Auf die Pferde!

Wichtige Information vorab

Da Wolverine aka Batman sich im Laufe der vergangenen 23 Monate zum Herzallerliebsten der aktuellen gefledermausert hat, wird er im vorliegenden Veröffentlichungsmedium hinfort nicht mehr als Wolverine auftreten, sondern nunmehr und für alle Zeiten als: Chéri (le vrai). Nur dass hier keine Missverständnisse aufkommen.

Aussichtsreiche Radtouren, herrliche Naturlandschaften

In den letzten drei Tagen machen es sich David Hasselhoff und Pamela Anderson an der Slipanlage gemütlich.

In den letzten drei Tagen machen es sich David Hasselhoff und Pamela Anderson an der Slipanlage gemütlich.

Für die Pfingstferien habe ich mir für unsere entzückende kleine Patchworkfamilie etwas ganz Besonderes ausgedacht: pädagogisch und sportlich wertvolle Radtour zum Podensee, schnuckeliger Bauernhof mit zauberhaften Tierchen (Ponyreiten), aussichtsreiche Touren in herrlichen Naturlandschaften. Mir schwebt ein Urlaub vor, an den vier alle noch im hohen Alter denken werden. Werden wir womöglich auch. Chéri, der bei uns für die Realität zuständig ist und als professioneller Familienhelfer mit der Lizenz zur Freizeitgestaltung glücklicherweise über einige Erfahrung in sozialer Gruppenarbeit verfügt, stutzt das von mir erstellte Programm auf Kindermaße zurecht, setzt ein Zugticket für die erste und schlimmste Etappe durch und verhindert so im Vorfeld womöglich den einen oder anderen Kreislaufzusammenbruch.

Radeln und maulen

Am Bahnhof wirft Lotti erst mal ihr Fahrradschloss auf die Gleise unter den Zug, und weil wir auf Reisegold verzichtet haben, muss sie sich aufgrund der Neigetechnik übergeben. Nach vier Minuten Radeln hat Lotti einen Stein im Schuh. Beide Damen klagen über Mückenstiche und darüber, dass das Kühlgel zu Hause vergessen wurde. Ich empfehle Spucke für die Stiche und verweise darauf, dass es „bei uns“ schließlich auch kein Kühlgel gegeben habe. Lotti kontert, dass sie und ihre Schwester „ja auch nicht aus dem 19. Jahrhundert“ kämen. Nach zwanzig Minuten haben sie keine Lust mehr auf Radfahren und fangen an zu maulen.

So geht es weiter, tagelang. Wir radeln und sie maulen. Auf unserem Bauernhof in Daisydorf, der auf einem steilen Berg außerhalb der Zivilisation liegt, gibt es keine zauberhaften Tierchen, Ponyreiten auch nicht. Außerdem wollen die Grazien lieber eine Villa am See, von wo aus sie direkt zum Shoppen oder Schwimmen können. Als zutiefst überraschend und ungerecht wird zudem empfunden, dass man selbst im Urlaub seinen Teller abräumen muss. Halte ich anfangs gut gelaunt die Schaut-doch-mal-wie-schön-das-hier-alles-ist-Fahne hoch, werfe ich den Damen schließlich bar jeder Contenance vor, dass ich mir das alles aber echt anders vorgestellt hätte und dass ich dachte, sie würden sich freuen – über so einen tollen Radurlaub. Und so. Das Gewitter hilft kurzfristig und sie heucheln sportlichen Ehrgeiz sowie aufrichtiges Interesse an den herrlichen Naturlandschaften.

Freilaufende Riesengehirne

Horrorhasen im Haustierzoo: Streicheln, lachen, staunen.

Horrorhasen im Haustierzoo: Streicheln, lachen, staunen.

Aber es ist nicht alles schlecht. So radeln wir in Ermangelung putziger Tierchen auf dem eigenen Bauernhof in den nächsten Streichelzoo („Streicheln, lachen, staunen“), essen Schnitzel und Lotti entdeckt freilaufende Riesengehirne. Wir schaffen es, die hässlichsten Rastplätze der Welt auszumachen, und Chéri überrascht mich, indem er nicht nur den Radprofi und Routenplaner, sondern auch den Klugscheißer in sich auspackt: Bergauf, bergab referiert er über Höhenmeter, Kraftumsetzung, Hebelwirkung sowie diverse geografische Gegeben- und Besonderheiten („Rhein rein, Rhein raus!“). Wir beobachten Störche und Fledermäuse, zählen Kuhherden und Mückenstiche, überfahren die Schweizer Grenze und besuchen Horny Tawny in ihrer neuen Zwangsheimat.

In der zweiten Wochenhälfte macht dann endlich eine Hitzewelle alleine den Gedanken an jede größere Tour obsolet. Wir lassen uns drei Tage im Strandbad nieder, stopfen uns mit Eis und Pommes voll und bewachen als Baywatch-Team von der Slipanlage aus Hotti und Lotti, die stundenlang kreischend vom Sprungturm in den See hüpfen. David Hasselhoff lässt sich gar zu einer Runde Schweinchen-in-der-Mitte herab. Und am Ende der Woche treibt es mir nahezu die Tränen in die Augen, als Hotti und Lotti sagen: „So schlimm war es gar nicht.“

Nachklapp

Als uns nach unserem Urlaub Hottis Freundin Annika besucht und ich sie frage, ob sie und ihre Familie nicht auch mal mit den Rädern zum Podensee gefahren wären, antwortet sie mit Grabesstimme: „Ja, wir mussten das auch mal machen.“

Wow!

vierzig
Vor meinem vierzigsten Geburtstag drückt der Große Geist noch einmal richtig auf die Tube. Man könnte auch sagen, er legt sich mächtig ins Zeug, gibt ordentlich Gas, lässt nichts anbrennen, großes Kino, Pauken und Trompeten, vom Feinsten, think big, kurz: er gibt alles.

Als ich bockige fünfzehn Jahre alt war, waren gerade Perestroika und Wind of Change, und ich hatte ein Vorbild: Gabriele Krone-Schmalz, „die erste Frau im ARD-Studio Moskau“. Gabi erklärte uns Deutschen aber nicht nur allabendlich Gorbi und die Situation vor Ort, nein, sie war auch um die vierzig, hatte streichholzkurze graue Haare und wirkte unfassbar seriös, souverän, gelassen und abgeklärt. Wenigstens sie schien die Dinge, vermutlich nicht nur in Moskau, voll im Griff zu haben. Damit hatte ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie frau mit vierzig Jahren so ist, und eben diese Zielmarke ließ ich in den letzten 25 Jahren keine Sekunde aus den Augen.

Wie Gabi in Moskau

So wurschtelte ich mich durch die Pubertät, die Adoleszenz, das Studium und wenn mich die Arbeit, schlaflose Babynächte, Trotzphasen und vorpubertäre oder andere irdische Unflätigkeiten mal wieder aus der Balance zu bringen drohten, stellte ich mir vor, wie ich eines Tages glorreich und mit wehenden Fahnen durch die 40er-Banderole stürmen und im selben Moment sämtliche Fallstricke, Widrigkeiten sowie die Vergangenheit hinter mir lassen würde, und ich wäre, so wie 1990 Gabi in Moskau, mit einem Schlag: unendlich seriös, souverän, gelassen und abgeklärt, kurz: auf der sicheren Seite. Soweit meine Vorstellung.

In der Realität spielt sich kurz vor dem großen Tag allerdings gerade folgender Showdown ab: Mit dem Hotti-Lotti-Papa könnte es, sagen wir mal, besser laufen, statt verfrühter Glückwunschkarten bekomme ich die Grippe und meine Mutter, mit der mich Zeit unseres Lebens eine doch recht unerquickliche karmische Verstrickung verband, segnet urplötzlich das Zeitliche und stirbt. Für den Großen Geist gibt es im Übrigen eine reelle Chance, dem Ganzen noch die Krone(-Schmalz) aufzusetzen, indem er die Bestattung meiner Mutter exakt an dem Tag stattfinden lässt, den ich mir ursprünglich zwar immer groß, pompös und frei von altem Ballast vorgestellt hatte, aber so dann irgendwie auch nicht. Nun gut, Contenance, wir sind schließlich quasi vierzig und nicht mehr fünfzehn, da sollte doch auch ein derartiger Unwahrscheinlichkeitsdrive in Würde zu schaffen sein. Und immer schön an Gabi denken.

Family Guy

Family GuyWolverine ist heute selbstverständlicher Bestandteil unserer familiären Lebenswelt, also meiner, Hottis und Lottis. Das war nicht immer so. War ich in der zugegebenermaßen etwas holprigen Anfangszeit unserer Jahrhundertromanze noch recht skeptisch bezüglich der Qualitäten und Mitbringsel dieses X-Man, beeindruckten und überzeugten mich schließlich dann doch dessen an Stoizismus grenzende Hartnäckigkeit, sein selbst gezogenes Gemüse sowie nicht zuletzt ein bahnbrechender Familiensinn. Aufmerksamen Beobachterinnen und Beobachtern hätte das bereits in jener grausligen Anbahnungsphase auffallen können, als Wolvi sich am Ende eines Freiluftkonzerts mit maximalem Körpereinsatz die damals 7-jährige, dennoch riesige und schlafschwere Lotti über die Schulter wuchtete und zu meinem Auto bugsierte. Ich jedoch verbuchte diese Heldentat damals lediglich schnöde und hartherzig unter berechnendem Balzverhalten eines bemitleidenswerten Verliebten auf dem Holzweg.

Familienhilfe 24/7

Inzwischen bestreitet der X-Man mit der Lizenz zur Freizeitgestaltung an meiner Seite unerschütterlich Kindergeburtstage in Spaßbädern, Bowlingcentern und Eislaufhallen, Weihnachtsfeste unter Nordmanntannen sowie Zirkusaufführungen und damit einhergehende Krankenhausbesuche. Heimlich organisiert er mit mir Weihnachtsgeschenke für die Kinder und mit denen wiederum welche für mich. Er koordiniert und synchronisiert Freizeitaktivitäten meiner Brut mit denen seiner eigenen Familie, um alles irgendwie unter einen Hut zu bringen, und schafft sich Katzen an, nicht nur, um uns beide zu stolzen und glücklichen Katzeneltern zu machen, sondern auch, um mit diesem Patchwork-Trojaner Hotti und Lotti zu becircen und öfter nach Zenhausen zu locken. Dort überlässt er ihnen ein eigenes Zimmer, das sie nach Belieben mit Selena Gomez und anderen Größen des aktuellen Pophimmels plakatieren dürfen.

Wenn es Hotti oder Lotti wochenends einfällt, sich trotz Wolvis Anwesenheit in mein Bett zu quetschen, klemmt er sich an die Wand unters Fenster. Im Sommer lässt er sich von den zwei Grazien an der wünderschönen Blumen-Beton-Riviera zwischen Sonnenschirmen und Strandmatten im Sand vergraben, und als die beiden den Ferienbus zur Waldheimbespaßung verpassen, chauffiert er sie allen Ernstes mit dem Auto hin, während ich meinem Hobby Erwerbstätigkeit fröne. Er kennt sämtliche Namen der Kinder meiner Freundinnen sowie die Namen von Lottis Freundinnen auswendig (Hotti bringt keine mit nach Hause, ich bin zu peinlich), und als unsere heißgeliebte Horny Tawny in Ermangelung öffentlicher Gelder unsere kleine Lokalredaktion verlassen muss und zum Abschiedsumtrunk lädt, ist es Wolvi, der zu Hause die Brut ins Bett scheucht. (Zudem dekoriert er neuerdings, mutmaßlich um die Hausfrau in mir bei Laune zu halten, meine Küche mit Prilblumen.)

Maggie Thatcher, die Queen und ein Eiswürfel

Sonntags fährt Family Guy Jugendzimmermöbel durch die Gegend, montags ist er fest gebucht für die Schlammschlachten des familiären Abendessens und seine Freitagabende verbringt er mittlerweile eingepfercht zwischen Hotti, Lotti und mir auf unserem viel zu kleinen Küchensofa, um sich den großen Kanon der Kinderfilme zu geben. E.T., Ottos 7 Zwerge und sämtliche Shrek-Filme haben wir schon durch. Wollen wir mal nicht hoffen, dass er wie Shrek in Teil 4 eines Tages einen Vertrag mit Rumpelstilzchen abschließt, in dem er seine verlorene Freiheit gegen den Tag eintauscht, in dem er mich und meine Brut kennenlernte.

Und die Brut? Zeigte Hotti sich anfangs noch einigermaßen skeptisch, weil sie ja kein Problem mit Wolvi an sich, jedoch mit seiner Rolle in unserem royalen Haushalt hätte, siegten bei meiner Teenietusse Nr. 1 in der Zwischenzeit Sympathie und ein gewisser Pragmatismus: Wolvi = entspannte Mutter sowie Wolvi = Urlaub. Lotti dagegen weiß noch nicht so recht. Ihm gegenüber benimmt sie sich wie ein Konglomerat aus Maggie Thatcher, der Queen und einem Eiswürfel. Zwar lässt sie sich bereitwillig von ihm zu Events bei seiner Familie kutschieren, ein proaktives Guten Morgen ihrerseits wäre jedoch schon wieder zu viel verlangt. Immerhin hat sie sich heute dazu herabgelassen, sich nach seinem Gesundheitszustand zu erkundigen, nachdem er gestern krank für sie und ihre Geburtstagsgäste das Taxi gespielt hat.

Und ich? Beende diese Hymne auf meinen Family Guy mit Fantas Jubelruf, als sie vernahm, dass wir die montäglichen Abendessen zu institutionalisieren gedächten: „Hurra – du willst einen Mann an deinem Tisch!!!“

Metakind

Hotti steht über den Dingen.

Hotti steht über den Dingen.

Dass Hotti irgendwie über den Dingen steht, ahne ich erstmals, als sie mit zweieinviertel Jahren (damals zählte man noch die Jahresviertel mit) beschließt: „Ich werde immer größer, und dann trinke ich Kaffee und Sahne und Zucker!“ Bis dahin war sie recht dinglich und materieverhaftet wie jedes andere Kleinkind auch: Sie brabbelte, krabbelte, sabberte, lachte, tobte, nuckelte an ihren Füßen, aß tonnenweise Sand oder weckte mich, indem sie mir morgens liebevoll den Wecker ins Gesicht schlug. Sie nuckelte am Fußspray ihres Vaters, versenkte Spielzeug in meinem Kaffee und die Zahnpasta in der Toilette. Zuhause wickelte sie ganze Klopapierrollen ab, während sie im Schwimmbad auf die Wiese kackte und sich damit ordentlich einschmierte. Sie fiel vom Wickeltisch, kippte sich Joghurt über den Kopf und Waschpulver ins Gesicht, woraufhin ich mit Fanta schließlich einen Erste-Hilfe-Kurs für Kleinkinder an der Lingendinger Familienbildungsstätte besuchte.

„Du bestimmst nicht, was ich mache!“

Das zweite Mal werde ich auf die Neigung meiner Erstgeborenen, Dinge aus der Metaperspektive zu beschreiben, aufmerksam, als sie mir, etwa ein Vierteljahr später, um den Hals fällt und jubelt: „Ich bin eine Kraft!“ An ihrem ersten Tag im Kindergarten (die Erzieherinnen und ich hatten uns selbstverständlich auf eine ausgiebige und pädagogisch extrem wertvolle Eingewöhnung verständigt) schickt Hotti mich nach fünfzehn Minuten heim: „Du kannst jetzt gehen.“ Und als Lotti, ihre kleine Schwester, das Licht der Welt erblickt, konstatiert Hotti, nun drei: „Die Lotti is meine Freundin, gleich von geborn an.“ Kurz darauf findet sie allerdings: „Dass Du die Lotti stillst, ist für mich zu nervig.“

Um ihren vierten Geburtstag herum quittiert sie eine Aufforderung meinerseits, erst fertig zu essen und dann aufzustehen, mit den Worten: „Du bestimmst nicht, was ich mache!“ Und als die eineinhalbjährige Lotti tobt und kreischt, weil sie sich partout nicht anziehen lassen will, erklärt ihr Hotti, mittlerweile viereinhalb, das Prinzip Inkarnation und damit verbundene Widrigkeiten: „Ja, Lotti, so ist das, wenn man zu einer Mama geht, bei der man bleiben muss!“ Stutzig werde ich auch, als ich das Buch Gibt es intelligentes Leben? geschenkt bekomme, Hotti mich nach dessen Titel fragt und daraufhin stöhnt: „Ääähh, dann brauche ich mir das gar nicht anschauen.“

„Gott ist tot!“

Ihre Vorliebe für Abstraktion stellt sie ebenfalls nachdrücklich unter Beweis, als sie kurz vor ihrem fünften Geburtstag getauft werden soll. Als waschechte Lingendinger Übermutter versuche ich, Hotti dieses bedeutsame Ritual kindgerecht zu erklären, woraufhin sie mich anschaut, als hätte ich vollkommen den Verstand verloren, und erwidert: „Aber Mama – Gott ist tot!“ Bald darauf, es ist mittlerweile Herbst, erkennt sie: „Du ziehst uns doch nur so warm an, weil dir selber dauernd kalt ist.“ Und mit fünfeinhalb Jahren kommt sie schließlich zu folgendem Ergebnis: „Menschen sind komische Teile.“ Auf meine Nachfrage, was genau sie meine, entgegnet sie: „Na, wenn Außerirdische Menschen angucken, finden die die Menschen bestimmt voll komisch. So, wie die aussehen, und was die für komische Sachen machen.“

Nach Vollendung ihres sechsten Lebensjahres wiederum erklärt mir Hotti wutentbrannt: „Du behandelst mich wie ein Baby, obwohl ich schon so groß bin! Du sollst mich nicht immer rumerziehen wie ein Baby und sagen ,Hotti, tu dies, Hotti, tu das!‘ – Ich will über mich selbst bestimmen!!!“ Mit acht Jahren muss sie bereits über sich selbst lachen: „Ich habe mir ja mal Weltfrieden gewünscht. Dabei streite ich mich ja selber dauernd mit der Lotti – HAHA!“ Und mit zehn lobt sie sich selbst beim Ausmisten ihres Zimmers: „Ich bin stark, weil ich loslassen kann.“

„Ich habe ja kein Problem mit dem Wolvi…“

Und dann steht plötzlich Wolverine mit Blümchen vor unserer Tür und partizipiert zunehmend an den Gepflogenheiten unseres Hofes. Das Metakind, mittlerweile zarte zwölf, is not amused: „Ich habe ja kein Problem mit dem Wolvi, den kenne ich ja gar nicht. Aber ich habe ein Problem mit der Rolle, die er hier einnimmt.“ Das Ganze wirft sie offensichtlich einigermaßen aus der Bahn, denn bald fragt sie ihn entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten, bei einem offiziellen Kaffeekränzchen mit Tante Janeway, ganz konkret: „Willst du meine Mama eigentlich heiraten?“ Glücklicherweise findet sie schnell zu ihrer alten Form zurück. Als sie sich hinter abgeschlossener Badezimmertür die Augenbrauen fast vollständig und vollkommen ungleichmäßig auszupft und ich ihr dafür gehörig die Ohren lang ziehe, lächelt sie kokett und kontert: „Mama, ich bin halt in der Vorpubertät, da muss man alles mal ausprobieren.“ Zudem hat sich ihr jüngst der Daseinszweck ihrer aktuellen Inkarnation offenbart: „Ich weiß jetzt, was ich hier will: Weltreisen! Menschen beobachten und berühmte Denkmäler und so anschauen!“

Lotti, die grundsätzlich eine eher stoffliche und konkrete Art mit sich bringt, zeigt übrigens neuerdings ebenfalls Ansätze von Metagebaren. Neulich rennt sie mir am Wochenende um 7 Uhr 30 mit folgender Forderung die Schlafzimmertür ein: „Ich brauche Struktur!“

Superpep und Reisegold

Was Ma Baker und der SysOp können, können wir schon lange und setzen sogar noch einen drauf: Wir haben uns nämlich nicht nur als Deutsche unter Deutschen im mediterranen Ausland herumgetrieben, nein, wir haben sogar noch die Patchwork-Nummer hingelegt. So bereiten mein persönlicher X-Man und ich Hotti und Lotti so früh wie nötig und so pädagogisch-wertvoll wie möglich auf die ersten gemeinsam zu verbringenden Ferien vor, was durchaus die eine oder andere Vertrauenskrise mit sich bringt. Als es Wolverine beispielsweise nicht auf Anhieb gelingen will, den Urlaubsort auf Google Maps zu lokalisieren und vorzuführen, meint Lotti: „Du musst schon wissen, wo du hinfährst, sonst fahre ich nicht mit.“ Auch dass man mit Google Street View zwar durch die angepeilte Ortschaft, jedoch (noch) nicht in die dortigen Häuser laufen kann, schreibt meine Zweitgeborene Wolvi höchstpersönlich zu und nicht den derzeitigen technischen Gegebenheiten.

Quickfix von der Heimatfront

Als die Reise näherrückt, lasse ich mich, geschult durch vergangene 15-stündige Autofahrten mit Lotti und mental unterstützt von Dr. Sprite, Horny Tawny und Mr. Matrix, in der Apotheke in Sachen Reiseübelkeit bei Kindern beraten. Die nette Apothekerin hat gleich zwei tolle Produkte auf Lager mit den klangvollen Namen Superpep und Reisegold, beide enthalten den gleichen Wirkstoff. Bei Superpep handelt es sich um ein Kaugummi, Reisegold hingegen ist eine teilbare Tablette mit der doppelten Dosis. Nachdem mir die Apothekerin glaubhaft versichert hat, dass beide Präparate durchaus legal und die jeweils sedierten Kinder noch immer wieder aufgewacht seien, entscheide ich mich für Reisegold, das passt auch viel besser in unseren royalen Haushalt.

Die Hinfahrt verläuft recht unspektakulär. Lotti beschimpft ihre große Schwester, bis ihr dank Reisetabletten die Augen wegrutschen und sie einschläft, und Hotti, die Bücher früher nicht mit der Pinzette angefasst hätte, verschlingt eine Vampirschnulze nach der anderen. Als wir ankommen, ist das ruhiggestellte Kind zwar schläfrig, aber lebendig. Die erste Woche verbringen wir mit 14 anderen netten Menschen in einem piemontesischen Haselnusshain (von wegen Piemontkirsche), und wider Erwarten dreht nicht Lotti durch, was sie hin und wieder ja recht gerne und ausgiebig tut, weil sie irgendetwas Unmögliches will bzw. Mögliches oder Gebotenes nicht will, sondern ich, weil Lagerkoller. Durch ein Quickfix per SMS von Ma und Fanta bekommen wir die Situation allerdings relativ zügig wieder in den Griff (ein herzliches Dankeschön noch einmal an dieser Stelle).

ALLES VOLLER SEEIGEL!!

In der zweiten Woche verlassen vier alle die Riesengruppe und fahren als neuer Stern am Patchwork-Himmel an die Blumenriviera in eine nette kleine Ferienwohnung in einer idyllischen abschließbaren Wohnanlage direkt an der Autobahn, unter unserem Balkon gähnt eine Baugrube. Stante pede fange ich an, mich zu entspannen, während nun Hotti und Lotti Gas geben und sich alles heißen, was ihnen den lieben langen Tag so einfällt („DU DUMMES KIND!!!“). Nichtsdestotrotz schmeißen wir uns gut gelaunt in unsere Badesachen und fahren raus aus der Schließanlage, runter ans Meer. Dort angekommen, stellen wir fest, dass wir unser gesamtes Strandequipment zu Hause vergessen haben. Also kaufen wir noch schnell einen Sonnenschirm, eine Schwimmbrille für Lotti und ein Kopftuch für mich, rollen zwischen unzähligen anderen deutschen Familien (sic!) routiniert unsere Badematten aus und machen es uns gemütlich. Hotti, Lotti und ich sind tatsächlich erst mal zufrieden, nur unser X-Man schaut jetzt etwas unglücklich aus der Badehose, konnte er diese Urlaubsform die letzten Jahrzehnte doch glücklich umschiffen. Und dass man mit uns drei Grazien nicht mal ohne ein Jenseitsgekreische („DA SIND SEEIGEL!!“ „SCHEIßE, DA IST JA ALLES VOLLER STEINE!!!“ „JETZT ZERRT NICHT DAUERND SO AN MIR RUM!!!!!“ „MAAAMMMAAAAAA, ICH HAB AAAAAANGST!!!!!!!!!!!!!!“) auch nur eine klitzekleine Runde durch eine harmlose Bucht im Mittelmeer schwimmen kann, macht es nicht so richtig besser.

Aber auch diese Hürde nehmen wir ebenso superpeppig wie würdevoll, schließlich haben wir schon ganz anderes gemeistert und Superhelden sind ja ohnehin so etwas wie Berufsoptimisten. Künftig schlagen wir unser Lager auf den Felsen im Meer auf, Hotti und Lotti beschimpfen sich zehn Meter entfernt von uns auf ihrem eigenen Stein, und ich gehe einfach nicht mehr mit ins Wasser. Farblich sortierte Bezahlliegeplätze, heruntergekommene Hotels, verfallene Gewächshäuser sowie pubertäre Unflätigkeiten („WARUM MÜSSEN WIR UNS SCHON WIEDER SO EINE BESCHEUERTE STADT ANGUCKEN????“) blenden wir aus und deeskalieren situationsadäquat mit Cappuccino, Eis, Bier und Pizza. Stellt sich nur noch eine Frage: Wohin geht es nächstes Jahr?

Der Sauberberg

Wolverine hat einen Gutschein für vier Tage Extremwellnessen im Piperacher Quarkhotel gejagt, von dem ich mir nach einer Woche mit einer Magen-Darm-kranken Lotti, einer heiser röchelnden, vorpubertären Hotti sowie einer ausufernden Sisyphos-Orgie an der Home-Office-Front maximale Erholung und mindestens ewige Jugend verspreche. So stopfen wir den Kofferraum bis obenhin voll mit Bademänteln, Plastiklatschen, Wanderstiefeln, Joggingschuhen, Laptop, Büchern, Hörspielen und Schokokeksen, meine alltags festgewachsene Armbanduhr hingegen vergesse ich Freud sei Dank zu Hause.

Alles will, ich muss nichts

Bestehend aus Unterkünften, Familienbad, Thermal- und Salzwasserbecken, Saunadorf und Betreutem Wohnen ist das Quarkhotel am Hang des Piperacher Sauberbergs ein Mikrokosmos für sich, und es dauert eine ganze Weile, bis ich auf dem Weg in die Schwitzhütten nicht mehr ins Betreute Wohnen abbiegen will. An der Rezeption werden wir als erstes mit Chips für die wunderbrare Wellnesswelt ausgestattet. Sie sehen aus wie Uhren ohne Zifferblatt, und ich liebe es, mehrmals täglich einen Blick darauf zu werfen und ordentlich „HAAha!“ zu denken. Als nächstes schmeißen wir den Kofferrauminhalt in unsere Royal Suite, reißen uns die Kleider vom Leib, werfen unsere Luxuskörper in Bademäntel und -latschen und schlappen los in Richtung Saunawelt. Um die Vorfreude auf selbige noch auf die Spitze zu treiben und den Kontrast von Alltag und Urlaub aufs Äußerste auszureizen, hatten die Architekten des Bades die grandiose Idee, die Saunagäste zunächst durch weitläufige Familienplanschlandschaften zu leiten, wo es unentwegt und allerorten in schrillen Frequenzen quietscht, kreischt, streitet, kleckert und will, egal ob Pommes, Eis, die Schwester hauen, noch mal rutschen oder alles auf einmal, und es ist einfach schön zu sehen, was man gerade alles nicht muss.

Augen, Nasen, Popos

Das Saunadorf besteht aus einem Außenbereich mit gemeiner Finnensauna, abwehrstählendem Heustadel und beruhigender Kräuterhütte sowie einem Innenbereich mit gemeiner Finnensauna, esoterischer Softsauna (Lichtorgel und Indiandergedüdel) und feucht-fröhlicher 75°-Vitalsauna, was spontan die Frage aufdrängt, ob es im Gegenzug auch eine 195°-Lethalsauna gibt. Verbunden werden Innen und Außen durch ein großes, warmes Planschbecken, in dem Menschen träge wie Nilpferde tiefenentspannt vor sich hin treiben, aus dem Wasser ragen lediglich Augen, Nasen und manchmal noch das Hinterteil. Auffällig dabei ist vor allem die erstaunlich hohe Quote verschnuckelter glücklicher Pärchen. Zahlreiche faule Frauen hängen im Becken schwer auf den Rücken ihrer Männer herum und lassen sich im wahrsten Sinne des Wortes abschleppen oder auch mal vor die Massagedüse drücken. Deren Ehrgeiz wiederum scheint hauptsächlich darin zu bestehen, ihre Nilpferdfrauen durchs Wasser zu ziehen und wahlweise Kaffee, Bier, Schokokekse oder freie Wasserbettenplätze zu jagen. Vielleicht ist auch nur irgendwas im Chlorwasser, aber so viel geballte Glückspärchi-Harmonie bekommt man in keiner langen Einkaufsnacht in keiner Shopping Mall der Welt zu sehen, im Gegenteil. Abends gehen wir ins hoteleigene Restaurant Frankenstein, wo Wolverine ein australisches Flankensteak verzehrt und ich ein vegetarisches Asia-Nudelgericht, doing gender auch hier.

An Tag 2 spiele ich mit dem Massageprospekt und dem verwegenen Gedanken, mir wahlweise eine Kopf- oder eine Rückenmassage zu leisten, und weil ich mich nicht entscheiden kann, ob ich eher der verkopfte oder der verspannte Typ bin, suche ich den Maestro höchstselbst auf, um ihn zu fragen, was denn so das Richtige sei bei meiner hochsensiblen und -speziellen Konstitution. Der Maestro, Wolfgang Taler, sieht genau so aus wie im Prospekt: verstrahlter Hippie mit Schnauzbart, Knochen-Muschel-Kette und rosa Lotusblütenhemd. Mit verwirrenderweise italienischem Akzent meint Wolfgang, heute gebe es nur noch zwei Termine, und die seien Lomi Lomi und doppelt so teuer, aber morgen sei dann alles wieder normal. Das sind doch mal Sorgen! Ich verschiebe das Schmankerl auf den morgigen Tag, bis dahin kann ich dann auch noch in Ruhe darüber nachdenken, was das vorherrschende Problem ist, meine Verkopft- oder Verspanntheit.

„Wie wär’s denn mit denen?“

Nach zwei Tagen exzessiven Vor-uns-Hinschrumpelns und Mit-den-Zehen-Wackelns wird es an Tag 3 Zeit, sich neuen Herausforderungen zu stellen, und wir machen uns auf nach Piperach City, Städtchen anschauen und Souvenirs für meine Brut ergattern. Außerdem braucht Wolverine Schuhe, und ich brauche keine zwei Minuten, um überzeugend die Mutternummer zu machen: „Wie wär’s denn mit denen?“ Als direkt im Anschluss „Probier doch mal die!“ aus mir herausbricht, setze ich mich schockiert weit weg und denke an Horny Tawny, die mir einst riet, für jeden gekauften Kinderschuh ein Bier zu trinken und zwar noch im Laden. Wir starten einen zweiten Versuch in einem weiteren Laden, und als Wolvi den ersten Schuh anprobiert und ich allen Ernstes „Lauf doch mal ’ne Runde!“ sage, verziehe ich mich ebenso erschüttert wie unaufgefordert in die Damenabteilung, wo ich mir anstelle der geplanten Kopf-oder-Rücken-Massage zwei Paar Blümchen-Sommerschlappen rauslasse. Abgesehen von der akuten Deeskalation deucht mir auch der Entspannungseffekt ein deutlich langfristigerer. Wolverine findet überraschenderweise auch ohne mich und meine mütterliche Unterstützung zu neuem Schuhwerk, und dann ist es auch schon wieder Zeit fürs Mittagessen. Nach all den Strapazen der Real World kehren wir zurück in den sicheren Mikrokosmos des Sauberbergs mit seinen Honigmatschesalzaufgüssen, Wasserbetten und Nilpferdbecken. Die Andenken habe ich vollkommen vergessen.

Aber Tag 4 ist auch noch ein Tag, und an diesem wackeln wir noch kurz in die ans Quarkhotel angegliederte Sinn-Welt, wo ich schließlich Drehorgeln und Himbeerbonbons für Hotti und Lotti sowie 500 Gramm Sinn für mich erstehe. Was wir ihnen außerdem mitbringen, sind zwei praktische Schilder mit der Aufschrift „Bitte Zimmer aufräumen“, die ich ihnen bei Bedarf an ihre Türklinken hängen kann. Erschöpft von dieser weiteren Erledigung machen wir ein letztes Mal die Nilpferdnummer und fliegen dann heim ins Reich der Arbeit, der Kinder und der Kleidung. Mein persönliches Fazit: Nieder mit den Shopping Malls, Heustadel für alle!

Urlaub in Zenhausen [1]

Würde und Magen-Darm-Infekte schließen sich aus.

Willkommen, welcome, bienvenue, ein neues Jahr [2] erwartet Sie, dessen Beginn Sie hoffentlich ebenso aufregend wie wir begangen und eingeläutet haben. Nachdem wir einen Tag vor Silvester noch geschwind und erfolgreich Lottis achten Geburtstag mit gefühlten anderen 500 Familien im Spaßbad abgefeiert haben (kein Kind ist abgesoffen), stürzen Wolverine und ich uns auch schon wieder in die Vorbereitungen des anstehenden Jahreswechsels. Monsieur installiert tolle bunte Blinklichter, die im Set mit der Discokugel unter dem Weihnachtsbaum lagen, auf meinem Buffetschrank, vom Einsatz des Stroboskops [3], ebenfalls im Discoset enthalten, rate ich angesichts des ohnehin schon recht erhöhten Adrenalinspiegels der Kinder allerdings eher ab. Ich verteile Luftschlangen überall, und dann kommt auch schon Frau Antje aus Holland [4], die meine frisch renovierte Küche derart „90er“ findet, dass sie darin direkt eine alternative Clubdisco eröffnen möchte, die „Mathilde 11“ zum Beispiel. Ich behalte das mal als Geschäftsidee im Hinterkopf.

Der Rest des Festes ist schnell erzählt: Wulle schläft auf der Stelle ein, Rulle bald danach, Boney M’s Zappel und Zuppel fallen beim „Dinner for One“-Schauen vor Lachen fast von den Stühlen, und Dark Lotti schafft es nicht nur, sich einen Knaller ins Auge zu schießen, sondern sich auch beim Bleigießen eine beachtliche Brandblase zuzulegen. Herzog Ullrich, der die amtierende und bislang ungeschlagene Verletzungskönigin noch nicht so lange kennt, fragt mich, ob ich es schon mal mit einen Schutzbann rund um das Kind probiert hätte. Auch das eine blendende Idee, auf die ich schon aus Zeitgründen sicher bald zurückkommen werde. [5]

Romantisches Wochenende zu zweit

Als dann Hotti und Lotti für drei Tage ihren Papa heimsuchen, will ich nur noch eins: raus aus meiner Wohnung und Urlaub in Zenhausen. Wolverine schlägt vor, bevor wir uns es in seinem Wellnesstempel so richtig gemütlich machen, doch noch „geschwind“ die Discokugel in meiner Badezimmerdecke anzudübeln. Ich schlage ihm dies ebenso geschwind wieder aus dem Kopf und packe meine Saunasachen. Was mir vorschwebt, sind maximale Bewegungslosigkeit sowie Verdrängung sämtlicher realer Anforderungen, und zwar sofort. Im Thermalbad bemerke ich, dass ich meinen Bikini vergessen habe, aber egal, ich erwerbe einen schicken schwarzen Omabadeanzug und falle nach der ersten Schwitz- und Schwimmrunde in einen tiefen Schlaf des Vergessens.

Der Urlaub wird super. Wir essen, schlafen, lesen, glotzen, und dann wir mir schlecht, so schlecht, dass ich Wolverine aus der Dusche scheuchen muss, um mich ganz dringend in seine Toilette zu übergeben. Das tue ich dann in stündlichen Abständen bis um sechs Uhr morgens, und dann lasse ich mich vom gleichmäßigen Schnarchen des X-Man in den Schlaf wiegen. [6] Als ich mittags aus dem Bett auferstehe, werde ich mit Wärmflasche und Kamillentee versorgt, und auf dem Rückweg nach Hause machen wir noch einen Schlenker über die Tankstelle und besorgen ein koffeinhaltiges Kaltgetränk mit Zitronensäure, Zwieback haben sie nicht mehr. Der krönende Abschluss eines romantischen Wochenendes.

[1] Die genaue Ortsbezeichnung geht auf Herzogin Fanta I. zurück. [zurück]

[2] 2014. [zurück]

[3] Ein Stroboskop (griechisch strhόbos ‚Wirbel, Sichdrehen‘, strhόmbos ‚Kreisel‘, skopeΐn ‚betrachten, beobachten‘) ist ein Lichtblitzgerät, das Lichtblitze in sehr regelmäßigen zeitlichen Abständen abgibt, wodurch bei dunkler Umgebung Bewegungen abgehackt als eine Abfolge von stehenden Bildern erscheinen. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Stroboskop) [zurück]

[4] Frau Antje kommt eigentlich aus dem Osten, aber Zonen-Gaby hätte sie womöglich leicht übelgenommen. [zurück]

[5] Zu erwähnen wären an dieser Stelle alleine im November 2013 zwei Kopfverletzungen, wegen derer Lotti aus der öffentlichen Lernanstalt abzuholen und in der Kinderklinik auf Gehirnerschütterungen zu untersuchen war. Einmal versteckte sie sich vor der Lehrkraft unter dem Tisch, um dann unkontrolliert in die Höhe zu schnellen, woraufhin ihr schlecht wurde und sie verschwommen sah. Ein anderes Mal nutzte sie die einzige auf dem Schulhof zugefrorene Pfütze, um gegen ein anderes Kind zu schlittern und auf dann auf den Hinterkopf zu stürzen. Als sie ein weiteres Mal (ebenfalls im November 2013) senkrecht mit dem Kopf zuerst von ihrem im Zimmer montierten Trapez auf den Boden knallte, blieb es lediglich bei einer Beule. Meine mehrfach ausgesprochene Drohung, Lotti künftig nur noch mit Fahrradhelm und Rugby-Ausrüstung aus dem Bett zu lassen, blieb bislang ohne Konsequenz. [zurück]

[6] Ich muss wieder einmal feststellen, dass Würde und Magen-Darm-Infekte sich grundsätzlich ausschließen. [zurück]

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Apropos Weihnachten

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“
(Engel Lotti, Krippenspiel Weihnachten 2013)

Im Gegensatz zu ihrem sonstigen Gebaren entscheidet sich Lotti gegen Ende des Jahres den Engel zu geben, zumindest im Krippenspiel der ortsansässigen Kirchengemeinde. Ich begrüße das aus mehreren Gründen und, Wunder über Wunder, erklärt sich der Hotti-Lotti-Papa bereit, den nicht ganz eingängigen Text mit unserer Zweitgeborenen einzustudieren („Er kam in diese Welt, in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“) sowie auch gleich ein Paar Engelsflügel zu organisieren. Und da wir den diesjährigen Heiligen Abend mit der aus Neukamerun zurückgekehrten Fanta samt Mulle, Rulle und Wulle, ihrem neuen Clown und Herzog Ullrich sowie Oma Highspeed und Wolverine, ehemals Batman [1], begehen werden, finden wir uns alle am Nachmittag des 24. Dezember im Familiengottesdienst der Ullrichkirche wieder. Ich darf zwischen dem Hotti-Lotti-Papa und Wolverine sitzen, Weihnachten, das Fest der Liebhaber.

Hört der Engel helle Lieder

Draußen wird es allmählich dämmrig, drinnen breitet sich Stille aus. Pfarrer Cyborg spricht einleitend ein paar besinnliche Worte, dann beginnt das Krippenspiel. Lotti und zwei weitere Engel schweben zum Altar, mutterstolz und erwartungsvoll blicke ich nach vorne. Inbrünstig leiern die Engel ihren Text herunter („Er ist den (!) Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch ihn.“) und röhren dann ein derart schiefes Halleluja ins Mikrofon, dass die Gemeinde kollektiv in unterdrücktes Gekicher verfällt. Fürchtet Euch nicht, denn siehet, ich verkündige Euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird! Oh ja, und noch einmal: Halleluja! Ich distanziere mich innerlich von den Gesangskünsten meiner Tochter und verschwinde äußerlich unter meiner Kapuze.

Nach dieser kirchlich-kulturellen Erbauung begeben wir uns alle in Fantas neue Kaserne, wo wir mit zwei Raclette-Geräten älteren Datums binnen Minuten dauerhaft die Stromversorgung der gesamten Wohnung lahmlegen. Herzog Ullrich und Fanta kriechen im Dunkeln auf allen Vieren durch die Wohnung und fixieren Verlängerungskabel mit Gaffaband, bis Wolverine endlich irgendwelche Kerzen angezündet hat, die Kinder kreischen: „Das Licht ist aus!!!“ und Highspeed ruft vom Sicherungskasten aus: „Ich hab hier so gemacht!“. Fanta strahlt: „Hach, Weihnachten kann so aufregend sein!“

Familie Hoppenstedt wäre blass vor Neid

Nach Wiederherstellung des Stromkreislaufes transferieren Wolverine und ich kistenweise Geschenke von Fantas Schlafzimmer unter den von Highspeed, Lotti und mir gefällten Weihnachtsbaum, Familie Hoppenstedt würde in jeder Hinsicht blass vor Neid. Wir versammeln uns rund um den Raclette-Grill, wobei die lieben Kleinen locker den Lärmpegel einer Rock-am-Ring-Veranstaltung erreichen. Sie essen nur Mais, und für den Einkaufszettel im nächsten Jahr notieren die lieben Großen „mehr Mais“ und „Ohrenstöpsel“. Als wir abräumen, bemerkt Rulle, dass ihre Großeltern dieses Jahr gar nicht anwesend sind („Wo sind eigentlich Urmel und Elsa?“) und Tinkerbell, die heuer anstelle der abwesenden Großeltern mit uns feiert, stellt fest, dass „wir dieses Jahr echt schnell für ein Käsefondue waren“. Wir sind eben alle nicht mehr die Jüngsten.

In Ermangelung eines metallenen macht Highspeed das bezaubernde humanoide Weihnachtsglöckchen („Dingdingdingdingding!!“), und die Kinderschar stürmt bis an die Zähne mit Blockflöten bewaffnet die festliche Stube. Hotti übernimmt die Moderation und fordert aktive Publikumsbeteiligung: „Um Mitsingigkeit wird gebeten!“ Fanta und ich greifen zu unseren eingestaubten Altflöten, Herzog Ullrich rundet das Gesamtarrangement mit Ukuleligkeit ab. Danach werden noch diverse andere Weihnachtshits mehr oder weniger textsicher geschmettert, und dann gibt es eine schöne Bescherung: Die Kleinen bekommen ihre sehnlichsten Herzenswünsche erfüllt (Nähkurs, Monster High, Meister Yoda), die Großen auch (alles Mögliche) und ich ebenfalls (Das Buch der Queen, Skeletteierwärmer mit Hut, Discokugel, Landfrauenkalender). Besondere Erwähnung finden soll an dieser Stelle die Weihnachtskarte, die Rulle für mich schrieb:

„Liebe aktuelle,
ich freue mich, dass ihr mit uns Weihnachten feiert. Apropos Weihnachten: Frohe Weihnachten
Deine Rulle“

Und dann machen wir es uns gemütlich.

[1] Aus Gründen kam es zu einer Umbenennung meines aktuellen Superhelden. [zurück]