Schußlogern Sie folglich

Der Test beginnt um 13.00 Uhr. Bereits um 12.20 ist der Audimax einer Baden-Württembergischen Universität bis auf den letzten Platz besetzt. Und da passen immerhin über 500 Leute rein. Deshalb ja AudiMAX! Die Luft kann man jetzt schon in jede gewünschte Form schneiden und Nachzügler, die erst eine halbe Stunde vor Beginn eintreffen, kriegen nur deshalb einen Sitzplatz, weil es etwa alle 2 Minuten irgendwo einen dumpfen Schlag tut und wieder jemand kollabiert ist. Ein Blick in diesen Raum beweist: Ja, es gibt sie – die viel prophezeite Studischwemme. Aber wohl nicht mehr lange sagt der Blick nach draußen, wo entnervte Rotkreuzler vor der Tür Behandlungszelte aufbauen wie bei einem Konzert von Michael Jackson. Mein Blick fällt auf junge Männer, die von Helfern aus dem Saal in die Zelte getragen werden und ich denke mitfühlend: Hätten se Dich doch noch ein Jahr Behindis rumfahren lassen, dann wär Dir das hier erspart geblieben! Wenn die Kollapsfrequenz indirekt proportional zum Absinken des Sauerstoffgehalts im Raum ansteigt hat sich das Problem wohl in ca einer halben Stunde erledigt. Mir kommt der Gedanke, daß der Mief hier drin bereits ein Teil des Ausleseverfahrens ist. Auch ne Art! Aber kommen wir zum eigentlichen Test. Ja, es gibt einen Test. Es genügt nicht mehr, ein Abitur vorweisen zu können, dessen Durchschnittsnote bitte vor dem Komma eine 1 haben sollte. Man darf jetzt noch einen Studierwürdigkeitstest machen. Da wird dann geprüft, ob Du vielleicht einer von diesen Schlawinern bist, die es immer wieder schaffen, acht oder neun Jahre an einem Gymnasium zu überleben, ein Abitur zu machen und TROTZDEM nicht in der Lage sind, logisch schlußfolgernd zu denken. Und wo kämen wir denn da hin, wenn so jemand dann einen wertvollen Studienplatz belegt, um dann in der ersten Vorlesung festzustellen, daß er eigentlich blöd im Kopf ist? Die Universität begegnet diesem Horrorszenario entschlossen mit einem charmanten Potpourrie aus elementaren Fragestellungen. Da haben wir zunächst als Apperitiv Gleichungen mit 4 Unbekannten, die der würdige Anwärter im Kopf lösen kann (Notizen sind verboten und führen zum Ausschluß). Dann folgen Reihen aus Geometrischen Figuren, die logisch fortzusetzen sind, aber leider auch nach 5 Minuten draufstarren noch aussehen wie ein Wurstsalat und richtig Lust auf mehr machen. Der Hauptgang appeliert an das sprachliche Verständnis: Wenn das rote Lämpchen blinkt läuft das Zahnrad oder die Kette spannt sich. Die Feder rotiert nicht, obwohl die Sirene ertönt, oder der Hebel sich auch nicht absenkt. Der Leser wird ziemlich wütend, während sich entweder der Greifer schließt oder irgendeine Scheißlampe leuchtet. Der Motor beschleunigt, weil die Sirene ertönt und es macht BUMM – zuerst explodiert mein Gehirn und dann diese dämliche Maschine. Vom Nachtisch, der angeblich etwas mit dem angestrebten Studienfach zu tun haben sollte (Diskussion einer pädagogischen Frage) will ich lieber schweigen, weil ich noch nicht in der Lage bin, diesen Albtraum schon wieder zu durchleben.
Würde man abschließend diesen Test als Ressource betrachten wollen, so könnte man feststellen, daß er einem eine Vielzahl von extremen Gefühlszuständen beschehrt, die man ohne ihn wohl nicht hätte erleben dürfen. Und daraus logisch schlußfolgern, daß angehende Pädagogen davon sicher irgendwas haben.

Ma Baker

Die Geschichte eines Alarms

Jeden Tag beim Zeitunglesen werde ich alarmiert. Mal sind Gurken die Bösewichter, mal Tomaten und jetzt die Sprossen. Irgendwo in Japan schmilzt ein Atomkraftwerk vor sich hin und keiner weiß so genau, was das eigentlich bedeutet. Aber man informiert sich fleißig, ARD-Brennpunkte werden zum social event. Während man Biosteaks auf dem Grill wendet und sich an einer Flasche Bier festhält läßt man sich im trauten Freundeskreis ALARMIEREN und genießt den wohligen Schauer des hormonellen Outputs gemeinsam, ohne irgendeinen Plan davon zu haben, was denn jetzt eigentlich zu tun ist. Vielleicht hat der Alarm inzwischen einfach auch einen Selbstzweck und es geht garnicht mehr um konkretes Handeln. Vielleicht war das auch noch nie anders. Gewarnt zu sein ist jedenfalls ein gutes Gefühl, der Rest ist Nebensache. Und es ist sichér auch für diejenigen, die in unserem Land Verantwortung tragen einfach wichtig, gewarnt zu haben. Da hat man später, wenn die Scheiße dann dampft nicht den Kittel in der Tür.

Dazu eine kleine Geschichte aus einem süddeutschen Uniklinikum. In Zeiten der Terrorhysterie nach 9/11 befürchtete man ja an allen Ecken und Enden Anschläge auf das Herz der freien Welt. Dieses Herz schlägt sicher auch in Krankenhäusern, weshalb sie wie viele anderen öffentlichen Gebäude besonderer Obhut bedurften. Versorgt mit einer zentral gesteuerten Klimaanlage schienen sie für mögliche Terroristen besonders lukrative Anschlagsbedingungen zu bieten. Was auch immer das konkret bedeuten sollte! Pockenviren durch die Gegend blasen oder gleich Giftgas? Jedenfalls gab es Handlungsbedarf und das Gebäudemanagement begegnete der drohenden Gefahr mit der Montage eines roten Lämpchens, auf dem das Wort GASALARM zu lesen war. Auf die Frage, was denn zu tun sei, sollte das Lämpchen einmal blinken wurde man auf die Telefonnummer hingewiesen, die unter dem Lämpchen mit Thesa an die Wand geklebt war. Da anrufen und dann alles Wichtige erfahren. Die Wochen gingen ins Land und nach der ersten Aufregung war das Lämpchen bald vergessen. Bis es eines Tages  tatsächlich anfing hektisch zu blinken und ein schrilles Warnsignal von sich zu geben. Tapferes Pflegepersonal schritt beherzt zur Tat und wählte besagte Nummer, um dort irgendeine Leitstelle an der Strippe zu haben, die weder von dem Lämpchen, noch von ihrer vermeintlichen Zuständigkeit irgendetwas wußte. Immerhin wurde uns eine andere Nummer gegeben, unter der man es ja mal probieren könne. Inzwischen hatte sich auf dem Flur eine aufgeregte Menschentraube aus Besuchern und bekrückten Patienten versammelt, die sehr erpicht darauf war, Instruktionen zu erhalten. Wer auch immer der Inhaber zweiten Nummer war, er machte es spannend, indem er garnicht abhob. Die beherzte Pflegekraft verlor schon langsam die Lust an der Sache, doch das schrille Signal gab einem doch irgendwie das Gefühl, daß man das Ganze nicht einfach ignorieren konnte. Also wieder bei der ersten Nummer angerufen und das Problem geschildert, untermalt mit einzelnen panischen Schreien aus der Besuchermenge, was zumindest dazu führte, daß eine weitere Nummer herausgerückt wurde. Die Sache bekam so langsam den Flair einer Schnitzeljagd. Und wir kamen voran! Das nächste Telefonat wurde mit einem Zivi geführt, der irgendwie auch nicht wußte, sich aber ungemein verantwortlich fühlte und versicherte, er würde das Problem seinem Chef mitteilen, der in etwa einer halben Stunde aus der Mittagspause käme. Also warten und Ruhe bewahren. Um die Gemüter bei Laune und beschäftigt zu halten wurden vom Pflegepersonal frisch gewaschene Mullbinden verteilt, die man von Hand sauber aufrollen mußte, was ein hohes Maß an Koordinationsfähigkeit verlangt. Außerdem zeigte sich langsam auch, daß Panik nicht unbegrenzt lange aufrecht erhalten werden kann. Irgendwann setzt Gewöhnung an die neue bedrohliche Situation ein und es war ja außer dem Alarm bisher auch nix passiert. So war es garnicht mehr nötig, daß uns der Haustechniker, der sich dann eine Stunde später meldete anwies, ruhig zu bleiben. Waren wir eigentlich schon und wickelten begeistert weiter Mullbinden auf. Etwa drei Stunden später (inzwischen ging der Stationsalltag schon längst wieder seinen gewohnten Gang und auch die Sirene hatten wir schon unter Normal integriert) kam dann ein zuständiger Elektriker, der uns fragte, was er denn jetzt tun solle. Wir boten ihm eine Mullbinde an. Und nachdem er etwa 5 Minuten vor dem blinkenden Lämpchen meditiert hatte packte er eine große Zange aus und brachte unseren liebgewonnenen Gasalarm rüde zum Schweigen, indem er mit den Worten “ Herrgottsack!“  das Kabel durchtrennte. Einige Wochen hing der Alarm noch ohne Saft an der Wand rum, dann entschloß er sich, einfach abzufallen und sich von irgendeiner Kehrmaschine entsorgen zu lassen.

Doch wir werden ihn nie vergessen und veranstalten seitdem jedes Jahr eine Gasalarm-Party!

Ma Baker

Von Schimmel und der Freiheit, einfach immer wieder den gleichen Mist zu machen

Beim Blick in den Kühlschrank heute morgen starrte mich eine sich langsam grünlich verfärbende Masse vorwurfsvoll aus dem obersten Regal an. “Mein Gott, was bist du denn,” fragte ich erschrocken. Die Antwort kam schnell und mit einem zutiefst beleidigten Unterton. “Ich bin der Käse!” Ein dicker Kloß formte sich in meinem Hals und bevor ich diesen erfolgreich hinunterschlucken konnte fuhr die Stimme aus dem Kühlschrank fort: ” Der VERDAMMT – TEURE – KÄSE!” Jedes einzelne Wort kam angeschossen wie ein Kreuzigungsnagel und traf einen verwundbaren Punkt irgendwo tief in meinem Stimmungsgefüge. Einer meiner zahlreichen Verdrängungsgeneratoren ging in die Knie und ich erinnerte mich. Wir hatten den wirklich teuren Käse (und zwar ziemlich viel davon) am Ende unseres Urlaubs gekauft, um verschiedenen Leuten etwas davon mitzubringen. Weil wir ja so nett sind. Bedauerlicherweise hat nicht ein Stück davon unseren Kühlschrank seit 2 Wochen verlassen. Es blieb bei der hübschen Idee. Gut gemeint, aber echt mal nicht gut gemacht. Soviel zum Faktor Mensch Teil eins: Käse vergammelt – echt blöde Sache – fertig. Richtig spannend wird es dann bei Teil zwei: Schlechtes Gewissen und der absurde Versuch der Wiedergutmachung! Weil der Käse ja so teuer war kann man ihn jetzt unmöglich wegwerfen. Also läßt man ihn, wo er ist und schaut ihm jeden Tag beim Grünerwerden zu. Und fühlt sich ein bißchen schlecht und dann auch wieder ein bißchen gut, weil man ihn ja noch nicht weggeworfen hat und damit noch keinerlei endgültige Tatsachen geschaffen sind. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht geht der Schimmel ja in eine spontane Remission, das tun Tumore hin und wieder auch, weiß die Krankenschwester. Doch eine unheilvolle Parallele zieht sich von der Käsesituation zu der Sache mit den Hühnerherzen letzten Sommer (Wunderbra berichtete). Es wird keine Wunderheilung geben, ich weiß es. Trotzdem lasse ich den Käse nochmal  für ne Woche weitersiechen. Wir sind damit endgültig in der schrägen Welt des schlechten Gewissens angekommen. Um mit meiner Scham über dieVerschwendung von Lebensmitteln (in Uganda verhungern immerhin Kinder) irgendwie klarzukommen, vollziehe ich einfach einen Akt der

Bild: Hühnerauge, Lizenz: CC

Selbstquälerei. Ich lasse es zu, daß der Schimmel gewordene moralische Zeigefinger jeden Tag mehrmals anklagend auf mich zeigt und dann fühl ich mich wieder ein bißchen schlecht und je besser das mit dem Schlechtfühlen klappt, desto erleichterter  bin ich hinterher. Früher gab es für solche Gelegenheiten Bußgürtel, mit denen man sich Schmerzen zufügen konnte, wann immer das innere Gleichgewicht danach verlangte. Heute quälen wir uns mit dem Gestank von vergammeltem Käse. Und es geht uns wunderbar schlecht damit und wir können es sogar ein wenig genießen. Schuldgefühle sind die überflüssigsten Gefühle, die es auf dieser Welt gibt, aber sie haben einen Vorteil. Ein richtig gut zelebriertes schlechtes Gewissen hält zuverlässigdie Hintertür auf, und auf der steht groß:

Das nächste Mal mach ich’s vielleicht einfach wieder!

Ma Baker

eineinhalb Jahre Wunderbra

Vor 18 Monaten ging Wunderbra online – ein Grund zu Feiern allemal. Musikalische Glückwünsche entsendet einmal unsere Abteilung für Kosmosfragen:

wunderbra zong gong:

Audio MP3

dann die ewig Dagegenen (wunderbra fuck the system):

Audio MP3

die Wunderbra-Sisters:

Audio MP3

und heute noch eingetroffen die etwas sakralere Variante passend zu Christi Himmelfahrt:

Audio MP3

Wir sind auch alle ganz happy und konnten uns statt irgendwelche Dinge erledingen zu müssen getrost den ganzen Nachmittag mit Audiodateien und Fanpost beschäftigen.

Latte Leben

Neulich habe ich in einem Artikel der TAZ folgendes gelesen: Wenn man in ein StarZack Cafe geht und dort 87.211 Sorten Kaffee zur Auswahl hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit, daß man wie immer ne Latte nimmt sehr viel höher, als wenn man nur 5 Sorten zur Auswahl hat. Ein Überangebot an Wahlmöglichkeiten scheint sich negativ auf die Bereitschaft, mal was Neues auszuprobieren, auszuwirken. Was ziemlich blöde ist, denn wenn ich mich vor 87.211 Sorten Kaffee derartig erschrecke, daß ich meine Latte wie immer zum Anlehnen brauche, um Überleben zu können, was zum Geier will ich dann mit 87.211 Sorten Kaffee? Das einzige, was die eine halbe Bibliothek füllende Karte bewirkt ist, daß ich dann mit meiner Latte wie immer dasitze und damit auch nicht zufrieden bin, weil ich ja die anderen 87.210 Varianten verpaßt habe. Und vielleicht ist da was viel Leckereres drunter. Am Ende bin ich ein langweiliger Mensch? Ein Spießer, der nur noch aus Dingen besteht, die schon immer so gewesen sind? Mein letzter Gedanke auf meinem Sterbebett wäre womöglich: Hätte ich doch einmal was anderes gesoffen als Latte! Man sieht, auch ein unschuldiger Abstecher in ein Cafe eignet sich bestens zum Auslösen einer Midlifecrisis. Zugegeben, Probleme bei der Auswahl des richtigen coffeinhaltigen Heißgetränks sind jetzt ein vergleichsweise kleines Desaster. Aber es liegt die Vermutung nahe, daß es uns mit größeren Vorhaben in unserem Leben nicht anders geht. Fragen nach beruflicher Weiterentwicklung steht ein sintflutartiger Möglichkeitsstudel gegenüber. Was soll ich nur machen, wenn ich doch sovieles könnte??! In Starre verfallen und ne Latte bestellen! Die Anzahl der Menschen, die von dieser chronischen Hirnerstarrung betroffen sind steigt täglich, weshalb wir der Meinung sind, daß dieses Phänomen einen eigenen Namen verdient. Wir nennen es das Freedom Overkill- kurz FOKS-Syndrom. Betroffen sind vor allem junge Erwachsene bis etwa 40 Jahre. Hauptsymptome sind mentale Bewegungslosigkeit und eine typische Unausgewogenheit der Gedankeninhalte. Man befaßt sich zu ca. 2% damit, was man tun könnte und zu etwa 98% damit, was man alles gerade verpaßt. Absurderweise herrscht darüber hinaus in unseren Köpfen immernoch das Denken vor, daß man von A nach B mit Hilfe einer Geraden zu kommen hat. Aber wie bitteschön kriegt man diese Vielfalt an Auswahl in eine Gerade? Das geht höchstens mit Latte, Latte, Latte! Oder doch nicht, weil man dann garnicht vorwärts kommt. Viel Auswahl und ein zügiges geradliniges Vorankommen scheinen nicht gut zusammen zu gehen. Und nachdem wir gegen Vielfalt eigentlich nichts haben empfehlen wir allen FOKS-Betroffenen, an ihrer Vorstellung von Zielstrebigkeit zu arbeiten. Zur Illustration haben wir unten 2 Skizzen  angeführt. Bitte betrachten Sie erst die eine und achten dabei auf die Gefühle, die in Ihnen dabei entstehen. Und dann wenden Sie sich der anderen zu und beobachten ebenfalls, was das Bild in Ihnen auslöst.

Bleiben Sie jetzt ganz bei sich und dem zweiten Gefühl, lassen Sie es richtig groß werden in Ihrem Inneren und trinken Sie von nun an soviel und solange Latte, wie Sie möchten. Sie verpassen nichts!

Ma Baker

Once upon a time…

Es gibt unzählige Märchen, in denen der Protagonist aus verschiedenen Gründen in die Fremde ziehen muß: Böse Stiefmütter, die einem das Leben zur Hölle machen, die Erlösung der Dame des Herzens, ohne die das Leben auch Hölle wäre, irgendeine höllisch schwere Aufgabe oder einfach der Wunsch, das Fürchten zu lernen – auch irgendwie höllemäßig, denn wer kommt denn auf so eine unbequeme Idee?

Wir ziehen heute nicht mehr in die Fremde, wir fahren in den            Urlaub, was oft noch eine verschärfte Fremde bedeutet, denn wir  wandern nicht über die schwäbische Alb, sondern steigen in ein   Flugzeug und lassen uns irgendwo auf der anderen Hälfte der Erdkugel wieder ausspucken – mal mit und mal ohne Gepäck, weil dieses leider in die Mongolei geflogen ist. Die zu bestehenden Abenteuer sind vielfältig. Da gibt es zunächst das Bordfrühstück, bestehend aus einem Käsesandwich, das beim Auspacken erstmal heftigen Widerstand leistet und dann urplötzlich in schaumstoffartige Resignation verfällt, sobald man anfängt, darauf herum zu kauen. Bei der Ankunft an einem Flughafen wie Heraklion kommt es zum ersten Kampf – Urlauber gegen Urlauber – als alle, und zwar wirklich alle Reisenden, die mit etwa 20 Flugzeugen in der letzten halben Stunde gelandet sind sich auf dasselbe Gepäckband stürzen. Es gibt keine Anzeige, was wo langfahren wird und das bleibt auch mal noch die nächste Stunde so, aber das ist egal. Jeder will in der ersten Reihe stehen. Das führt dazu, daß nur etwa ein Achtel in der Lage ist, etwas zu sehen. Scheint ein guter Moment für angewandte Mathematik zu sein und ich überlege eine Weile, wie man der Menschenmasse didaktisch klug etwas über das Verhältnis von Kreisumfang und Radius erklären könnte.  „PI,“ bricht es schließlich aus mir hervor, als mich die nächste heranstürmende Neckarmanntruppe an die Wand neben dem Klo abdrängt. „U ist…!“ Mir bleibt in der Enge die Luft weg, als ich an die kalten Fliesen gedrückt werde und der Rest der Zauberformel geht in einem heiseren Keuchen unter. Sie scheinen mich nicht zu hören! Es gelingt mir, die Arme nach oben zu bekommen und ich winke, um auf mich aufmerksam zu machen. Der erbarmungslose Touristendruck läßt für einen Moment nach und ich schreie laut: „U ist gleich 2 mal PI mal Radius!“ Jetzt ist es heraus und ich bin genau solange erleichtert, bis ich bemerke, daß die Armen anscheinend nicht verstanden haben. „Der Kreisumfang…,“ fahre ich eindringlich fort und in meine Stimme schleicht sich Verzweiflung, da ich das nächste herannahende Geschwader auf 11 Uhr ausmache. “ …also U ist direkt proportional…!“ Das Geschwader kommt rasch näher und erfaßt mich, bevor ich meinen Satz beenden konnte. Mit Entsetzen stelle ich fest, daß ich direkt auf die Tür zur Damentoilette zugespült werde. Mit aller Kraft klammere ich mich am Türrahmen fest und kann so dem Sanitärsog für wenige Sekunden widerstehen. „….direkt proportional zum Radius!!!“ Keine Chance! Meine Hände gleiten von den glatten Fliesen ab, ich werde erbarmungslos in die Tiefen des Damenklos gezogen und fühle mich wie Nikolaus Kopernikus, dem keiner zuhören wollte, als er herausfand, daß sich die Erde um die Sonne dreht und nicht andersrum. Etwa zwei Stunden später hab ich mich endlich wieder aus dem Klo befreit. Mein Rucksack fährt allein auf dem Gepäckband, sonst ist weit und breit niemand mehr zu sehen. Hastig stürme ich mit über zwei Stunden Verspätung aus dem Flughafengebäude, geplagt von der Sorge, daß dem Übermittler des Leihautos die Warterei inzwischen zu blöd geworden ist. Doch da steht er wie eine gute Fee, ein Pappschild mit meinem Namen immernoch hochhaltend und sagt: “ Heraklion airport, same shit, different day! You have three whishes!“ Ein Bett, eine Nahkampfausbildung und nie wieder Damenklo, denke ich glücklich und atme auf.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann urlauben sie noch heute.

Ma Baker

Wann ist today?

Today is life - tomorrow never comes! Graffiti in Matala, Kreta

Ja, man wird älter! Das ist ein Naturgesetz! Und damit ändern sich auch die Befindlichkeiten in Bezug auf den wohlverdienten Urlaub. Früher war man selbstverständlich ein unerschrockener Abenteurer, der es zum Gesetz erhoben hat, auf seinem Weg zu den Ärschen der Welt keine einzige Nacht in einem richtigen Bett zu schlafen, und wenn sich das mal nicht vermeiden ließ, dann mußte es doch zumindest verwanzt oder das Klo irgendein schwarzes Loch auf einem gottverlassenen Hinterhof sein. Am besten fühlte man sich aufgehoben unter einem verrosteten Schild mitten in der Pampa, wo man eine echt interessante Zeit damit verbrachte, auf das Phantom eines Busses zu warten, das irgendwann letzte Woche dort mal vorbei gefahren sein soll und dieses unter Umständen nächste Woche wieder tun wird. Sagt der Local, was die gängigere und auch etwas schönere Bezeichnung für den Eingeborenen ist. Und der Local muß es schließlich wissen. Wer einen guten Local hat braucht keinen Reiseführer.
Aber das war wie gesagt früher. Heute hat man es mit dem Rücken, was ein einigermaßen vernünftiges Bett zur Nachtruhe erforderlich macht. Man schläft nicht mehr so tief ( oder trinkt einfach nicht mehr bis zum Präkoma ), weshalb man auch die Geräuschkulisse des regen Prostitutionsbetriebs in den Zimmern nebenan nicht mehr ausblenden kann und sich deshalb  einfach eine Bleibe sucht, die zwar spießig, aber mal kein Puff ist. Man hat die intensive Zeit unter dem Schild in der Pampa dicke, man möchte am Ort der Träume ankommen und nimmt dafür schon auch mal den Luxus eines Mietwagens in Kauf. Wir haben auch einen ganz einfachen Trick entdeckt, wie man trotz Leihauto doch noch so rucksacktouristisch rüberkommt, daß das eigene Ego damit klar kommt. Man packt einfach zwei Wanderrucksäcke mit all den Dingen, die man so den lieben langen Tag brauchen könnte: Badesachen, Lesematerial für verschiedene  Stimmungslagen, Klamotten für unterschiedlichste Witterungsbedingungen, Zahnseide und notfalls ein paar Schaufeln Sand, falls der Rucksack so garnicht voll und schwer aussehen will! Unerläßlich sind auch die staubbedeckten Wanderstiefel an den Füßen. Badeschlappen wirken viel zu relaxt und kein Mensch glaubt Dir, daß Du Kreta damit zu Fuß durchquert hast. Man fährt also mit dem Mietauto so nah wie möglich an den Ort, den man besuchen möchte, parkt dort schnell, springt unauffällig raus und tritt mindestens fünf Schritte zurück. Schnell den Rucksack aufgeladen, ein sonnenverbranntes Gesicht gemacht und alle schauen Dich bewundernd an, weil sie denken, Du hättest Dich zu Fuß die 20 Kilometer durch den furztrockenen Canyon geschlagen, um hier jetzt am Strand ein wohlverdientes Päuschen zu machen. Funktioniert fast immer, außer man muß unter den bewundernden Blicken der anderen Touristen nochmal zum Auto zurück, weil man die Digicam im Handschuhfach vergessen hat.
Und natürlich geht man immernoch in die zwanglosen Kneipen, aus denen die ehemaligen Hippihochburgen an der Südküste Kretas fast gänzlich bestehen. Aber man blickt mittlerweile nicht mehr neidisch zu den wildbärtigen, barfüßigen Aussteigern hinüber, die das Leben dort zurück gelassen hat. Wo man früher Freiheit und Wildheit vermutet hatte sieht man heute Verlebtheit, Abgestumpftheit und nachdem man jeden Abend dieselben Leute in diesen Kneipen trifft weiß man nach spätestens einer Woche, daß die meisten ein echt alternatives Alkoholproblem haben.
Today is life – und ich bin schwer dafür, jede Sekunde davon zu genießen!
Aber tomorrow kommt halt auch!
Und ist dann heute!

Ma Baker, live von einem Balkon in Léntas, Kreta

Ich, wir beide und Schaf

Schaf mit Freund

Eines meiner Lieblingsstilmittel ist der Animismus – seelenlosen Alltagsgegenständen Leben einhauchen, sie denken, fühlen und sprechen lassen. Während der letzten drei Jahre wurde ich Zeugin eines spontanen Animismus, der sich auf sehr eigenwillige Weise in meinem direkten Umfeld ereignet hat. Eigenwillig deshalb, weil den zu animisierenden Gegenständen normalerweise ihr Leben von irgend jemandem ( normalerweise der Autorin ) eingehaucht wird, während in unserem Fall eher sowas wie eine Eigenbelebung stattgefunden hat.
Es begann alles in einem Tübinger Drogeriemarkt, in den ich mich vor einigen Jahren völlig verkatert und mit Regelschmerzen verirrt hatte. Da stand ich dann desorientiert rum zwischen Mönchspfeffer und Kondomen, bis mein Blick auf einen Ständer fiel, an dem puschelige Wärmflaschen in Schafform hingen. Mein regelschmerzender Bauch las nur das Schildchen, auf dem “ Wärme zum Wohlfühlen“ stand und schon lag eines dieser wonnespendenden Tierchen in meinem Einkaufskorb. Die ersten paar Tage war alles normal, ich füllte dem Schaf heißes Wasser in seinen dafür vorgesehenen Bauch und es tat, wozu es erschaffen worden war. Es verbreitete Wärme zum Wohlfühlen. Doch schon nach kurzer Zeit bemerkte ich beim Einschlafen eine gewisse Unruhe in meinem Bett. Irgendwie schien der Wonnespender nicht mehr ruhig auf meinem Bauch liegen zu bleiben. Es ging immer hin und her, knautsch und rangel und deckezupf. Immer wenn ich das Licht anmachte lag Schaf völlig wärmflaschenkonform da. Doch sobald ich wieder am Einschlafen war ging es von vorne los. Nach einer unruhigen Nacht wachte ich am nächsten Morgen auf und fand Schaf neben mir, wie es sich, einen Großteil der Decke ansich raffend, auch auf das Kopfkissen quetschte. Damit war eine neue Ordnung hergestellt, eine Augenhöhe, die sich trotz mehrfacher Versuche meinerseits nicht mehr rückgängig machen ließ. Schaf dachte nicht daran, sich wieder seiner Bestimmung zu widmen. Ich mußte mein Kopfkissen von nun an teilen. Als der Winter hereinbrach und das Bett abends erst angewärmt werden mußte stellte sich heraus, daß mittlerweile meine Beschützinstinkte geweckt waren, was bedeutete, daß ich Schaf wärmte, damit es nicht fror, anstatt umgekehrt. Und nach und nach entwickelte Schaf ein großes Interesse an bestimmten Bereichen des menschlichen Lebens. Es liebt Schokolade und Kekse jeder Art, ist ein großer Krimifan und schaut überhaupt sehr gerne fern, am liebsten zwischen meinem Liebsten und mir liegend. Dabei kommt es schon auch mal vor, daß die männlichen Beschützinstinkte dazu führen, daß mein Liebster der Wärmflasche die Augen zuhält, wenn es unheimlich wird. Damit Schaf nachher keine Albträume hat, wie er zu sagen pflegt.
Die einzigen Momente, in denen Schaf sich noch benimmt wie eine Wärmflasche sind die, in denen solche Fragen auftauchen wie “ Wer fährt jetzt schnell in der Eisekälte zum Aldi und kauft Rahmmandelschokolade“ oder „Jemand müßte noch das Altpapier rausbringen, das Klo putzen, Holz holen, den Kompost entsorgen…!“
Aber man kriegt ja soviel zurück!

Ma Baker

Der Unk und der Shaman

Ich weiß seit einer Weile schon, daß ich neben vielen anderen über eine äußerst vielschichtige Teilpersönlichkeit verfüge. Ich spreche von dem Teil, der immer mit hundertprozentiger Sicherheit das Schlimmste ( also ich meine wirklich DAS Schlimmste ) erwartet und kommen sieht. Der Teil, der friedlich in irgendeiner Bauchfalte schlummert und nur auf den Moment wartet, in dem man sich an irgendetwas Neues rantraut und was riskieren muß. Dann springt er aus seinem hinterhältigen Versteck und bläst sich und das ganze Szenario in Sekundenschnelle zu einem riesigen drohenden Desaster auf, bevor man “ Ich könnte ja vielleicht…“ zuende gedacht hat. Kommt irgendjemand das bekannt vor? Nun, nachdem man diese wilden Teilpersönlichkeitsgesellen nicht einfach los wird, indem man ihnen ihre Existenz ableugnet oder sich die Augen zuhält, bleibt nur eines: If you can’t beat them, join them! Man muß sich mit ihnen zusammentun, sie akzeptieren, erst dann gelingt es einem vielleicht, sie hin und wieder in ihre Schranken zu verweisen. Als Zeichen meines guten Willens habe ich meinem Berufspessimisten einen Namen gegeben. Ich nenne ihn liebevoll den Unk!

Bild: gonc._a, Lizenz:CC

Im Zuge meiner persönlichen und therapeutischen Weiterbildung habe ich mich nach längeren Umwegen durch verschiedene Hirnwindungen dazu entschlossen, an einem Seminar in der Schweiz teilzunehmnen, wo es um körperorientierte Heiltechniken geht, die aus einem schamanischen Hintergrund kommen. Der Unk hat genau die erste Silbe des Wortes schamanisch gebraucht, um aus seiner Bauchfalte zu hüpfen und mich mit Bildern von wallenden Gewändern, Seidenschals, Federn im Haar, ernsthaften Sprüngen in der Kosmosschüssel, Mantras mit klemmender Repeatfunktion und Armeen von Esofloskeln ( Na, du bist auch ganz schön im Prozeß, gell?) zuzuschütten. Der Unk meint, die wollen alle nur in meinen Herzensraum und dann Spirificken. Mit viel Geduld konnte ich ihn davon überzeugen, daß man sicher einfach mal schauen darf und einen niemand mit Gewalt zwingen wird, zu bleiben, wenn man doch nur seine Sachen packen und bei Nacht und Nebel türmen möchte. Woher er die Idee hat, daß Schamanen die ganze Zeit und immer wild durcheinander vögeln wollen, konnte er mir bisher auch nicht schlüssig erklären.
Wir haben uns also nach längeren Diskussionen angemeldet. Morgen geht’s los.
So ein Unk kostet manchmal ganz schön viel Kraft und Durchhaltevermögen. Andererseits hat er mich heute im Supermarkt daran erinnert, daß man auf keinen Fall zu vertrauensselig zu so einer Veranstaltung fahren darf. Am Ende ist das Haus irgendwo in der Wildnis. Genau, Schamanen wohnen doch nicht in der Stadt! Und schon garnicht neben einem Zigarettenautomat. Ich erinnere mich dunkel, daß ich bei einem vergleichbaren Seminar, das eine Woche ging, mindestens so verzweifelt wie trotzig mitten in der Nacht 5 Kilomter durch den Wald ins nächste Dorf marschiert bin, weil ich keine Zigaretten mehr hatte und überzeugt davon war, daß ich das ohne Kippen nicht durchstehe. Wir kaufen also vorsorglich eine Stange von unseren Lieblingsfluppen. Man weiß ja nie. Dann wirft der Unk die berechtigte Frage ein, ob ich mir denn sicher sei, daß es dort auch Kaffee und nicht nur Yogitee gäbe. Ich muß zugeben, daß ich mir nicht sicher bin. Wir wissen ja beide, wie das so ist mit mir ohne Kaffee. Also schnell noch das Instantmodell Kaffee eingeladen. Ach ja, und Milchpulver! Heißes Wasser werden se ja wohl haben. Schokolade? Ok, Kekse und Schokoriegel für den Notfall. Es gibt Momente im Leben, da kann man sich nicht mit einem Äpfelchen zufrieden geben. Und weil es ja in der Schweiz sicher kalt genug ist, nehme ich noch einen großen Pack Landjäger mit, kann ich ja dann auf dem Fensterbrett verstecken. Hat bei den Buddhisten vor zwei Jahren auch astrein funktioniert. Viellicht muß ich ja mein Krafttier oder mich mit irgendwas Vernünftigem füttern.
Unk sei Dank bin ich immer glänzend vorbereitet.

Ma Aura

Ein Wort zum Sonntag, das die Welt vielleicht nicht braucht

Bild: Christian Watzke, Lizenz:CC

Es ist Sonntag! Und es ist heiß! An den Schwärmen von Fruchtfligen, die sich innerhalb von Sekunden um jedes unverpackte Stückchen Essen in der Küche hermachen kann man zweifelsfrei erkennen, daß Hitze und Lebensmittel in einer unheilvollen Wechselwirkung stehen. Man kann diesem Problem auf verschiedene Arten begegnen. Da gibt es die, die schon immer alles SOFORT wieder weggeräumt haben. Kennt jemand so jemand? Ich nicht. Dann gibt es die Hygieneanarchisten, die in der Devise “ Immer schön dreckig bleiben“ ihr Lebensmotto finden und damit den Rest ihres Daseins friedlich vor sich hinmodern. Und dann gibt es noch die Besserungswilligen, die irgendwann die 30 hinter sich lassen und sich eingestehen, daß Kompost, der selber zur Tür kriecht, weder etwas mit Punksein zu tun hat noch einen Akt des politischen Widerstandes dastellt. Seither bemühen sie sich redlich, ihre Küche nicht mehr in einen mikrobiologischen Spielplatz zu verwandeln. Mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg.
Eine wesentliche Ursache des Mißerfolgs liegt unserer Meinung nach in der Unfähigkeit, Entscheidungen zur rechten Zeit zu fällen. Sprich, wenn etwas heute schon so aussieht, daß ich es lieber nicht mehr essen will, warum lasse ich es dann trotzdem nochmal über nacht stehen. Etwa, weil ich glaube, daß es über Nacht eine Spontanheilung geben wird? Naja, man kann ja nie wissen. Vielleicht durchläuft die Lasagne eine wundersame Metamorphose, wenn man ihr nur genug Zeit läßt.
Oder wird zumindest selig gesprochen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Und wer denkt, im Sommer ist es mit Rausbringen getan, der sei an dieser Stelle eines Besseren belehrt. In Bruchbuda läuft zur Zeit ein herausforderndes Experiment mit verschärftem Material. Nix Essensreste oder halb angebissene Bananen. Wir haben uns an die höchste Disziplin gewagt – nämlich rohe Hühnerinnereien, die wir letzten Winter mal aus Verzweiflung erworben hatten, um ein Brathuhn mit schmackhafter Füllung auszustatten. Wofür wir etwa ein Fünftel der gekauften Hühnerherzen benötigten. Anstatt den Rest, der damals schon nicht sehr einladend aussah, einfach wegzuschmeißen, entschlossen wir uns für Einfrieren. Man weiß ja bekanntlich nie. Die letzten Monate verbrachten die Herzchen also in unserer Tiefkühltruhe und haben sich dort ihrer Natur entsprechend nach Herzenslust verteilt. Egal, was man anfaßte, man hatte immer auch ein geflügeltes Kreislaufzentrum mit dabei. Alles noch nicht wirklich schlimm, bis wir dann letzte Woche Platz brauchten und alles Überflüssige aus der Kühltruhe entfernt werden mußte. Die eingesammelten Herzchen standen wirklich nur kurz in der Kückhe herum. Es war sofort zu erkennen, daß man besser nicht zuließ, daß sie wieder zu sich kamen. So landeten sie flugs in der Mülltonne – und kamen dort zu sich. Zuerst war es nur der Hauch eines Geruchs. Sowas wie 5 Meter entferntes Katzen-AA. Nicht weiter schlimm. tags darauf wurde der Duft deutlich penetranter. Irgendetwas schwant einem ja dann schon, aber die Vorstellung ist zu gruselig, um sie wirklich an sich ranzulassen. Hält man halt beim Fahrradabstellen die Luft an, was soll’s. Oder läßt einen weiteren Tag später einfach die Fenster zu. Kommt eh nur Hitze rein. Man läßt einen weiteren Tag ins Land ziehen und findet ab Derendingen Arbeitsamt mit geschlossenen Augen nach Hause. Hat doch auch Vorteile, falls man in den nächsten 30 Jahren erblinden sollte. Jedenfalls ist klar, daß es inzwischen lebensbedrohlich sein würde, die Mülltonne nochmal zu öffnen. Man hat diesen Weg nun mal eingeschlagen und muß ihn jetzt auch konsequent zuende gehen – Sir, ja, Sir! Riechen sie etwas? Sir, nein, Sir!
Man kann ja mal verstohlen auf den Müllkalender schauen. Noch 3 Tage bis Abholung, naja, das ist jetzt auch nicht mehr das Problem. Unsere Schilde gegen die Realität funktionieren einwandfrei. Die unserer Nachbarn nicht. Es wird eine verschüchterte Bitte an uns gerichtet, wir mögen doch der Ursache dieses Gestanks nachgehen, da auch unsere Nachbarn inzwischen ihre Fenster geschlossen halten müssen. Und dies aber nicht wollen. Obwohl’s doch eh nur heiß ist.
Wir finden uns schließlich am Ort des Übels ein, bewaffnet mit einer reißfesten Mülltüte, in die wir das Übel mithilfe einer ausgefeilten Bewegungsabfolge verpacken wollen. Tief einatmen, Luft anhalten, schnell Deckel auf, in den Sack schütten, Sack schnell zuknoten und dann schnell wieder zurück in die Tonne udn hoffen, daß die Mülltüte geruchsdicht ist.
Lange stehen wir vor der Tonne und starren sie an. Keiner will den Anfang machen. Als die Stimmung und die mittägliche Temperatur ihren Siedepunkt erreicht, ändern wir stillschweigend die Strategie. Unsere Mülltonne verschwindet ungeöffnet in dem großen Müllsack, den wir hermetisch versiegeln. Vorsichtshalber stellen wir den Sack schon heute an die Strasse, wir sind gerne auf der sicheren Seite.

Ma Baker