donnerstagabend: Hallo Außerirdische
Habe fremde Lebensformen in meinem Badezimmer entdeckt. Sie benehmen sich unflätig, grölen lautstark Lieder (klingt nach AC/DC) und haben Klorollen-Rüssel im Gesicht. Es entbrennt ein Machtkampf darum, wer zuerst aufs Klo darf. Sie rüsseln sich gegenseitig weg von der Toilette hin zur Badewanne, schließlich gewinnt das mit dem stärkeren Rüssel. Lese den Extraterrestrianern Schneeweißchen und Rosenrot vor („Ich bin Schneeweißchen!“ „Nein, ICH!“), nicke dabei weg, werde unsanft in die Rippen gestoßen, frage mich, was so schlecht an Rosenrot ist, lese fertig, Stimme verabschiedet sich. Zeit für mich ins Bett zu gehen.

Freitag bis Sonntag: Wünschdirwas
Schlafe durch bis Sonntag. Zwei brave, gekämmte, stille Mädchen bringen mir um 12 Uhr mittags leise eine große Tasse Milchkaffee ans Bett, dazu ein Hörnchen, frisch vom Bäcker, und schleichen auf Zehenspitzen ins Kinderzimmer zurück, um dort ruhig, gesittet und friedlich bis zum Abendessen zu spielen, das selbstverständlich sie anrichten. Ich lese mein Buch fertig (Working Mum, HA! Liest sich wie mein eigenes Tagebuch.), schaue eine DVD nach der anderen und träume vom Sommer.

Mein Kind ist geiler als dein Kind

Wer kennt das nicht: Stolze Supereltern von kleinen Genies, deren Namen man nicht aussprechen kann, die schon als Baby mit Milchschaum der elterlichen Latte Macchiato vollgestopft und buchstäblich von kleinst auf mit hyperpädagogischen Förderprogrammen überfordert werden (Stichwort pränatale Sinologie-Kurse), Supermamas und Spitzenpapas von Wunderkindern, die sich mit „Themen“ beschäftigen (Das ist gerade Thema beim Robert.), zweisprachig erzogen werden, obwohl beide Elternteile deutsch sind und die einfach so viel geiler sind als all die anderen Deppenkinder dieser Erde. Hier das Lied für alle Eltern, Nichteltern und alle, die es werden bzw. bleiben wollen: Mein Kind ist geiler als dein Kind.