Luxus, verdammt!

Schade scheiße eigentlich, wenn sich die Realität mal wieder um Klassen schnöder gestaltet als das eigene rosaglitzer Wunschdenken und sich Superhelden bei näherer Betrachtung als Otto-Normal-Frösche mit allzu menschlichen Pferdefüßen entpuppen. Nun gut, man selbst ist zugegebenermaßen auch nicht Hello Kitty, und was ist schon normal, denn, wie die weise Whoopi Goldberg bereits anmerkte: „Normalität liegt im Auge des Betrachters.“ Jetzt sind sie also weg (WEG!) und ich bin wieder allein, allein, denn wir sind hier leider noch immer nicht bei Wünsch Dir was, sondern weiterhin bei So isses. Als entscheidenden Vorteil bei wiederholter Herzscheiße gilt es festzuhalten, dass die einstige Angst, auf der Stelle zu verrecken, sich im Laufe der Jahre als unbegründet erwiesen hat, denn Herzen kann man erstens reparieren, und zweitens verfügt man mittlerweile neben einer gewissen Routine auch über ein nicht unerhebliches Repertoire an Gegenmaßnahmen. Wir machen das hier ja nicht zum ersten Mal.

Kopf hoch, sonst fällt die Krone runter

So ist es einmal mehr an der Zeit, die Contenance zu wahren, sich mit Bergen von Schnapspralinen vollzustopfen, tonnenweise Schmuck zu shoppen, den ortsansässigen Baumarkt leerzukaufen, das eigene Schlösschen mit Brimborium aufzuhübschen, Abende lang stupide Glitzerkringel an die Klowände zu pinseln, dabei viel ABBA, Bier und Zigaretten zu konsumieren und mit Freundinnen kilometerlange Youtube-Playlists zu erstellen, schließlich ist Liebeskummer immer noch Luxus und großes Kino, verdammt. In diesem Zusammenhang sind Horny Tawny, Mr. Matrix und ich im Supermarkt unseres Vertrauens übrigens auf, jawohl, die Pralinenedition von Harald Glööckler gestoßen, die folgerichtig den Namen „Pralinöös“ trägt mit dem Untertitel „Jede Frau ist eine Prinzessin. Und so sollten Sie sich auch fühlen“. Stilblüten des Kapitalismus. Unbedingt Erwähnung finden sollten an dieser Stelle nicht zuletzt auch der Elektroswinger Parov Stelar, sein extrem hotter Catgroove sowie ein sehr begabter junger Mann mit Gummibeinen, welche Dr. Sprite, Horny und ich inzwischen als musikalisches Koffein in Reinform einsetzen und die Horny im Übrigen ekstatisch Britney Spears‘ Zeilen „Don’t you wanna dance upon me?“ zitieren ließen. Und danach bitte auf mir!

Wie gesagt, Herzscheiße gilt es zu zelebrieren, und zwar nach Strich und Faden und mit dem gebührenden Pathos und Glamour. Ebenso arschcool wie konsequent wäre es in diesem Kontext auch beispielsweise, sein Ehebett in mannshohen Lagerfeuern zu verbrennen oder das Schaufenster im eigenen Haus an einen Leichenbestatter zu vermieten. Aber wer macht schon so was?

Two princes

Der kosmischen Scherze gibt es ja bekanntlich viele, allein der Themenkomplex „die aktuelle und die Männerwelt“ bildet mittlerweile ein ganzes Genre. Der neueste geht so: Während sich jahrelang kein männliches Wesen so richtig für mich und meine Special Effects erwärmen konnte und ich auf meiner To-do-Liste für die kommenden Jahre erst einmal die Kinder, die neue Wohnung sowie den Hagelschaden meines Autos priorisierte, stehen da jetzt plötzlich zwei Prinzen auf meiner Matte, und zwar sowas von gleichzeitig. Und während der eine, nennen wir ihn spaßeshalber Batman, in mir die tollste Frau des Universums sieht, bin ich für den anderen, nennen wir ihn ebenso spaßeshalber Superman, Hello Kitty und Queen Cola Bitch I. in Personalunion. Nicht, dass ich mich nicht freuen würde ob dieser meiner neuen Beliebtheit in der Welt der Superhelden, man ist ja nicht undankbar. Aber man fragt sich schon auch, was zum Teufel sich der Große Geist bei einem derart miserablen Timing eigentlich gedacht hat. Mutmaßlich zeigt sie mit ausgestrecktem Zeigefinger auf mich und mein frisch gestrichenes Krönchen und kichert irre.

Gemüse versus Stifteköcher

So legt mir derzeit Batman entschlossen die Erträge seines Gemüsegartens in Gotham City vor die Tür, während der Man of Steel in Smallville todesmutig Hello Kitty-Stifteköcher für mich jagt, und beides ist ebenso entzückend wie großartig. Mit Blumen beglücken meine Superhelden mich im Übrigen beide. Und während ich noch Lancelot, der es wagte, mich an meinem 35. Geburtstag mit 35 orangenen Rosen zu bedenken, leider mit einer Kettensäge in seine Einzelteile zerlegen musste, weil mir eine derartige Zuneigungsbekundung definitiv zu weit ging und in meinen Augen an schamloser Übergriffigkeit nicht zu überbieten war, bin ich mittlerweile in der Lage, eine vergleichbar herausfordernde Situation souverän zu meistern. Steht heute ein Prinz, Ritter oder Superheld mit Blumen vor meiner Tür, setze ich mein strahlendstes Lächeln auf, bedanke mich artig und sage: „Ich hol‘ mal eben eine Vase!“ Ein kleiner Schritt für die Otto-Normal-Frau, ein großer Schritt für die aktuelle. Entwicklung ist möglich.

Ihr seht: Es bleibt wie immer spannend, die aktuelle Queen Kitty Cola Bitch of the Universe I. wird Euch auf dem Laufenden halten. Mein besonderer Dank und spezieller Artikel gehen in diesem Fall im Übrigen aufs Herzlichste nach Rothenburg ob der Tauber, genauer an Markus, einen unserer offensichtlich treuesten Fans, der mich gestern Abend auf Ma Bakers Hochzeit dringend dazu aufforderte, ihn doch wieder an unserem Privatleben teilhaben zu lassen. Nichts lieber als das!

Jahresrückblick: Das war 2011

Der Spiegel tut es, die dpa tut es und Leute wie Günther Jauch tun es sowieso und alle Jahre wieder: Am Jahresende nostalgisch nach hinten blicken, um sich und anderen in Form einer Riesengala noch einmal die Breitseite sämtlicher Promibabies, Politstreits und anderer Katastrophen des vergangenen Jahres einzuschenken, nur um die Promibabies, Politstreits und Katastrophen, die schon wieder vor der Neujahrstür stehen, noch ein bisschen vor sich herzuschieben. Genug Anlass für die aktuelle, dieses Jahr genau das Gleiche zu tun, innezuhalten und zu fragen: Was war 2011, und wenn ja, wozu, und besteht möglicherweise 2012 die Möglichkeit, dass endlich die Rama-Frau mit Hollandrad und Brötchenkorb an meinem Balkon vorbeisegelt und die ultimative Idylle verbreitet? Was also waren die zentralen Themen der aktuellen 2011?

Sterben und sterben lassen
Die Hauptaufgabe 2011 bestand darin, Altes abzuschließen, Altes abzuschließen und Altes abzuschließen. Nicht ohne Stolz kann ich behaupten – und ich möchte das hier noch einmal in aller Deutlichkeit betonen – genau das, wenn auch nicht gerne, so doch pausenlos und immer wieder erfolgreich getan zu haben: Niemand ist das vergangene Jahr so oft gestorben wie ich, immer getreu dem Tarotkarten-Gerd-Bodhygan-Ziegler-Motto „Stirb bevor Du stirbst“, und niemand hat nachts, wenn andere Leute friedlich schlafen, so viele Leute und Goldfische um die Ecke gebracht wie ich. Ansonsten verließ Fanta Lingendingen, nicht ohne vorher noch mit mir nachts die eine oder andere Plazenta im Wald zu vergraben, und ich wurde plötzlich Scheidungskind. Auch der drei Jahre währende Rosenkrieg mit dem Hotti-Lotti-Papa konnte dieses Jahr erfolgreich befriedet werden.

Nikotin
Aufgrund widriger emotionaler Umstände habe ich nach elf Jahren Abstinenz wieder mit dem Rauchen angefangen, was wider Erwarten weder zu einer gesteigerten körperlichen Fitness noch zur Überwindung der widrigen emotionalen Umstände geführt hat. Immerhin schlage ich mir nicht mehr wie noch vor elf Jahren exzessive WG- und Kneipennächte um die Ohren, so dass 20 Kippen pro Tag schon mal wegfallen.

Wohnung
Meine Wohnsituation hat sich dramatisch verbessert, ich bin sowohl meine böse alte Vermieterhexe als auch die hausinterne Sex-Stasi los, und wohne jetzt mit Hotti und Lotti in der Grünen Hölle, wo satte 70% gegen das größte Bahnhofsidiotenprojekt aller Zeiten gestimmt haben, was leider nichts gebracht hat, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Urlaub
Ich habe mit Hotti, Lotti und Lancelot einen Patchworkfamilienurlaub an der Cote d’Azur absolviert, der seinesgleichen sucht, und der dazu führte, dass die doch etwas holprige Romanze zwischen meiner ersten großen Liebe und mir ein noch schnelleres Ende fand, als sie es vermutlich ohnehin getan hätte. Das Wetter war schön, das Essen gut.

Geld
Da ich dieses Jahr nicht nur umgezogen und in eine der teuersten Urlaubsregionen Europas gefahren bin, sondern mein Auto Molli Tüpp gleich zweimal die Grätsche machte, einmal vor und einmal nach dem TÜV, bin ich so pleite wie nie. Dass Hotti jetzt eine Zahnspange für 1000 Euro braucht, die die Krankenkasse dank der neuen gesetzlichen Regelungen nicht zahlt, und die Hotti niemals anziehen wird, macht es nicht besser. Aber Geld ist ja nur eine virtuelle Größe, und mit Hilfe des Jahresloses der Aktion Mensch, das ich mir gerade rausgelassen habe, beziehe ich nächstes Jahr mit Sicherheit eine monatliche Rente von 3000 Euro und eine Traumvilla.

Job
Der berufliche Sechser im Lotto hat dieses Jahr leider noch nicht funktioniert, aber da setze ich 2012 voll auf das oben erwähnte Jahreslos.

Liebe
Ich habe wegen Lancelot nicht nur irrtümlicherweise einen halben Nervenzusammenbruch am Stuttgarter Flughafen erlitten und daraufhin wieder mit dem Rauchen angefangen, bevor ich mit Dr. Sprite nach Berlin flog, die dort drei Tage lang mein Tourette-Syndrom ertragen musste, sondern auch erfolgreich die Beziehung mit selbigem zu etwa 50% in den Sand gesetzt. Da ich mich derzeit noch im akuten Entzug befinde, bitte ich weiterhin inständig darum, mich mit beziehungstechnischen Erfolgsgeschichten, Verlobungen, Hochzeiten, romantischen Liedermachern, Rosamunde-Pilcher-Filmen und „Mein/e Mann/Frau sagt/kocht/kann immer“-Gedöns zu verschonen. *)s. Kommentare

Leibesübungen
Neben meiner Beziehung haben auch meine fünfzehn Jahren alten Joggingschuhe im Traumurlaub an der südfranzösischen Küste das Zeitliche gesegnet, und da ich aus genannten Gründen kein Geld für neue Laufschuhe besitze, belege ich derzeit gemeinsam mit Ma Baker mehr oder weniger regelmäßig einen Yoga-Kurs der örtlichen Volkshochschule. Durch ihn habe ich gelernt, wie der Fisch geht, dass er gut ist für die Schilddrüsenregulation, dass man dabei schlecht oder nicht schlucken kann und dass einem davon die Arme einschlafen. Shantishanti.

Selbstfindung
Ich habe dieses Jahr nicht nur meinen Papa gefunden, der mich regelmäßig ins Tragetuch packt, wenn die Welt gemein zu mir ist, sondern auch eine Mama mit wilden Röcken, die nachts energisch meine Wohnung von alten Hamsterkäfigen und anderem Unrat befreit. Wasser ist dicker als Blut. Ansonsten bin ich mit Soulsister Ma Baker auf den Spuren der heiligen Ursel über die Schwäbische Alb gewandelt und habe mit ihr – Ma, nicht Ursel – in rituellen Hexenfeuern so ziemlich alles verbrannt, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Darüber hinaus habe ich bei einem eigens von Ma Baker geleiteten Frauenseminar an der VHS herausgefunden, was ich in meinem tiefsten Inneren bin: Ein Superman-Marienkäfer, der kleinen Ameisenkindern das Leben rettet.

Ausblick
Die Rama-Frau wird mit großer Gewissheit auch 2012 nicht in Erscheinung treten, Ma Baker und ich haben nämlich im Laufe dieses Jahres ein weiteres der letzten Geheimnisse gelüftet: Die Rama-Frau, die in den 70er Jahren des letzten Jahrtausends den heilen Werbefamilien ein üppiges Frühstück und die pure Idylle in den Garten radelte, gibt es gar nicht, zumindest nicht für uns Irdische. Genauer gesagt wird sie uns erst in unserer letzten Minute, exakt in dem Moment, in dem wir das Zeitliche segnen, als Skelettfrau mit holländischen Frau-Antje-Zöpfen erscheinen, mit frischen Brötchen, O-Saft und einer fetten Packung Rama beglücken, und sagen: Siehst Du das weiße Licht? Komm und folge mir, ich mach‘ Dir Frühstück!

Namasté
die aktuelle

Karte rein, glücklich sein

Wenn man innerhalb von 21 Monaten die 89. Runde unerquicklichsten Liebeskummers wegen dem gleichen Typen dreht, gibt es fast nichts Besseres als einen Abend mit Wärmflasche, Stricksocken, Schlabberhose, Plüschdecken, Ignatia D6, einer halben Flasche Wein und dem Programm von Sixx, auch wenn man normalerweise weder trinkt noch fernsieht. Liebeskummer ist Luxus, und man entwickelt ja eine gewisse Routine. Glücklicherweise laufen vier Folgen Sex and the City am Stück, unglücklicherweise läuft dazwischen ein Haufen dämlicher Werbung. Frauenwerbung, schließlich ist Sixx der einzige autorisierte Frauensender, zumindest hierzulande.

Jedenfalls, die Werbung. Da hätten wir als erstes windeln.de mit einer „Riesenauswahl an Babyartikeln“, als nächstes irgendeine Schokolade, direkt gefolgt von einem Mittel gegen „Dehnungsstreifen“ (nie gehört). meinmuesli.de verspricht „das perfekte Müsli“, Edeka mobil dagegen „Karte rein, glücklich sein“. Dazwischen eine erfrischende Vorschau für das Halloween-Programm: Scary Movie I+II und der Serienmontag mit vier Folgen Vampire Diaries, prima, da falle ich wenigstens nicht auf. Dann irgendwas mit „Mode, Styling, Wellness – einfach alles, was uns Frauen interessiert, spannend und bunt wie wir“ (ich distanziere mich) und schließlich Chance Chanel. Elitepartner.de für „Akademiker und Singles mit Niveau“ gibt mir den Rest. Und dann sind es auch noch die letzten vier Folgen der letzten SATC-Staffel, und alle entdecken die Liebe, und Big holt Carrie nach New York zurück. Gott, was für ein Dreck.

die aktuelle

3-2-1-0 Ein notwendiger Abgesang

Bild: DoctorWho, Lizenz: CC

Schon seit Anfang September lief der Countdown langsam aber sicher Richtung Krankenhaus-Glastür, die sich bald für immer hinter mir schließen sollte – ich draußen und der Rest bitte DRINNEN!! Die Schwester war angezählt, ein totes Pferd. Agent Elliot Panty hat ihre letzte Mission erfüllt – sie hat nach ausgiebigem Bebrüten des Eis, wie das so ihre Art ist, kühn und präzise zugeschlagen und gekündigt. Eigentlich sollte dies ein Artikel in bekannter Wunderbramanier werden, ein humoristisch aufbereiteter Abgesang auf 11 Jahre Fencheltee, Schichtwechsel, Kreuzschmerzen, Waschlappen, Lebenretten und Paradiespunkte. Seit meinem finalen Spätdienst letzten Dienstag warte ich darauf, daß sich irgendein wuchtiges Gefühl einstellt – riesengroße Erleichterung, Wehmut wegen den Kollegen, neue Freiheit – irgendwas muß doch jetzt von mir abfallen wie eine Geröllawine. Oder? Die Wahrheit ist eine sehr verhaltene Mischung aus allem gleichzeitig, die auch nach lägerem Nachdenken keinen lustigen roten Faden hergeben will. Also heute mal weniger witzig, dafür mehr wahr.
Hier ein kleiner Blick in meinen Kopf, den seit Tagen Erinnerungen durchwandern. Der Backstagebereich eines Krankenhauses ist eine sehr eigene Welt, die sich von Serien wie Emergency Room im Wesentlichen dadurch unterscheidet, daß man sich in der Realität immer fragt, wo denn die ganzen Leute mit der kleinen Rolle sind, die auf Abruf bereit stehen und ständig rufen: Ich kümmer mich drum! Um die Anlage einer Thoraxdrainage (weil der Patient keine Luft mehr kriegt), oder um eine Notfallcomputertomographie (weil alles den Anschein hat, als wären mal eben einige Liter Blut irgendwo im Patient verloren gegangen, die man dringend wiederfinden sollte, oder zumindest das Loch, durch das sie entwischt sind). Dort, wo in der Glotze einfühldsame Ärzte einfühlsame Gespräche mit Angehörigen führen findet sich in der Realität oft niemand, und der hat für sowas auch keine Zeit. Was hätten wir für einen aufblasbaren George Clooney gegeben, der immer im richtigen Moment mit seinen Rehaugen zur Stelle gewesen wäre und die richtigen Worte gefunden hätte.
Es ist eine Welt, in der einem Seiten des Menschseins begegnen, die man im Leben draußen nicht zu Gesicht bekommt. Vor allem ältere Menschen produzieren nach einer Narkose oftmals einen vorübergehenden Verwirrungszustand. Man bekommt Teetassen an den Kopf und im nächsten Moment eindeutige Avancen, man wird vergöttert, verflucht, gestreichelt, angespukt und dann wieder von vorn.
Und egal, ob sie nun verwirrt sind, Schmerzen haben, bei jedem Handgriff auf Hilfe angewiesen sind oder im Sterben liegen, den meisten Patienten kommt man sehr nahe – so nah, wie man ihnen im normalen Leben nie kommen würde. Man erfährt etwas über das Menschsein an seinen Grenzen. Und über das Sterben, den Tod, den man dann hastig in Kühlfächern verschließt oder versucht, wegzudesinfizieren, obwohl er einfach in der Luft liegt. Manchmal begegnet man ihm in Frieden, winkt mit einem weißen Taschentuch, welches sagt: Du darfst kommen! Aber meistens zieht man in eine Schlacht, bewaffnet mit Beatmungsgeräten, Defibrillator und allem, was pharmazeutisch gut und teuer ist, und erst nach Wochen wird endlich kapituliert. Man fühlt sich wie der Weihnachtsmann und der Osterhase gleichzeitig, der jemandem nach 3 Tagen Nüchternsein den ersten Schluck Wasser anbietet oder ist die gute Fee mit dem hochpotenten Morphinderivat im Anschlag, das grausige Schmerzen in einer weichen weißen Wolke auflöst. Man erfährt tiefe Dankbarkeit und weiß, daß einem etwas sehr Wichtiges anvertraut ist.
Neben dem jahrelangen berechtigten Klagen und Schimpfen wollte ich das nochmal ausdrücklich erwähnen.
Und jetzt bye bye Schwester, es war auch schön mit Dir!

Ma Baker

Plazenta-Party

Kinder, wie die Zeit vergeht. Da bekommst Du ein Kind, Deine Freundin auch, dann ein zweites, Deine Freundin auch, die bekommt ein drittes, Du nicht, aber egal. Du kommst zwar zu nix mehr, aber als perfekte 1A-Alternativ-Supermutter schleppst Du nach der Geburt natürlich trotzdem die im Schweiße Deines Angesichts produzierte Plazenta aus dem Geburtshaus mit nach Hause, um sie angemessen würdevoll und rituell zu begraben und ein Lebensbäumchen für das Kind darauf zu pflanzen. Nur, vor lauter Stillen, Wickeln, Biobrei-Kochen, Bauernhofbilderbüchervorlesen, Babymassage und Schwimmkursen, Musikgarten und Pekipgruppe, durchzechten Kreischnächten, Windpocken, Streptokokken, Impfterminen, Kindergruppeneingewöhnungen, Wieder-in-den-Beruf-Einsteigen, Scheidungsschlachten und dem ganz normalen Überleben kommst Du leider nicht mehr zum rituellen Vergraben des heiligen Mutterkuchens, und eh Du Dich versiehst, wirfst Du ihn einfach in die Gefriere. Oder, wenn Du keine eigene Gefriere hast, in die einer guten Freundin. Du denkst nicht mehr groß daran, die Freundin auch nicht, und wenn, dann höchstens: Nicht jetzt. Die Jahre vergehen, und dann zieht Deine Freundin um und muss die Gefriere abtauen.

Wir glühen vor, die Plazenten tauen auf

In Fantas Kühltruhe lagern mittlerweile drei Plazenten, nämlich die von Lotti, Rulle und Wulle, die von Hotti und Mulle konnten wir anderweitig entsorgen. Nach 256 geplatzten Plazenta-Party-Terminen spielen wir mit dem Gedanken, die Dinger einfach in den Restmüll zu kippen, aber zwei Tage vor Fantas Umzug packt uns schließlich der Ehrgeiz. Wir sitzen auf meinem Balkon und warten, bis Hotti und Lotti eingeschlafen sind. Während wir mit Radler vorglühen, tauen im Eimer auf Fantas Gepäckträger die Plazenten auf. Als es dunkel wird, ziehen wir los Richtung Wald. Im Rucksack: eine Taschenlampe, eine kleine Gartenschaufel und eine große Flasche Gran Reserva. Im Eimer: drei halb aufgeweichte Mutterkuchen in Plastikbeuteln. Kaltblütig stolpern wir durchs Unterholz und suchen nach einer ebenso würdigen wie wurzelfreien Stelle, was im Wald nicht ganz einfach ist, außerdem hat es seit Tagen nicht geregnet, und der Boden ist furztrocken. Aber was ist ein nächtlicher Wald gegen zwei entschlossene Alternativmütter?

Fehlt nur noch die Polizei

Wir entscheiden uns schließlich für einen Platz im Irgendwo, und als mir irgendwann auch meine Taschenlampe wieder einfällt, wird es richtig lauschig. Wir zerteilen Regenwürmer, Spinnen kriechen durch die Erde, und auch ansonsten ist im Wald schwer was los. Fantas Handy klingelt, große wilde Tiere rascheln im Gebüsch, fehlt nur noch die Polizei. Nach zwanzig Minuten haben wir ein circa zehn Zentimeter tiefes Loch. Wir sind schweißgebadet, die Handgelenke schmerzen, ein Stück vom Schaufelgriff bricht ab, und wir fragen uns, wieviel Tage man wohl braucht, um eine Leiche zu verscharren. Plötzlich wird uns wird klar, warum so viele Leute ihre Leichen einfach in Betongruben werfen. Fanta schimpft: „Jaja: ‚Lebe wild und gefährlich!‘ Darunter habe ich mir sowas wie wilden Sex vorgestellt und nicht die Produkte von Sex im Wald zu vergraben!“ Ich denke, den Spaten von Dr. Sprite auszuleihen, hätte durchaus Sinn gehabt.

Aber es hilft ja nichts, da müssen wir jetzt durch, und die Vorstellung, irgendwelche Füchse oder andere räudige Waldbewohner könnten unsere schönen ehemaligen Körperteile ausgraben und auffressen, treibt uns weiter an. Nach gefühlten drei Nächten knieen wir schließlich vor einem Loch, in das unsere angetauten Ex-Organe, wenn man sie richtig hinein quetscht, gerade so passen müssten. Wir diskutieren kurz, ob es karmatechnisch zu verantworten ist, sie mit Plastikbeutel zu vergraben, entscheiden uns dann aber dagegen. In Ermangelung eines Taschenmessers reißt Fanta die Plazentatüten auf, eine ist gleich dreifach eingepackt, und die Soße läuft ihr über die Hände. Es ist nicht schön, und wir bringen die Sache schnell hinter uns. Als wir hinterher die große Flasche Gran Reserva kippen, sind wir uns einig, die Dinger in die Restmülltonne zu werfen, hätte nicht halb so viel Laune gemacht. Das kann ja jede 0815-Mutti.

die aktuelle

Plötzlich Scheidungskind

Man soll die Leute ja nicht unterschätzen, am wenigsten die eigenen Eltern. Als ich am Samstagmorgen nach einigen Wochen mal wieder meine Mutter anrufen wollte, um mich aus einem unsäglichen Urlaub an der französischen blauen Küste zurückzumelden, war da unter der alten Nummer plötzlich nicht mehr der normale Telefonanschluss eben meiner Mutter, sondern die Mailbox meines Vaters. Weil ich den schon seit zehn Jahren nicht mehr gesprochen habe, legte ich auf, leicht irritiert, aber nicht alarmiert. Als ich dann eine Stunde später zum Briefkasten schlappte, lag da ein blauer Brief meiner Mutter, in dem sie mir mitteilte, dass sie vor einigen Wochen bei meinem Vater ausgezogen sei und dass sie nun in der Kurzstr. 88 wohne, die aber immer noch die gleiche Postleitzahl habe. Ah ja. Ich meine, die Nichtänderung der Postleitzahl finde ich jetzt nicht ganz so gravierend, den Auszug meiner Mutter dann schon eher, zumal es bei unserem letzten Gespräch wenige Wochen zuvor zwar um Hotti, Lotti, den Garten, Autos und das Leben als solches ging, nicht aber um neue Wohnungen und größere Lebensveränderungen.

Das Ganze traf mich auch insofern ein bisschen unvermittelt, weil ich mir seit 36 Jahren den Mund fusselig rede, dass Trennungen unter gewissen Umständen durchaus von Vorteil, und zwar für alle Beteiligten, sein könnten, und ich mir mit meinem altklugen Dahergequassel in dieser Familie nicht besonders viele FreundInnen gemacht habe. Und dann, mal eben so ein kleiner blauer Brief, Kurzstr. 88, gleiche Postleitzahl, soso, nach 38 Jahren das elterliche Ehe-Aus. Da wird man ja als Kind plötzlich stockkonservativ und superegoistisch und denkt Sachen wie: Nach all den Jahren?? Oder: Und ICH?! Nicht, dass man sich als 36jähriges Scheidungskind noch Sorgen macht, ob man jetzt alle zwei Wochenenden beim Papa ist, den Hamster behalten darf und am Ende noch die Schuld an der Scheidung trägt oder so, nein, aber wenn man sein Leben lang hart an einer Identität als schwarzem Familienschaf mit notorischem Hang zum Therapieren und Rebellieren gearbeitet hat, dann steht man auf einmal doof da, so ohne Aufgabe. Man braucht nicht mehr zu sagen, dass die Eltern sich nicht guttun, dass man heutzutage doch als Frau in unseren Breitengraden für eine Scheidung nicht mehr gesteinigt wird, dass die Kinder (ich) jetzt schließlich groß seien, mehr oder weniger, und dass man das Ganze anstrengend finde, wollte ja eh noch niemand hören. Man braucht nichts mehr besserzuwissen, man muss niemandem mehr auf die Nerven gehen, man kann einfach die Klappe halten und die Leute machen lassen. Ganz in Ruhe. Vielleicht wissen sie ja am Ende doch, was sie tun. Und wenn man mich hier als Berufstrotzkopf und Schwarzschaf nicht mehr braucht, dann suche ich mir halt einen anderen Job. Nur welchen? Vorschläge gerne wie immer an die wunderbra-Redaktion.

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Time for a Change!

Der Balkon gehört mir und potenziellen Zwergkaninchen.

Wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein radikaler Umbruch her, der geschwind Dein Leben auf den Kopf stellt. Dieser alten Lebensweisheit entsprechend wurde mir letzte Woche nicht nur meine Traumwohnung, sondern auch gleich mein Traumjob angetragen. Aber mein Tarot hat’s ja gleich gesagt.

Gerade noch rechtzeitig, bevor die hausinterne Sex-Stasi den Deutschen Mieterverein auf den Plan rufen konnte, ruft mich die Mutter von Hottis bester Freundin an und fragt, ob ich nicht in ihren Wohnblock ziehen wolle, da werde gerade eine bezahlbare Dreizimmerwohnung frei und zwar im Prinzip sofort. In diesem Wohnblock wohnt im Übrigen auch Lottis beste Freundin, auch wenn die ein Junge ist, das macht aber nichts, Lotti sagt immer: „Der Dino ist meine beste Freundin.“

Jedenfalls: 3 Zimmer, 2 (!) Balkone (einer für Kräuter und potenzielle Raucherbesucher, einer für mich und potenzielle Zwergkaninchen), 1 nette Hausgemeinschaft mit ca. 972 Kindern, 1 obercooler Innenhof mit Spielplatz, in den sich die Kinder während der Sommermonate bequem ausquartieren lassen, 1 Hausmeister, der meinen Müll rausträgt und Kehrwoche macht (!!), 1 Bach, der idyllisch vor meinen 2 (2!) Balkonen dahinplätschert, und 1 Waldrand, in dem Hotti und Lotti Bären jagen und sich die Klamotten zerfetzen können. Darüber hinaus ein paar supernette Vermieter, die mir nicht nur eine neue Küche passgenau um meine Spülmaschine herum einbauen, sondern auch noch sämtliche Wände streichen, die Böden abschleifen und einen sozial verträglichen Mietpreis verlangen. Wunder gibt es immer wieder.

Und weil das noch nicht cool und krass genug ist, ruft als nächstes der SysOp an und fragt mal eben, ob ich vielleicht Interesse daran hätte, meinen Traumjob auszuüben, er könne ja mal ein Vorstellungsgespräch organisieren. Och, weißt Du…

Meine To-Dos für die nächsten Wochen gestalten sich dementsprechend folgendermaßen:

1. Geld auftreiben für ganz viele tolle schicke Möbel, 1 Umzugswagen und 2 doppelte Monatsmieten (Kleinigkeit)

2. Menschen auftreiben, die meine vielen tollen schicken Möbel schleppen, meine Kinder sitten und das Catering organisieren (keine Sorge, Ihr bekommt rechtzeitig Bescheid!)

3. eine Plastiktüte auftreiben, in die ich beim Vorstellungsgesprächsessen mit meinem zukünftigen Chef atmen kann.

Das ist überschaubar.

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Fanta geht

Nichts ist sicher, das stand schon mit 15 auf meinem Lieblings-T-Shirt. Meine Freundin, Mitmutter und Cohexe Fanta verlässt mich und Lingendingen, um ihre Zelte und ihre drei Kinder Mulle, Rulle und Wulle in der nordschwäbischen Provinz aufzuschlagen. Ich kann nur sagen: I am not amused!

Wir waren: Neurotische Erstlingsmütter

Mulle.

Gemeinsam stillten, schuckelten und tauschten wir unsere mondgesichtigen Säuglinge und zogen sie im Fahrradanhänger durch die Gegend, um der anderen 30 Minuten Luft vom Babywahnsinn zu ermöglichen. Zu unserer Belustigung setzten wir ihnen Perücken und Strumpfhosen auf die Köpfe, verbrachten etliche Sommer im Schwimmbad, wo wir unsere beschwimmflügelten Schnuckis durch pisswarme Planschbecken zogen, buken tonnenweise Kuchen im Sandkasten und hüteten unsere bereits vorhandenen Kinder, wenn die andere ein weiteres zur Welt brachte.

Hotti.

Wir hechelten individuelle Entwicklungsschritte durch (Zähne, Sprache, Motorik), diskutierten Ernährungs-, Erziehungs- und Beziehungsfragen, Vor- und Nachteile diverser Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie Chancen und Risiken von Stoffwindeln und Mehrfachimpfungen, arbeiteten uns in Homöopathie für Kinder ein und absolvierten gemeinsam einen Erste-Hilfe-Kurs für Kleinkinder, als Hotti sich eine Ladung Waschpulver ins Gesicht kippte. Kurz, wir machten all das, womit neurotische Erstlingsmütter ihrer Umwelt den letzten Nerv ziehen.

 
Rosa Baumwollunterhosen und Heidelschnucki

Scheidungfeiern beim rituellen Adventskranzbinden.

Später gestanden wir uns, wie gern wir die lieben Kleinen manchmal an die Wand klatschen würden, entlausten und bestritten Kindergeburtstage, gingen hotten in die Russendisco, und als unsere Beziehungen den Bach runtergingen, hingen wir einen Winter lang am Telefon, um uns von Kinderknast zu Kinderknast psychisch und nervlich über Wasser zu halten. Als Stiftung Hexentest nahmen wir potenzielle Liebhaber der jeweils anderen unter die Lupe, und als ich wochenlang mit einer äußerst unlustigen Lungenentzünzung vor mich hinvegetierte, ging Fanta sogar rosa Baumwollunterhosen für mich einkaufen – das ist wahre Freundinnenschaft! Gemeinsam schulten wir unsere Kinder ein und begossen schließlich Fantas Scheidung mit einer Flasche Sekt beim rituellen Adventskranzbinden.

And then came Heidelschnucki, in den Fanta sich so verknallte, dass sie jetzt Lingendingen den Rücken kehrt, der Rest ist Geschichte. Tja, so schnell geht das. Gemäß meines diesjährigen Tarots werde ich jetzt nicht hadern und zähneklappern, sondern Fanta auf diesem Wege Liebe, Glück, Segen, keine weiteren Kinder und eine stabile Internetverbindung wünschen: Good bye, old friend – may the Force be with you!

Alles Liebe
Cola

Willkommen, Welcome, Bienvenue…

…ein neues Jahr erwartet Sie. So, mein Herz, ich und hoffentlich auch die britischen Synthiepopper von Hurts haben das alte Jahr überlebt und sind irgendwie im neuen angekommen, and we proudly present: 2011. Klingt jetzt noch nicht so wahnsinnig spektakulär, aber das kann ja noch kommen.

Mein Jahrestarot habe ich in Form des Keltischen Kreuzes vorgestern gelegt, insofern ist mein Jahr bereits gelaufen. Ich habe gezogen: den Gehängten, den Tod und den Mond (der ungefähr so ätzend ist wie der Gehängte und der Tod zusammen). Aber man soll ja nicht immer alles so schwarz sehen, schließlich hätte es noch schlimmer kommen können, ich hätte noch dazu den Turm, den Untergang und die Grausamkeit erwischen können, habe ich aber nicht, ich alter Glückspilz. Zusammenfassend lässt sich über das mir bevorstehende Jahr 2011 sagen: Ich werde innerlich und äußerlich steinreich, soll Altes abschließen, soll Altes abschließen und soll Altes abschließen. Darüber hinaus soll ich Altes abschließen, um frei zu sein für all die wunderbaren Dinge, die da auf mich zukommen. Immer vorausgesetzt, ich überlebe das alles.

„Meine Güte, Aktuelle!“

Meine Wachstumskarte für dieses Jahr ist „Der Wagen“, der im Übrigen auch meine Persönlichkeitskarte ist, am Ende komme ich möglicherweise doch noch irgendwie bei mir an. Passend dazu entfuhr es meiner Mutter neulich, als ich mich mal wieder über das Leben als solches, und welche Haken es doch immer wieder schlägt, wunderte: „Meine Güte, Aktuelle! Du bist jetzt 35 Jahre alt, Du müsstest doch langsam mal kapiert haben, wie dieses Leben funktioniert!!“ Mama! So energisch und entnervt ob meiner gelegentlichen Naivität und Fassungslosigkeit dem Leben gegenüber habe ich sie in den letzten 35 Jahren selten, wenn nicht gar nie, erlebt. Ich muss ihr wirklich auf den Keks gegangen sein oder sie hat sich aus irgendeinem Grund total vergessen. (Ich muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass meine Mutter die Zurückhaltung in Person und Contenance ihr zweiter Vorname ist.)

Zurück zu 2011: Wunderbra wünscht seiner stetig wachsenden Fangemeinde (es dürften inzwischen 10 sein) aus tiefstem Herzen ein großartiges, glückliches und wunderbrares neues Jahr!

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