Me, myself and I

Wie machst du das nur?

Kinder werden ja von morgens bis abends gelobt. Teilweise auch für banale Kleinigkeiten und über den grünen Klee, aber egal, Hauptsache, sie erlangen am Ende ein positives Selbstbild samt gesundem Selbstwert, Stichwort Resilienz. Das ist aber ein schönes Bild! Großartig, wie Du Dir immer die Zähne putzt! Du sitzt auf dem Klo und hast Kacka gemacht? Sensationell! Weiter so! Ist man erwachsen, sieht das Ganze schon anders aus. Keiner klopft einem anerkennend auf die Schulter, wenn man zwischendurch mal im Schneegestöber mit eisstarren Fingern und erstmals (!) die Glühbirne des vorderen rechten Autoscheinwerfers erfolgreich (!!) austauscht, und niemand findet auch nur ein Wort des Lobes, wenn man regelmäßig und fließbandartig sechzig (!!!) Finger- und Fußnägel auf Normalmaß zurückkürzt. Es honoriert auch niemand, dass man seinen Weihnachtsbaum rechtzeitig beim CVJM zur Abholung anmeldet oder das eigene Kind beim Turnkurs – ganz zu schweigen von täglichen Glanzleistungen wie Kochenputzenwascheneinkaufen, Arbeiten, Kinderbespielen, kreativer Selbstverwirklichung und Soziallebenaufrechterhalten.

Wer, wann, wo, wenn nicht ich, jetzt und hier?

Aus diesem Grund halte ich es an dieser Stelle für angemessen, wenn nicht überfällig, eine Lobeshymne auf die Person anzustimmen, die es schon lange verdient hat und ohne die unser überaus harmonisches Familienleben samt reibungslosen Abläufen nicht möglich wäre, nämlich mich:

Hochverehrte und überaus geschätzte aktuelle!

Guten Morgen, Liebling!

Ich finde es grandios, wie du dich auch nach der 2196. kinderbedingten Horrornacht jeden Morgen aus dem Bett quälst, um eben diese Kinder mit einem verzerrten Lächeln im Gesicht zu wecken, ihnen Frühstück zu machen, die Zähne zu putzen und den Turnbeutel hinterherzutragen. Es ist triumphal, wie Du es trotz allmorgendlicher Schlammschlachten in Kinderzimmer, Küche und Bad schaffst, meistens pünktlich auf der Arbeit zu erscheinen und nach einem langen Arbeitstag beim allabendlichen dadaesken Rückwärtsprogramm in Küche, Bad und Kinderzimmer recht häufig die Nerven zu behalten. Ich bin beeindruckt, wie du jeden Morgen zwischen Tür und Angel die Überschrift der Tageszeitung liest, und preise die Demut, mit der du täglich mindestens eine Sorte Müll drei Stockwerke nach unten trägst.

Deine Nudeln mit Pesto sind eine Sensation

Die stoische Disziplin, Ausdauer und Kreativität, mit der du regelmäßig Nahrung beschaffst und zubereitest, suchen ihresgleichen, ebenso wie die Geduld und das Verständnis für das verlässlich einsetzende Kinder-Essen-Genörgel. In diesem Zusammenhang wollte ich dir schon lange sagen, dass deine Nudeln mit Pesto eine Sensation sind. Und ich fand es über die Maßen bewundernswert, wie du neulich die Spielsachen nicht aus dem Fenster geworfen hast, nachdem die Kinder auch der 172. Aufforderung zum Aufräumen nicht nachgekommen sind. Das muss dir erst einmal jemand nachmachen!

Danke auch, dass du in deiner kostbaren Freizeit erneut die Pestizidkeule über Deiner Freundin Fanta geschwungen hast, um auch der letzten Laus den Garaus zu machen. Von dir organisierte Kindergeburtstage sind Erfolgsgeschichten, Deine Weihnachtsplätzchen eine Wucht und dass du seit zwei Jahren die Bastelnachmittage im Kindergarten und Elternstammtische der Schule schwänzt, ist absolut verzeihlich. Den Gipfel der Unglaublichkeit aber erreichst du, wenn du es nach einem Tag, den die Welt nicht braucht, auch noch fertig bringst zwanzig Minuten Hausfrauengymnastik zu absolvieren. Sag: Wie machst du das nur?

Winterblues

Die Leute können einfach nicht mehr.

Ist dieser Winter ätzend. Nie kam mir ein Winter auch nur ansatzweise so laaaaaaaaang, so troooostlooooooos und so äääääätzend vor wie dieser. Er ist definitiv der Schlimmste, an den ich mich erinnern kann, nicht objektiv wegen ungewöhnlich häufig auftretender Schneestürme, Lawinenunglücke und ähnlicher Katastrophen, nein, rein subjektiv. Plötzlich verstehe ich, warum die Menschen vor allem im Winter sterben, warum sie sich vor allem im Winter das Leben nehmen, und warum sie vor allem gegen Ende des Winters komplett durchdrehen, nämlich an Fasching. Pure Psychohygiene. Sinn und Zweck dieses seltsamen Festes hatten sich mir bis heute nie erschlossen, rein verstandesmäßig schon, Winter austreiben und so, aber so richtig war der Groschen nicht gefallen. Bisher wertete ich dieses Ritual als wilden Ausdruck eines primitiven Mittelalteraberglaubens, jetzt denke ich: Die Leute können einfach nicht mehr!

Der Osterhase steht noch lange nicht vor der Tür.

Die Zeitspanne zwischen Weihnachten und Ostern ist einfach zu lang, um sie psychisch unbeschadet durchzustehen. Weihnachten ist gefühlte Ewigkeiten her, der Osterhase steht noch längst nicht auf der Matte, draußen ist es nass, kalt und ekelhaft, man möchte endlich wieder ohne hochgezogene Schultern, blaugefrorene Lippen, fünf Lagen Kleidung und Mundwinkel wie unsere Kanzlerin herumlaufen und sehnt sich nach Leben, Lust und Leichtigkeit, nach Jubel, Trubel, Heiterkeit, ja sogar nach der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft.

Man ist fett, unzufrieden und unbeweglich

Man ist fett gefressen von Weihnachten, unzufrieden mit der eigenen Nichtbewegung und entsprechendem Nichtkörpergefühl, man erträgt das Pisswetter nicht mehr, zu Hause fallen einem die Kinder und die Decke auf den Kopf, vom Eise befreit sind Strom und Bäche noch lange nicht, vielmehr hängen einem Schnee, Matsch und Eis zum Hals heraus. Das Auto springt wegen der Kälte nur sporadisch an, das Autoradio mittlerweile ebenfalls, die Bundesstraße 12784563, auf der ich einen Großteil meines Lebens verbringe, um zur Arbeit zu gelangen, ist mit seinen zugeschneiten Kerosinkohlfeldern noch deprimierender als ohnehin schon, mein vorderes rechtes Licht ist kaputt, ich muss zum Baumarkt oder zur Tankstelle und eine neue Glühbirne kaufen, aber das ist wieder etwas anderes.

Helau!!

Die Kinder hauen einem bereits morgens Schneeanzüge und gefütterte Matschhosen um die Ohren, weil sie im dünnen Sommerkleidchen in den Kindergarten wollen, ja glauben die denn, ich hab mir die Scheiße ausgedacht?? Wenn das so weitergeht, sehe ich mich zu Fasching als kreischendes Funkenmariechen Krawatten abschneiden, Bonbons werfen und schunkelnd und zotenreißend über Tische springen. Helau!!

Abfahrt!

Hurra, es hat geschneit!

Hurra, es hat geschneit! Mit unserem nagelneuen Dreier-Schlitten vom Christkind, dem uralten Zweier vom letzten Jahrtausend, zwei Popo-Rutschen und den Salvatores stürmen Hotti, Lotti und ich den Mount Österreich, den Hausberg unseres idyllischen Städtchens Lingendingen. Die Salvatores sind: Giannini, meine weise Freundin mit dem Klo-Tipp für Silvester, Lorenzo, ihr charmanter Mann und exquisiter Koch, Luigi, der Erstgeborene und Rennfahrer sondergleichen, Pannini, bester Karussellanschubser- und Bauernhoffreund von Hotti, Esmeralda, ein ausgemachtes Energiebündel, das noch durchs Haus tobt, wenn ihre Mutter nachts um zwei auf dem Bügelbrett einschläft, und Popeye, der gutmütige Eisbärhund. Letzterer sieht tatsächlich aus wie ein Eisbär, auf der Piste ist er quasi unsichtbar, und es grenzt an ein Wunder, dass er den Tag ohne auch nur eine Kufe in den Rippen übersteht.

Kreischende lila Streifen fliegen an mir vorbei

Die Piste ist bockelhart, erdverkrustet, sausteil und geht ab wie Schmidts Katze. Während von Hotti den ganzen Tag nur kreischende lila Streifen an mir vorbeifliegen: „MAAMMMMAAAA, VON GAAAANNZ OOOOOBEEEEEEN!!!!!!!“, tastet Lotti sich Hügelchen für Hügelchen den Mount Österreich empor. Jede Abfahrt ein Hügelchen weiter nach oben. Schließlich fahren auch wir VON GAAAANNZ OOOOOBEEEEEEN, auch wir kreischend bis zum Asphaltweg und Pistenende, und Lotti kommt zum Ergebnis: „Ich hab zwar Angst, aber es macht total Spaß!“ Eine sehr gute Einstellung, wie ich finde, nicht nur zum Rodeln im Speziellen, auch zum Leben im Allgemeinen: „Ich hab zwar Angst, aber es macht total Spaß!“

Wir brauchen Bobs!

Als Luigi vorschlägt ein Rennen zu fahren, äußert Lotti zwar Vorbehalte („Ich renn nicht, ich fahr lieber.“), macht aber trotzdem mit. Luigi nimmt den Bob und wird erster, Lotti und ich mit Schlitten zweite, Lorenzo dritter. Nochmal! Beim Abschlussrennen nehmen Lotti und ich den Bob, das geht ab, und werden erste, Giannini schanzt, ebenfalls mit Bob, drei Meter und taucht erst etwas später wieder auf, Lorenzo ist unauffindbar. Am Ende des Tages steht fest: Man hat Angst, es macht Spaß, und wir brauchen Bobs!

Waterloo

Abfahrt ins Nordhaus!

In einer Leistungs-gesellschaft wie der unseren unterliegen gesellschaftliche Festi-vitäten wie Geburtstage, Weihnachten, Ostern und bald vermutlich auch der Buß- und Bettag streng dem Leistungsdiktat und müssen entsprechend erfolgreich und dynamisch, mindestens aber glücklich und harmonisch begangen werden. Das gilt natürlich erst recht für Silvester. Unter einer knackig-krachenden Fete mit 100 gutgelaunten Leuten, einem exklusiven Urlaub in einem exotischen Feriendomizil oder auch einem gediegen-idyllischem Jahreswechsel auf irgendeiner Waldlichtung mit Lagerfeuer und entferntem Feuerwerk am Horizont läuft gar nichts. Wer das nicht auf die Reihe bekommt, ist ein Versager.

Ich habe versagt

Umso mutiger zuzugeben, wenn ein Fest, nennen wir es aus gegebenem Anlass Silvester, so richtig in die Hose geht. Um einem meiner Lieblingsmottos (Jeden Tag eine mutige Tat) auch 2010 die Treue zu halten, beginne ich dieses blütenreine, taufrische und erfolgversprechende neue Jahr mit dem Bekenntnis, dass der hinter mir liegende Jahreswechsel mit Abstand der katastrophalste und erfolgloseste meines bisherigen Silvester-Lebens war. Ein Desaster.

Das kam so: Ich hatte Hotti und Lotti erfolgreich zu ihrem Vater organisiert, um mal wieder ein Silvester richtig abfeiern zu können. Dabei hatte ich leider übersehen, dass sich sämtliche meiner FreundInnen ebenfalls erfolgreich wegorganisiert hatten: zum Hops-Kurs nach Bayern, mit Freunden nach Italien (2x), zur Schwitzhütte nach Buxtehude, mit Schnucki zu Kollegen und der Rest „ganz gemütlich zu Hause mit der Familie“. Super Sache. Macht nichts, denke ich, Du bist groß, Du bist erwachsen, Du bist mutig und zu allem entschlossen, gehst Du eben alleine tanzen. Zur Silvesterparty ins Nordhaus, einer beliebten Kulturstätte mit Tanz und Kneipe. Dort triffst Du vermutlich eh Hinz und Kunz, Abfahrt!

Ein Obdachloser steht vor mir: Coole Frisur!

WEIT gefehlt. Ich treffe weder Hinz noch Kunz, sondern nur 150 20jährige und 20 150jährige inklusive mir. Das Flair einer Abi-Party. Um die Situation zu entemotionalisieren, bemühe ich mein Heilig-Abend-Mantra: Es ist einfach nur Donnerstag (nicht Silvester), und ich will einfach nur tanzen. Und um zwölf werde ich mich, dem Rat meiner weisen Freundin Giannini folgend, auf dem Klo verbarrikadieren und danach weitertanzen.

Doch es kommt anders. Als ich mich um zwölf auf dem Klo verbarrikadieren will, bittet mich die Security freundlich, aber bestimmt in den Hof, sie schlössen jetzt ab, und zwingt mich, mir Horden von blendend gelaunten, glücklichen, knutschenden, sich in den Armen liegenden 20jährigen beim Silvesterfeiern zuzuschauen.

Es kann nur besser werden - oder?

Als ich denke, schlimmer kann es nicht mehr kommen, steht plötzlich ein 150jähriger Obdachloser vor mir und sagt: Coole Frisur! Schlimmer geht immer, auch 2010. Den Todesstoß versetzen mir schließlich drei Mädels eine Stunde später, indem sie mich in der Warteschlange vor dem Klo anstrahlen: Wir müssen gar nicht, gehen Sie ruhig vor! Frohes neues Jahr. Nach diesem Silvester kann es eigentlich nur besser werden – oder?

Surviving Christmas

Weihnachten: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
Bild: probek, Lizenz: cc

Weihnachten ist ja nichts für Weicheier, sondern vielmehr ein Experiment mit offenem Ausgang. Und man fragt sich, alle Jahre wieder, was in Gottes Namen die Menschen sich bei diesem Fest eigentlich gedacht haben. Möglicherweise haben sie gar nicht gedacht. Möglicherweise ist Weihnachten aber auch nichts anderes als ein kollektives Prämenstruelles Syndrom (PMS): Alle sind reizbar, dünnhäutig, aggressiv oder depressiv, die einen möchten saufen und schlagen, die anderen saufen und heulen, es wiederholt sich zyklisch, und alle hoffen, dass es möglichst schnell vorbei geht. Es ist eine Zeit des Durchdrehens, kein Spaß.

Weihnachten: Erbauung, Tsunami, Gemeinschaft

Da ich dieses Jahr ohnehin nicht in the mood komme (vgl. Advent I-IV/wunderbra), beschließe ich mich emotional auszuklinken und den anderen beim Durchdrehen zuzuschauen. Mein entsprechendes Mantra für den Heiligen Abend: Es ist Donnerstag, und ich verbringe Zeit (egal wie). Dieses Mantra ist es auch, dass mich den 60minütigen Familiengottesdienst mit Krippenspiel überstehen lässt, bei dem Lotti mit einem 60minütigen Zornanfall glänzt, und von dem ich mir ursprünglich 60 Minuten meditative Erholung und Erbauung für die letzte Runde des Abends versprochen hatte. Normalerweise hätte ich vermutlich stinksauer die Kirche verlassen, und das Christkind sämtliche Weihnachtsgeschenke für Lotti wieder mitgenommen. So lehne ich mich entspannt zurück und denke: Es ist Donnerstag, und ich verbringe Zeit (egal wie). Vom Krippenspiel verstehe ich kein Wort, vom Gottesdienst nur die Worte Tsunami, Katastrophe, Gemeinschaft, und das hatte ich schon drei Tage vorher auf Breitwand.

2012: Schrott und Asche

Bang.
Bild: veo, Lizenz: cc

Am 21. Dezember 2009 war ich, wie so oft meiner Zeit um Längen voraus, in 2012, in dem am 21. Dezember dank Roland Emmerich die Welt untergeht. 158 Minuten Totalkatastrophe, in jeder Hinsicht. Nach einer Stunde fragt man sich, was jetzt noch in Schutt und Asche gelegt werden kann, nachdem bereits Amerika und der Rest der Welt Geschichte sind. Erdbeben, Tsunamis, Feuerbälle, Explosionen, die übliche Apokalypse eben.

Der Film lässt, wie erwartet, kein Klischee aus: Der Quotenspinner, der Quotenrusse, der Quotenböse, und der böse Quotenrusse. Auch sonst bleibt 2012 vollkommen langweilig. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist, Überraschung, nicht nur der Gute, sondern auch afroamerikanischer Herkunft, der potenzielle zukünftige Präsident der neuen Weltgemeinschaft übrigens auch. Die Frauenquote lässt wie immer Wünsche offen, die klassischen Sparwitze und grottenschlechten Dialoge möchte man gar nicht erwähnen. Die größte Überraschung des Films liegt darin, dass Gordon und Tamara am Ende kein glückliches Paar werden, sondern sterben müssen. Für alle, die den Film noch sehen wollen: Gordon und Tamara sind nicht die Hauptschnuckis, und es gibt am Schluss ein anderes neues altes Traumpaar, wieder Überraschung.

Woher nimmt der Schluffi seine Kondition?

John Cusack als Weltretter ist eine eher ungewöhnliche Besetzung, er kommt ja meistens doch eher als liebenswerter Schluffi von nebenan daher. Entsprechend unglaubwürdig daher auch, wenn er minutenlang unter Wasser bleibt, um Schiffsschleusen zu reparieren, wo er doch sonst den ganzen Tag als erfolgloser Autor am Laptop sitzt und eigentlich über keinerlei Kondition verfügen dürfte. Zumindest bei mir ist das so. Ansonsten ist der Film einfach nur voraussehbar dämlich, jedes weitere Details überflüssig. Fazit: Wenn man sich diese Weihnachten eins schenken kann, dann diesen Film.

Der vierte Advent: Bug-Busting

Kopflaus (Pediculus humanus capitis)

Kopflaus (Pediculus humanus capitis)

Nach einer Woche schlafloser Nächte, in denen Euch nur die Frage umgetrieben hat, welche Katstrophen sich wohl am letzten Sonntag vor Weihnachten im Hause Aktuelle ereigneten, hier nun die letzte Folge unserer launigen Adventsreihe O Du Fröhliche. An diesem Wochenende habe ich es nicht nur geschafft, fünf Weihnachtspäckchen rechtzeitig zur Deutschen Post und ihren Rentieren zu schleppen sowie letzte Geschenke zu besorgen, nein, ich war auch auf einem sehr geilen Konzert, Frühstücken mit Ma Baker, habe mit Robbie (Williams) geputzt und geduscht sowie mit meiner Freundin Fanta und einem gepflegten Gläschen Sherry die dritte Staffel Sex and the City genossen. Eine Erfolgsgeschichte. Diesmal ungelogen!

Läuseeier überstehen mühelos Atomkatastrophen

Eine Entlausungskur und der Tag ist gelaufen.

Eine Entlausungskur und der Tag ist gelaufen.

Aber das Leben wäre natürlich nicht das Leben, wenn es nicht selbst am harmonischsten Vorweihnachtswochenende einen Knaller auf Lager hätte. Da sitze ich also Samstagabend gemütlich mit Fanta auf dem Sofa, trinke Sherry und schaue Carrie und ihren Freundinnen beim Sex in der City zu, da meint Fanta: „Wir haben Läuse.“ „Wir“ sind in dem Fall Fanta und ihre drei Kinder, Mulle, Rulle und Wulle, Läuse dagegen ekelhafte Mistviecher, die ihre Eier auf anderer Leute Köpfe ablegen, und es ist eine Drecksarbeit, sie wieder loszuwerden. Man muss nicht nur Betten abziehen und tonnenweise Wäsche waschen, sämtliche Stofftiere und andere Textilien eintüten und tagelang tiefgefrieren, man muss vor allem auch die befallenen Köpfe einer stinkigen und giftigen Entlausungskur unterziehen. Das erfordert Zeit, Geduld und Nerven, der Tag ist gelaufen.

Wir fallen in einen kollektiven Vollrausch

Am nächsten Tag, es ist, natürlich, der vierte Advent, rückt das Sondereinsatzkommando Bug Busters den Parasiten mit Chemikalien zu Leibe, deren Geruch uns sofort in einen kollektiven Vollrausch versetzt. Wir kämmen riesige Läuse aus den Haaren, die wir mit Tesafilm fixieren und zu Forschungszwecken an die strahlend weißen Badezimmerkacheln kleben, da kommen sie besonders gut zur Geltung, und wir kämmen Nissen aus den Haaren, die dort von den Läuseeltern mit Superläusespezialkleber derart liebevoll befestigt wurden, dass sie ohne Not eine Atomkatastrophe überstehen würden, ohne abzufallen. Das Ergebnis: Bei Mulle zählen wir 55 Tierchen, bei Fanta 32, bei Rulle lediglich eine Nisse, bei Wulle gar nichts, er hat verloren, aber es stört ihn nicht sonderlich. Als eine Nachbarin klingelt, um einen festlichen Eisstern mit Kerze vorbeizubringen, wird sie an der Tür von Mulle und Rulle abgefangen: „Wir haben ganz viele Läuse an die Wand im Bad geklebt! Willst Du sie mal sehen?“ Mich juckt es auch schon überall.

Rocken

brasspunkmaniacs2Was machen sechs Blechbläser und vier Punkrocker auf einer Bühne? Das Haus rocken natürlich, und wie. Am Freitag ließen es die Louisiana Funky Butts zusammen mit The Renderings als Brass Punk Maniacs krachen und boten eine wilde Mischung aus New Orleans-Dixie-Rock, Latino Groove und Punkklassikern von den Ramones, Sex Pistols, The Clash u.a. Nie hat man Oh when the saints so abgehen hören, selten so experimentelles Französisch vernommen. Fetter Sound, sehr nette Band(s) und ein rundum glückliches Publikum. Mehr!

Advent III

schneemann2Was mag wohl der dritte Advent dieser Familie am Rande des Nervenzusammenbruchs beschert haben?, fragt sich die geneigte Leserschaft, sind sie alle noch vor dem Kaffeekränzchen mit Laserschwertern aufeinander losgegangen, so dass nicht nur die Nachbarn zum Beherzten Eingreifen gezwungen waren, sondern neben Polizei und Jugendamt auch gleich der Notarztwagen aufkreuzte, und morgen steht dann alles in der Zeitung:

Adventssonntage nichts für Zartbesaitete: Familie dreht durch

Nichts dergleichen. Idylle pur. Netter Kinderbesuch, gepflegtes Sternchenausschneiden und Schneemännerbasteln, gediegenes Bratäpfelbacken mit Vanillesoße, Weihnachtsmarkt mit Kinderkarussell und Lebkuchenherzen: Schnucki und Bienchen. Bilderbuch. Friede, Freude, Fefferkuchen. Eine andere Welt ist möglich.

Ihr werdet sagen, ich lüge. Stimmt. Ersetzt nett, gepflegt und gediegen mit laut, wild und dreckig, dann wird ein Schuh draus. Immerhin konnte ich mich auf dem Weihnachtsmarkt gegen zwei falsche Weihnachtsmänner mit Spongebob-Gasballons behaupten. Ansonsten: Ein weiteres vollkommen normales Wochenende mit zwei entzückenden kleinen Kindern, die alles wollen und zwar sofort, und einer Mutter, die dazu nicht bereit ist. Ein weiteres Wochenende, an dem man am liebsten alleine frühstücken gehen würde, Hotti ihre kleine Schwester hochkant aus dem Zimmer wirft, Lotti auch den fünfundzwanzigsten Trotzanfall nicht auslässt und beide Kinder das Essen zurück auf den Teller spucken. Die lieben Kleinen. Wir warten mit Hochspannung auf den vierten Advent, wenn es wieder heißt: Gnadenbringende Weihnachtszeit.

lebkuchenherzen2

Hinten oder: Bleibt alles anders

Bild: QuiXOs³, Lizenz: cc

Ist 34 wie 17? Wenn nein, was ist dann anders, und wenn ja, wie hoch liegen dann die eigenen Entwicklungschancen? Die Wahrheit liegt mal wieder irgendwo dazwischen. Nein, 34 ist nicht 17. Das Bindegewebe ist nicht mehr dasselbe, das Nervenkostüm auch nicht, und wenn man eine Nacht lang feiern geht, muss man drei Tage lang dafür bezahlen. Man träumt nicht mehr ungetrübt vom Weltfrieden, besetzte Häuser und alternative Wohnprojekte sind nicht mehr die ultimative und einzig vorstellbare Lebensform, Arbeiten und Geldverdienen tun auch weniger weh als man mal dachte, man weiß, dass Tübingen und Thüringen nicht identisch sind, und sagt Sätze wie „Du machst das jetzt, WEIL ICH ES SAGE, VERSTANDEN?!“

Und ja, manche Dinge ändern sich offensichtlich nie. Nazis findet man noch genau so doof wie früher, man weigert sich weiterhin hartnäckig zu glauben, Atomkraft sei die beste Energiegewinnungsmethode, und man hegt nach wie vor die angesichts der Realität absurde Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird. Und warum sonst sitzt man in betrieblichen Versammlungen, Elternabenden und ähnlich spannenden Veranstaltungen noch immer in der letzten Reihe? Genau wie damals, in der Schule. Hinten: befremdet, angeödet, der Sinn will sich einem nicht erschließen. Man lacht noch immer an den falschen Stellen und ist betroffen, wenn von vorne Witze kommen. Man denkt daran, dass man aufs Klo muss, und man wünscht sich mindestens in die Raucherecke.

Zurück zur Ausgangsfrage, nämlich, ob sich manche Dinge niemals ändern und wir am Ende alle nur große Teenager sind. Ob die Rolle, die man einmal hatte, an einem klebt wie Pech und Schwefel, Teer und Federn. Wenn ja, dann werden wir vermutlich auch noch in der Seniorenresidenz, wenn die Pflegeleitung die Marschrichtung für das neue Jahr verliest, hinten sitzen, in der letzten Reihe, wie damals in der Schule, befremdet, angeödet und fassungslos angesichts der Gehirnwäsche, die von vorne kommt. Während wir darauf warten, dass uns der Zivi hoffentlich bald in die Raucherecke schiebt.