Black Attack oder Herzgrippe III

In gewisser Hinsicht war 2010 das Jahr der großen Herzenslektionen. Nach Herzgrippe I (Sich verlieben) und Herzgrippe II (Sich aus Verliebtheit zum Deppen machen) schließen wir an dieser Stelle unsere launige Reihe folgerichtig mit Herzgrippe III (Vor die Hunde gehen vor Liebeskummer).

Eigentlich ist alles unerträglich

Man will seine Ruhe und auf keinen Fall alleine sein. Man möchte niemanden hören und sehen und befürchtet in den eigenen vier Wänden durchzudrehen. Man erträgt keine Stille, man erträgt keine anderen Leute und das Fernsehprogramm erträgt man auch nicht. Eigentlich erträgt man gar nichts. Man will keine Dramen sehen, Happy Ends noch viel weniger. Was man aber überhaupt nicht sehen will, sind Pärchen, erst recht keine glücklichen (streitende gehen gerade noch). Der selektiven Wahrnehmung entsprechend scheint die Welt allerdings nur noch aus strahlenden Katalogfamilien zu bestehen, wo die Rama-Frau morgens mit dem Fahrrad das Frühstück in den Garten fährt und auch ansonsten alles super läuft, so dass man selbst sich vorkommt wie der letzte Depp im Universum, der keine Beziehung auf die Reihe bekommt: Eine Aussätzige.

Man möchte niemandem unter die Augen treten. Man möchte zurück ins Tragetuch und eine Mama, die „Eiei“ macht und „Heileheilesegen“ singt. Man möchte schlafen, und zwar so lange, bis bitte endlich alles vorbei und wieder gut ist. Das Problem: Man kann nicht schlafen. Man möchte sich morgens um 7 ein Bier aufmachen und ein zweites gleich um 8. Man möchte saufen, heulen, zähneklappern. Mittleres tut man gerne, oft und unvermittelt, wenn man nicht gerade wie versteinert vor sich hinstarrt. Den Versuch an normalen Unterhaltungen zu partizipieren braucht man gar nicht erst zu unternehmen. Richtig super wird das Ganze gekoppelt mit einem ordentlichen Weihnachtsblues und der prämenstruellen Depressionsvorhölle – eine echte Traumkombination.

„Reanimieren!!“

Die Hoffnung, dass das eigene Herz sich möglicherweise eines schönen Tages nicht mehr anfühlen könnte wie gepfählt und tiefgefroren, existiert nicht. Stattdessen möchte man sein Herz in die Notaufnahme des städtischen Krankenhauses fahren und den Sanis ein panisches „Reanimieren!!“ zukreischen. Draußen ist Weiße Weihnacht und die Welt ist schwarz.

Sehr verbunden bin ich gegen Jahresende der ansonsten recht seltsamen neuen Synthiepoptruppe Hurts aus Großbritannien, die mir mit ihrem aktuellen Weihnachtsdepressionshit All I Want For Christmas Is New Year’s Day nicht mehr aus der Seele sprechen könnte: Happiness has never felt so far away.

die aktuelle

Joy to the world

So, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist soweit: Da ist er, der Heilige Morgen, und da ich den zum ersten Mal in meinem jungen Leben allein verbringe, habe ich hinreichend Zeit, um ihn entspannt dokumentieren und allen Menschen dieses Internets Friede auf Erden wünschen zu können. Denkt dran, es ist das Fest der Liebe, nehmt Euch zusammen!

Habe gerade einen Spam-Kommentar zu „Hysterische Weihnachten“ aus der Wunderbra-Warteschleife gefischt, der geht so: „Toller Beitrag. Ich habe einige Gedankenanstöße dadurch bekommen.“ Lieber linua667@gmx.net, das freut mich natürlich sehr, wenn ich Ihnen in Sachen Weihnachtshysterie ein bisschen auf die Sprünge helfen konnte! Gerne wieder.

Dann bin ich noch über die Twitter-is-down-Meldung gestolpert, die mich mit den Worten tröstet: „Es ist ein technischer Fehler aufgetreten. Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit – wir lösen das Problem und alles wird bald wieder seine Richtigkeit haben.“ Wie geil, das wünsche ich mir für mein analoges Leben auch. Wäre es nicht fantastisch, wenn im Real Life Banner mit der Aufschrift „Wir lösen dein Problem und alles wird bald wieder seine Richtigkeit haben!“ mit Segelflugzeugen durch die Luft gezogen oder von Postboten in Telegrammform an unseren Haustüren abgegeben würden, wenn etwas schief läuft, was ja hin und wieder doch mal vorkommt? Eine weitere Geschäftsidee…

Der Zustand ist stabil und ich muss nicht in die Kirche

Ansonsten: Der Zustand ist stabil, der Weihnachtskuchen für die Feier bei Ma Baker und Wutbürger (alias EDV-Schnucki, aber so will er nicht mehr genannt werden) gebacken, die Augen beglitzert, jetzt muss ich mich nur noch todesmutig mit 1 Million anderen Wutbürgern im Supermarkt meines Vertrauens um Himbeeren, Waffelröllchen und ein Gesellschaftsspiel prügeln. Das ist überschaubar. Und ich muss nicht in die Kirche!!

Zwischenfazit: Weihnachten ohne Familie ist nicht so schlecht wie ich dachte. Zumindest muss ich mir keinen Kopf machen, dass sich unter meiner Nordmanntanne irgendwelche Omas in die Haare bekommen, weil sie sich eifersüchtig um die Gunst der Enkel behaken. Und ich muss mich auch nicht über Tante Gisela aufregen, die den ganzen Abend das Elend der Welt anprangert, oder über Onkel Hubert, der sich erst die Hucke vollsäuft, um dann den ganzen Abend lang sexistische Witze zu erzählen. Und das Problem mit Trashgeschenken von irgendwelchen Schwiegermüttern in Form von Tweety-Nachthemden in Kindergröße oder geschmackvollen Buchstützen, die mehr Raum einnehmen als die Bücher selbst, stellt sich erst gar nicht.

Zu Weihnachten bekommt Ihr von mir dieses Jahr nicht nur diesen wundervollen Blogbeitrag, sondern auch eine ganz fantastische – und wesentlich authentischere – „Last Christmas“-Version einer AC/DC-Cover-Band namens Riff/Raff – endlich ist dieses Lied wieder hörbar!

Euch allen out there: Fröhlische Weihnachten!

Hysterische Weihnachten!

Die Nerven liegen blank. Nikolausfressen hilft.

Ok, 48 Stunden vorm Showdown und die Nerven liegen blank. Während andere sich über das Festtagsmenü in die Haare kriegen („ICH wollte den Nachtisch machen!! Immer musst Du Dich in den Mittelpunkt drängeln!!!“), sich im Supermarkt um die letzten frischen Fische schlagen und sich Konserven aus den Händen reißen, rast Hotti schrille Töne ausstoßend durch die Wohnung und kreischt: „DIE GESCHENKE FÜR DEN PAPA SIND NOCH NICHT FEEEERTIIIIIIG!!!!!“. Lotti steigert sich beim Baumschmücken in einen Opferfilm hinein, weil sie „ALLES alleine“ machen muss („KEINER hilft mir!!“) und ich drohe in einer sich spontan materialisierenden Festtagsdepression zu versinken, die mir weismachen will, dass ich der einzige Mensch in der christlichen Galaxie sein werde, der über die Hoch- und Heiligtage nicht in einer Pärchen- oder Familienblase verschwindet („Ich bin SOOOO ALLEIN!!“), weil ich kinderfrei habe und ich Weihnachten eigentlich mit meinem Liebsten verbringen wollte, was jetzt allerdings Geschichte ist, weswegen ich netterweise zu Ma Baker und EDV-Schnucki eingeladen bin und dort eigentlich für den Nachtisch sorgen sollte, was mir aber, wie gesagt, von jemandem abgeluchst wurde.

Ich werfe mir ein: Ignatia D6 (gegen Liebeskummer), Sepia D12 (gegen Aggressionen), Rescuetrofen (als Hyperventilationsprophylaxe), drei Alnatura-Marzipantaler (geil) und schreibe mit zittrigen Fingern eine SMS an Ma Baker, sie möge mich bitte daran erinnern, dass das nur ein GANZ NORMALES WOCHENENDE sei und dass auch dieses vorübergehe. Ma schreibt zurück: „Hallo Vorhöllenaktuelle, es ist nur ein Tag und wir verbringen Zeit mit Essen, Trinken und Glitzern! Hohoho!“ Das beruhigt, gibt Stabilität und Sicherheit, Halt und Hoffnung. Mittlerweile fangen auch die Drogen an zu wirken. Gemeinsam richten Ma und ich eine exklusive Weihnachtsselbsthilfegruppenhotline ein (aktiv aus der Krise!), um die jeweils andere vorm psychischen Untergang zu bewahren. Darüber hinaus organisieren wir hysterische Partyspielchen für den Heiligen Abend (z.B. eine „Was war Dein schlimmstes Weihnachten“-Scharade), EDV-Schnucki möchte mit dem Nachtischklauer lieber Adorno lesen. Sollen sie. Wir werden uns nicht streiten. Wir werden uns alle vertragen, essen, trinken, unglaublich harmonisch sein und glitzern. Es steht wieder mal vor der Tür: Weihnachten. Sing Hallelujah!

santa aktuella

Wunschzettel II

Da Hotti und Lotti mich nicht nur haben ausschlafen lassen (abgesehen davon, dass sie um 7 Uhr auf Zehenspitzen zu meinem Bett geschlichen sind, um mir ganz vorsichtig ins Gesicht zu flüstern: „Mamaaaaa, wo ist die Schnur von meinem Baaademaaaaantellll?“), sondern auch seit geraumer Zeit ihre Barbies an- und ausziehen und Glitzernikoläuse in Serie herstellen, konnte ich heute Morgen ungestört meinen eigenen Wunschrecherchen nachgehen. Und nun, dear Ladies and Gentlemen, ist es so weit, wie lange haben wir auf diesen Augenblick gewartet, und hier ist er, we proudly present: den Wunschzettel der aktuellen. Dabei herausgekommen ist ein wildes Medley, das in etwa meine momentane Verfassung widerspiegelt.

Ok, wir müssen leider kurz unterbrechen, ich bekomme von Hotti gerade einen weiteren Glitzernikolaus geschenkt, den es entsprechend zu würdigen gilt, und Lotti vermisst ihre 297. gerade gebogene Büroklammer, die sie zum Aufstechen ihrer zugeklebten Kleberflasche benötigt. Abgesehen davon langweilt sich Hotti gerade zu Tode, weil sie niemanden ihrer Klassenkameraden auftreiben kann, aber Besuch haben will, während Lotti den Boden um meinen Schreibtisch herum mit Überraschungseikrümeln übersät. Überraschung. So, und jetzt ist den beiden eingefallen, dass ihr Papa heute Geburtstag hat und sie ihm deswegen am Telefon ein Ständchen bringen wollen. Aber nicht irgendeines. Deswegen haben sie jetzt alle Liederbücher dieser Welt – vor meinem Schreibtisch – ausgebreitet und singen jetzt mal alles an, was sie so kennen und nicht kennen. Jetzt ist die Schokolade vom Ü-Ei aufgefressen, daher muss ich nur eben ganz kurz das gelbe Plastikding aufmachen, heraus kommt eine Schildkröte, zum Glück ist sie schon fertig und ich muss ihr nicht noch die Beine in den Panzer stecken. Und jetzt sind sie neugierig geworden, was ich da eigentlich mache, so dass ich ihnen kurz erkläre, dass ich sie gerade ins Internet stelle. Lotti kreischt: „Nein, Du sollst uns nicht ins Internet stecken!“ Vielleicht ist das die schwarze Weihnachtspädagogik des digitalen Zeitalters: Statt zu drohen „Wenn Du nicht mit xy aufhörst, kommt Knecht Ruprecht mit der Rute / bringt das Christkind nur Kartoffeln!“ kommt man den Kindern von heute mit „Wenn Du nicht Dein Kinderzimmer aufräumst, steck‘ ich Dich ins Internet! Oder ins Kindermedienland.“

Was zu beweisen war. Genau deswegen weiß ich nicht, was ich mir wünschen soll. Also nochmal von vorne:

„Liebes Christkind!
Ich wünsche mir dieses Jahr zu Weihnachten:

eine Haushaltshilfe (Perle)
eine Glitzerstrumpfhose
alle Staffeln von Scrubs
alle Staffeln von Sex and the City
alle Staffeln von Scrubs and the City
Drei Nüsse für Aschenbrödel-DVD
keine Bücher
Kinder, die nicht riechen, wenn man sich 5 Minuten ausklinken will und ganz viele Pralinen (von Reber)

Ich war meistens brav und kann auch ein Gedicht.
Deine
aktuelle (35 Jahre alt)“

Oh, da liegen ja ein Lebkuchen und ein Schokoherz auf meinem Schreibtisch, die haben wohl die Weihnachtswichtel hier platziert… Man bekommt ja so viel zurück!

Wunschzettel

Wieso fragt mich dieses Jahr eigentlich niemand, was ich mir zu Weihnachten wünsche? Abgesehen davon, dass das diesjährige Weihnachtsfest bereits so was von gelaufen ist, bevor es auch nur in Ansätzen angefangen hat (so früh war ich noch nie dran), und mir außer innerem Gleichgewicht und dass bald Januar ist, eh nichts einfällt, wäre es wenigstens nett, mich nach meinem Wunschzettel zu fragen (WESSEN Wunschzettel?). Stattdessen wollen alle wissen, was Hotti und Lotti sich vom Christkind erwarten. Gut, wenn das so viel interessanter ist, hier die Wünsche meiner Kinder:

„Fürs Christkind von Lotti (4 Jahre):
Barbyauto
Barbyhaus
Plemobil
Kuschelhund“

Dazu muss man sich eine Zeichnung mit einem fetten Engel, einem fetten Barbyauto, einem grinsenden Plemo-Zombie und einer zerfledderten grauen Ratte vorstellen.

Hotti (7 Jahre) ist noch nicht so weit, sie feilt noch an ihren Wünschen, da sie sich, ganz ihrem Aszendenten Waage entsprechend, wieder mal nicht entscheiden kann. Plemobil oder ein Wollkleid oder große Kissen oder doch lieber nur Plemo? Mh. Auf jeden Fall „ganz viel Marzipan“. Platz gemacht haben sie auch schon, die Bauklötze, das Bobbycar und der Kaufladen sind rausgeflogen und im regionalen Kinderflohmarkt verscherbelt. Man kann Kindern nicht früh genug das Tauschprinzip nahebringen (ganz zu schweigen natürlich vom Aspekt der frühkindlichen Kapitalismuserziehung). Dieses Jahr keinen Weltfrieden (Lotti: „Ich schaff’s ja nicht mal mich nicht mit Lotti zu streiten, da brauch‘ ich mir auch keinen Weltfrieden wünschen.“) und keine Glitzerstrumpfhosen („Aus dem Alter bin ich raus.“). Vielleicht sollte ich mir dieses Jahr Glitzerstrumpfhosen wünschen, aus dem Alter für Weltfriedenswünsche bin ich schließlich raus. Ansonsten bekommen sie von meiner Seite aus Bobs, die ich seit zwei Wochen im Kofferraum mit mir herumfahre, damit die lieben Kleinen ihre Geschenke nicht schon wieder vorzeitig im Keller entdecken und damit auf allen Seiten Psychodramen auslösen. Und Bücher. Was das Christkind schenkt, ist sein Problem.

Sollten mir noch Wünsche für mich einfallen (für WEN??), lasse ich es dich, werte Fangemeinde, als erste wissen.

P.S.: Hier noch ein heißer Tipp für Heilig Abend: Der Feierabend (III) von Vera Henkel.

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Frohes Fest

Wenn es mit dem Liebsten, zumal in der Vorweihnachtszeit, in die Hecke geht, bietet das hinreichend Anlass für grenzenloses Selbstmitleid, exzessive Endzeitgedanken und eine gepflegte Depression. Vor allem möchte man sich übergeben, wird man unfreiwilliger Zeuge von Gesprächen über die kommenden Feiertage, die sich vor einem aufbäumen wie die Riesenschlange vorm Zwergkaninchen. Aber man muss ja nicht gleich alles so schwarz sehen, schließlich wohnt ja jedem Ende ein Zauber inne, oder war es der Anfang? Und endlich hat man ja vor allem auch wieder eins: Zeit, vor allem abends.

Endlich kann man abends wieder nach Strich und Faden Formulare ausfüllen und mehr als fristgerecht einreichen, Zeitschriften lesen, die man sich im Frühling gekauft hatte, weil es darin um die große Liebe ging, stundenlang Löcher in die Luft starren, Däumchen drehen, nach Herzenslust Zeit im Internet vergeuden oder selbstreferenziell über das eigene Elend bloggen. Hat man darüber hinaus noch ein paar handfeste Ordnungs- und Sortierneurosen, hat man gewonnen. Endlich kommt man mal wieder dazu, bis in die Puppen Stecknadeln im Nadelkissen nach Farbe und Teebeutel nach Farben, Geschmack oder Koffeingehalt zu sortieren. Man kann in Ruhe neue Klingen an die Spitzer der Kinder schrauben, deren 2193 Buntstifte sauber anspitzen, überprüfen, ob sich noch genügend Frostschutzwasser im Wischwassertank befindet und der Telefonstecker richtig in der Buchse sitzt, Listen schreiben oder auch mal wieder ganz gechillt die Unterlagen von der Krankenkasse durchsehen. Wahlweise auch die der Autoversicherung. Man kann das Telefonbuch lesen und früh schlafen gehen.

Hat man zudem in den vorangegangenen Monaten sein Sozialleben sträflichst vernachlässigt, droht auch nicht die Gefahr von anrufenden Freundinnen belästigt zu werden. Man kann entspannt vor sich hingammeln und froh sein, dass man Kinder hat, die einen davor bewahren, in der eigenen Wohnung zu Staub zu zerfallen.

die aktuelle

One of those days oder: Anna Chronismus

'Anachronism' von Gerhard Gepp, Lizenz: cc

Es fängt schon damit an, dass das Wochenende vorbei ist. Dann klingelt der Wecker und es liegen 10 Meter Tiefschnee, was zwar die bezaubernde Steilvorlage für einen romantischen Winterspaziergang mit dem Liebsten wäre, eine Autofahrt auf der 1234567 allerdings schlicht unmöglich macht, es sei denn, man hat 5 Thermoskannen Punsch, 13 Butterbrezeln, 4 Nusshörnchen, 25 Hörbücher, 30 Schlafsäcke und mindestens zwei Heizdecken dabei. Und einen Fernseher. Oder wenigstens mobiles Internet, was ich aber, als ich mir vor eineinhalb Jahren ein neues Handy kaufte, noch als völlig unnötigen Nerd-Schnickschnack erachtete und daher das einfachste und preisgünstigste Modell erwarb, mit dem man zwar ganz bodenständig telefonieren, Kurznachrichten verschicken und sich wecken lassen kann, dessen Unterhaltungsfaktor abgesehen von diversen Klingeltönen und Farbeinstellungen jedoch recht begrenzt ist, aber das führt jetzt zu weit.

Ich beschließe mit dem Fahrrad zum Bahnhof, von dort aus mit dem Zug in die Landeshauptstadt und von da weiter mit der U-Bahn zur Arbeit zu fahren, wobei es mich zunächst mitten auf der Straße aufs Glatteis legt und ich mir die Beine blau schlage, was mich nicht nur in Zeitnot, sondern auch in eine Riesenwut versetzt, ich DANN, nach 5 Minuten Schlangestehen, auf ein neues Fahrkartenautomatensystem stoße, bei dem ich mir in der Hektik dämlicherweise eine viel zu teure Fahrkarte rauslasse, aber immerhin, so dass ich es GERADE noch (7 Uhr 57!!!) auf das richtige Gleis schaffe. In dem Moment fährt der Zug ab. Ich bilde mir ein, die Leute hinter den Scheiben im davonfahrenden Zug über mich lachen zu sehen.

Wer war das?

Doch damit nicht genug, weil, wie wir spätestens seit dem letzten Silvester wissen, schlimmer geht immer. Auf der Arbeit angekommen möchte ich nur eins bzw. zwei: 1. Kaffee, 2. Arbeiten. In Ruhe. Ungestört. Ich möchte einfach nur meine Arbeit machen, aber aus irgendwelchen Gründen geht das seit Wochen schief, weil jedes Mal, wenn ich zu Wochenanfang mit dem bescheidenen Wunsch EINFACH NUR ZU ARBEITEN in mein Büro komme, eine andere Hiobsbotschaft auf mich lauert. Heute lauert sie in Form der Nachricht, dass aus dem Projekt, in das Frau Dr. Sprite, Mr. Sonic und ich seit elf Monaten Zeit, Energie und Herzblut pumpten und dessen Realisierung eigentlich zum Greifen nah war, schlicht: nichts wird. Schade Scheiße.

Wieder Zuhause: Rolladenschnur fatzt durch, Wohnzimmer jetzt halb dunkel, Lotti hat Halsschmerzen und kann morgen nicht in den Kindi (schwarzer Tag), Yoga fällt aus, Kehrwoche. Wer, zur Hölle, denkt sich solche Tage aus?

War’s das jetzt?

Die lieben Kleinen.

Früher dachte ich, wenn ich mal groß bin, habe ich zwei süße kleine Kinderchen, arbeite in einer Bücherei, fahre ein lustiges Schrottauto und führe ein spaßiges, wenn auch chaotisches Leben, in dem ich hektisch, aber glücklich zwischen Job und Familie pendle und mich beim einen vom anderen erhole. Ich hatte Respekt vor den meisten Erwachsenen und der Arbeitswelt und stellte mir vor, dass alles irgendwann einen Sinn ergebe. Kurz, ich dachte: Später wird alles besser.

Heute habe ich Hotti und Lotti, zwei entzückende kleine Kinderchen, die glauben, ich sei groß, und die mir jeden Tag den wirklich allerletzten Nerv rauben, von dem ich dachte, den hätten sie mir bereits gestern zerrüttet, befülle eine Online-Bibliothek mit medienpädagogisch wertvollen Texten, fahre einen weniger lustigen als betagten Kleinwagen und führe ein einigermaßen strukturiertes, aber äußerst hektisches Leben, das ich zu großen Teilen auf der Bundesstraße 12745637392 verbringe, wo ich mich wiederum von meinem Job und meiner Familie erhole. Ich bin dabei, den letzten Rest Respekt vor den so genannten Erwachsenen zu verlieren, und auch die Berufswelt finde ich nur mäßig witzig.

Drama statt Rama

Das bisschen Haushalt? Kein Problem!

Früher unterstellte ich gestressten Müttern Missmanagement und eine überzogene Anspruchshaltung, Mutter-Kind-Kuren waren etwas für Weicheier. Außerdem fand ich, dass Mütter mehr Quatsch mit ihren Kindern machen und sich generell mehr von ihrem Partner verwöhnen lassen sollten. Vor Augen hatte ich: Blühende Landschaften des Familienlebens, das Rama-Idyll auf der Sommerwiese. Heute winde ich abends Adventskränze mit einer Freundin, an deren Namen ich mich vage erinnern kann, räume spätabends die Spülmaschine aus, hetze frühmorgens mit dem Gelben Sack drei Stockwerke die Treppe runter, und unter perfekt läuft gar nichts. Ich habe alle zwei Wochenenden kinderfrei und will pausenlos zur Kur. Wenn eins meiner Kinder mit mir Quatsch machen will, nehme ich schreiend Reißaus. In echt habe ich: die Nase voll.

Ist das jetzt der scheiß November, die Midlife Crisis, der super Kapitalismus oder einfach nur die schnöde Realität? Und geht das jetzt immer so weiter?!

Fragt sich und Euch
die aktuelle

Ich, wir beide und Schaf

Schaf mit Freund

Eines meiner Lieblingsstilmittel ist der Animismus – seelenlosen Alltagsgegenständen Leben einhauchen, sie denken, fühlen und sprechen lassen. Während der letzten drei Jahre wurde ich Zeugin eines spontanen Animismus, der sich auf sehr eigenwillige Weise in meinem direkten Umfeld ereignet hat. Eigenwillig deshalb, weil den zu animisierenden Gegenständen normalerweise ihr Leben von irgend jemandem ( normalerweise der Autorin ) eingehaucht wird, während in unserem Fall eher sowas wie eine Eigenbelebung stattgefunden hat.
Es begann alles in einem Tübinger Drogeriemarkt, in den ich mich vor einigen Jahren völlig verkatert und mit Regelschmerzen verirrt hatte. Da stand ich dann desorientiert rum zwischen Mönchspfeffer und Kondomen, bis mein Blick auf einen Ständer fiel, an dem puschelige Wärmflaschen in Schafform hingen. Mein regelschmerzender Bauch las nur das Schildchen, auf dem “ Wärme zum Wohlfühlen“ stand und schon lag eines dieser wonnespendenden Tierchen in meinem Einkaufskorb. Die ersten paar Tage war alles normal, ich füllte dem Schaf heißes Wasser in seinen dafür vorgesehenen Bauch und es tat, wozu es erschaffen worden war. Es verbreitete Wärme zum Wohlfühlen. Doch schon nach kurzer Zeit bemerkte ich beim Einschlafen eine gewisse Unruhe in meinem Bett. Irgendwie schien der Wonnespender nicht mehr ruhig auf meinem Bauch liegen zu bleiben. Es ging immer hin und her, knautsch und rangel und deckezupf. Immer wenn ich das Licht anmachte lag Schaf völlig wärmflaschenkonform da. Doch sobald ich wieder am Einschlafen war ging es von vorne los. Nach einer unruhigen Nacht wachte ich am nächsten Morgen auf und fand Schaf neben mir, wie es sich, einen Großteil der Decke ansich raffend, auch auf das Kopfkissen quetschte. Damit war eine neue Ordnung hergestellt, eine Augenhöhe, die sich trotz mehrfacher Versuche meinerseits nicht mehr rückgängig machen ließ. Schaf dachte nicht daran, sich wieder seiner Bestimmung zu widmen. Ich mußte mein Kopfkissen von nun an teilen. Als der Winter hereinbrach und das Bett abends erst angewärmt werden mußte stellte sich heraus, daß mittlerweile meine Beschützinstinkte geweckt waren, was bedeutete, daß ich Schaf wärmte, damit es nicht fror, anstatt umgekehrt. Und nach und nach entwickelte Schaf ein großes Interesse an bestimmten Bereichen des menschlichen Lebens. Es liebt Schokolade und Kekse jeder Art, ist ein großer Krimifan und schaut überhaupt sehr gerne fern, am liebsten zwischen meinem Liebsten und mir liegend. Dabei kommt es schon auch mal vor, daß die männlichen Beschützinstinkte dazu führen, daß mein Liebster der Wärmflasche die Augen zuhält, wenn es unheimlich wird. Damit Schaf nachher keine Albträume hat, wie er zu sagen pflegt.
Die einzigen Momente, in denen Schaf sich noch benimmt wie eine Wärmflasche sind die, in denen solche Fragen auftauchen wie “ Wer fährt jetzt schnell in der Eisekälte zum Aldi und kauft Rahmmandelschokolade“ oder „Jemand müßte noch das Altpapier rausbringen, das Klo putzen, Holz holen, den Kompost entsorgen…!“
Aber man kriegt ja soviel zurück!

Ma Baker

So jung und schon so versaut

Es ist ja nicht nur so, dass wir die total bescheuerte Rampensaufrau unseres geltriefenden Verteidigungsministers Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester (!) zu ertragen hätten, die momentan keine Gelegenheit auslässt, sich mit Kinderpornografie in den Mittelpunkt zu drängeln (don’t feed the trolls). Nein, wir werden auch noch von einer Twitterministerin für Familie, Senioren, Frauen, Jugend und Inkompetenz Dr. Kristina Dumpfbacke Schröder regiert, deren Blödheit ihresgleichen sucht und unter anderem mit Auftritten glänzt wie diesem:

 

Stephie und Krisi haben viel gemeinsam
 

Barbie zu Guttenberg. Bild: tafkas, Lizenz: cc

Stephie und Krisi haben viel gemeinsam: Beide sind jung, dynamisch, erfolgsorientiert, ätzend, sehen aus wie Barbies Schwestern und stehen auf der falschen Seite. Beide geben sich einen pseudojugendlichen Anstrich, obwohl sie innerlich die 150 längst überschritten haben, und beide hätte ich zu Schulzeiten von der Raucherecke aus stumm gehasst. Egal, die eine ist genug gestraft mit dem Ehemann mit den vielen Vornamen, die andere mit ihrem Parteibuch. Beides gibt vermutlich nicht zu wenig Karmapunkteabzug. Das einzig Gute an ihnen: Sie sind weit weg.

Krisi Barbie. (Bild: Kristina Schröder)

Gar nicht weit weg sind leider die beiden jungen Studentinnen, die Stephie und Krisi erschreckend ähneln und welche die Zelte ihrer Wohngemeinschaft unter meiner Wohnung aufgeschlagen haben. Die beiden gehen mir nicht nur regelmäßig auf die Nerven, weil sie Anfang zwanzig sind und mich siezen, sondern auch, weil sie sich über Hottis und Lottis Fahrräder im Treppenhaus mokieren als wären sie meine eigene böse Vermieterinnenhexe, mir mit einer Selbstverständlichkeit, die keinen Widerspruch duldet, Filzaufkleber für meine Wohnzimmerstühle verordnen (ich habe Teppichboden) und drei freundliche Frühstückseinladungen zum Zwecke der Hausgemeinschaftsoptimierung meinerseits angewidert ausgeschlagen haben. Außerdem sei ich ihnen zu laut, also manchmal, also nachts, und das sei ihnen peinlich. Das Schlimmste an diesen Barbie Sisters aber ist, dass einen nach jeder Begegnung mit ihnen das Gefühl beschleicht, eine alte, vergammelte, ranzige, minderwertige, minderbemittelte, schlampige Asseltante zu sein, die sozialschmarotzt, ihr Leben nicht auf die Reihe bekommt und ihre Existenzberechtigung lediglich aus der Barmherzigkeit und Gnade der Leistungsträger unserer Gesellschaft bezieht. Wie schaffen die das nur?

Fragt sich
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Gewidmet: Dear old Dr. Dirty Sprite