Lernen für’s Leben

Eine so vielschichtige Universität wie Tübingen bietet dem wissensdurstigen Studierenden beinahe unberenzte Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten. Sie ist eine Welt der Wunder, des Wissens und auch des Wahnsinns, und um sich in ihr zurecht zu finden sind verschiedene Tools von Nöten. Nach circa 2 Monaten kann ich sagen, daß diese Tools meiner Meinung nach der eigentliche Lernerfolg bei der ganzen Sache sind. Beruhigend wäre an dieser Stelle, wenn die Verantwortlichen das beabsichtigt hätten. Haben sie nicht, das Potpourri an Entwicklungschancen, das jeden Studientag neben einer halben Bibliothek um die Ecke kommt, ist sozusagen ein geniales und zufälliges Nebenprodukt. Aber das macht nichts, Albert Hofmann hat LSD ja auch entdeckt, als er eigentlich auf der Suche nach einem Mittel gegen Kreislaufprobleme war. Und wurde 102 Jahre alt! So ergeht es auch dem Standart-Bätschlerstudierenden. Er möchte erziehungswissenschaftlich vor sich hin bätschlern, Humboldt und Bordieu in sein Leben lassen und erwirbt statt dessen verschiedenste andere Kompetenzen, von denen er noch nicht mal geträumt hat. Der kompetente Studierende lernt zum Beispiel schon in den ersten Semesterwochen, 90 Minuten mit einem Minimum an Sauerstoff auszukommen, weil er es einfach satt hat, jede Vorlesung ohnmächtig zu werden. Falls es mit der Uni nix wird könnte man damit problemlos umsatteln auf Apnoetauchen und statt Bücher Muscheln erforschen. Man bekommt sozusagen ein zweites Standbein so ganz nebenher.
Darüber hinaus erwirbt man im Strudel der 20 aktuell geltenden Prüfungsordnungen einen unschätzbar wertvollen Pragmatismus. Seit JAHREN! hängt über meinem Bett der Serenity Prayer in der Hoffnung, dass sich etwas davon irgendwie im Schlaf implantiert und ich endlich aufhören kann, mich wie ein Berserker über genau die Sachen aufzuregen, die ich verdammt noch mal nicht ändern kann. Ohne Erfolg, bis ich angefangen habe, zu bätschlern. Jetzt entrollt sich vor mir jeden Tag eine Welt voller komischer Dinge, die ich nicht ändern kann und ich lerne, den Energiesparmodus anzuwerfen, bis es wieder etwas gibt, wofür es sich lohnt, eine Schlacht vom Zaun zu brechen, die auch eine Chance auf einen glorreichen Sieg hat. Ich glaube, man nennt das Anpassungsfähigkeit. Anpassungsfähigkeit ist wichtig, wenn man nicht jeden Tag sein ganzes Pulver schon vor der zweiten Zigarette in 5 inneren Duellen verschossen haben will, ohne, dass irgendwer irgendwas davon hat.
Damit hängt dann auch der meiner Meinung nach größte Gewinn eines Studiums zusammen. Man wird eine Meisterin des Reframings. Man lernt, das Gute in den Dingen zu sehen, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht danach aussehen, als gäbe es auch nur ein einziges gutes Haar an ihnen. Komilitonen, denen nicht klar ist, dass sie nicht der Dozent sind und die deshalb 300 Leute mit einem zehnminütigen Monolog über die janusgesichtige Dialektik der sozialen Moderne beglücken, sind keine Plage, sondern eine liebevoll drapierte Aufforderung, sich einfach nicht alles bieten zu lassen. Humboldt war eigentlich ein Schamane und mit ein wenig gutem Willen findet man auch an 50 Seiten Theodor Abgrund Adorno etwas, das das eigene Leben auf eine Art bereichert.
Ich studiere gern 🙂

Ma Baker

Jahresrückblick: Das war 2011

Der Spiegel tut es, die dpa tut es und Leute wie Günther Jauch tun es sowieso und alle Jahre wieder: Am Jahresende nostalgisch nach hinten blicken, um sich und anderen in Form einer Riesengala noch einmal die Breitseite sämtlicher Promibabies, Politstreits und anderer Katastrophen des vergangenen Jahres einzuschenken, nur um die Promibabies, Politstreits und Katastrophen, die schon wieder vor der Neujahrstür stehen, noch ein bisschen vor sich herzuschieben. Genug Anlass für die aktuelle, dieses Jahr genau das Gleiche zu tun, innezuhalten und zu fragen: Was war 2011, und wenn ja, wozu, und besteht möglicherweise 2012 die Möglichkeit, dass endlich die Rama-Frau mit Hollandrad und Brötchenkorb an meinem Balkon vorbeisegelt und die ultimative Idylle verbreitet? Was also waren die zentralen Themen der aktuellen 2011?

Sterben und sterben lassen
Die Hauptaufgabe 2011 bestand darin, Altes abzuschließen, Altes abzuschließen und Altes abzuschließen. Nicht ohne Stolz kann ich behaupten – und ich möchte das hier noch einmal in aller Deutlichkeit betonen – genau das, wenn auch nicht gerne, so doch pausenlos und immer wieder erfolgreich getan zu haben: Niemand ist das vergangene Jahr so oft gestorben wie ich, immer getreu dem Tarotkarten-Gerd-Bodhygan-Ziegler-Motto „Stirb bevor Du stirbst“, und niemand hat nachts, wenn andere Leute friedlich schlafen, so viele Leute und Goldfische um die Ecke gebracht wie ich. Ansonsten verließ Fanta Lingendingen, nicht ohne vorher noch mit mir nachts die eine oder andere Plazenta im Wald zu vergraben, und ich wurde plötzlich Scheidungskind. Auch der drei Jahre währende Rosenkrieg mit dem Hotti-Lotti-Papa konnte dieses Jahr erfolgreich befriedet werden.

Nikotin
Aufgrund widriger emotionaler Umstände habe ich nach elf Jahren Abstinenz wieder mit dem Rauchen angefangen, was wider Erwarten weder zu einer gesteigerten körperlichen Fitness noch zur Überwindung der widrigen emotionalen Umstände geführt hat. Immerhin schlage ich mir nicht mehr wie noch vor elf Jahren exzessive WG- und Kneipennächte um die Ohren, so dass 20 Kippen pro Tag schon mal wegfallen.

Wohnung
Meine Wohnsituation hat sich dramatisch verbessert, ich bin sowohl meine böse alte Vermieterhexe als auch die hausinterne Sex-Stasi los, und wohne jetzt mit Hotti und Lotti in der Grünen Hölle, wo satte 70% gegen das größte Bahnhofsidiotenprojekt aller Zeiten gestimmt haben, was leider nichts gebracht hat, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Urlaub
Ich habe mit Hotti, Lotti und Lancelot einen Patchworkfamilienurlaub an der Cote d’Azur absolviert, der seinesgleichen sucht, und der dazu führte, dass die doch etwas holprige Romanze zwischen meiner ersten großen Liebe und mir ein noch schnelleres Ende fand, als sie es vermutlich ohnehin getan hätte. Das Wetter war schön, das Essen gut.

Geld
Da ich dieses Jahr nicht nur umgezogen und in eine der teuersten Urlaubsregionen Europas gefahren bin, sondern mein Auto Molli Tüpp gleich zweimal die Grätsche machte, einmal vor und einmal nach dem TÜV, bin ich so pleite wie nie. Dass Hotti jetzt eine Zahnspange für 1000 Euro braucht, die die Krankenkasse dank der neuen gesetzlichen Regelungen nicht zahlt, und die Hotti niemals anziehen wird, macht es nicht besser. Aber Geld ist ja nur eine virtuelle Größe, und mit Hilfe des Jahresloses der Aktion Mensch, das ich mir gerade rausgelassen habe, beziehe ich nächstes Jahr mit Sicherheit eine monatliche Rente von 3000 Euro und eine Traumvilla.

Job
Der berufliche Sechser im Lotto hat dieses Jahr leider noch nicht funktioniert, aber da setze ich 2012 voll auf das oben erwähnte Jahreslos.

Liebe
Ich habe wegen Lancelot nicht nur irrtümlicherweise einen halben Nervenzusammenbruch am Stuttgarter Flughafen erlitten und daraufhin wieder mit dem Rauchen angefangen, bevor ich mit Dr. Sprite nach Berlin flog, die dort drei Tage lang mein Tourette-Syndrom ertragen musste, sondern auch erfolgreich die Beziehung mit selbigem zu etwa 50% in den Sand gesetzt. Da ich mich derzeit noch im akuten Entzug befinde, bitte ich weiterhin inständig darum, mich mit beziehungstechnischen Erfolgsgeschichten, Verlobungen, Hochzeiten, romantischen Liedermachern, Rosamunde-Pilcher-Filmen und „Mein/e Mann/Frau sagt/kocht/kann immer“-Gedöns zu verschonen. *)s. Kommentare

Leibesübungen
Neben meiner Beziehung haben auch meine fünfzehn Jahren alten Joggingschuhe im Traumurlaub an der südfranzösischen Küste das Zeitliche gesegnet, und da ich aus genannten Gründen kein Geld für neue Laufschuhe besitze, belege ich derzeit gemeinsam mit Ma Baker mehr oder weniger regelmäßig einen Yoga-Kurs der örtlichen Volkshochschule. Durch ihn habe ich gelernt, wie der Fisch geht, dass er gut ist für die Schilddrüsenregulation, dass man dabei schlecht oder nicht schlucken kann und dass einem davon die Arme einschlafen. Shantishanti.

Selbstfindung
Ich habe dieses Jahr nicht nur meinen Papa gefunden, der mich regelmäßig ins Tragetuch packt, wenn die Welt gemein zu mir ist, sondern auch eine Mama mit wilden Röcken, die nachts energisch meine Wohnung von alten Hamsterkäfigen und anderem Unrat befreit. Wasser ist dicker als Blut. Ansonsten bin ich mit Soulsister Ma Baker auf den Spuren der heiligen Ursel über die Schwäbische Alb gewandelt und habe mit ihr – Ma, nicht Ursel – in rituellen Hexenfeuern so ziemlich alles verbrannt, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Darüber hinaus habe ich bei einem eigens von Ma Baker geleiteten Frauenseminar an der VHS herausgefunden, was ich in meinem tiefsten Inneren bin: Ein Superman-Marienkäfer, der kleinen Ameisenkindern das Leben rettet.

Ausblick
Die Rama-Frau wird mit großer Gewissheit auch 2012 nicht in Erscheinung treten, Ma Baker und ich haben nämlich im Laufe dieses Jahres ein weiteres der letzten Geheimnisse gelüftet: Die Rama-Frau, die in den 70er Jahren des letzten Jahrtausends den heilen Werbefamilien ein üppiges Frühstück und die pure Idylle in den Garten radelte, gibt es gar nicht, zumindest nicht für uns Irdische. Genauer gesagt wird sie uns erst in unserer letzten Minute, exakt in dem Moment, in dem wir das Zeitliche segnen, als Skelettfrau mit holländischen Frau-Antje-Zöpfen erscheinen, mit frischen Brötchen, O-Saft und einer fetten Packung Rama beglücken, und sagen: Siehst Du das weiße Licht? Komm und folge mir, ich mach‘ Dir Frühstück!

Namasté
die aktuelle

Sneak Preview

Bild: Shhhhhh, Lizenz: cc

Ihr ahnt ja nicht, was nachts bei mir los ist, und wer sich da alles so herumtreibt. Ich gehöre zu den begnadeten oder verfluchten, je nachdem, Menschen, die pro Nacht mindestens einmal, gerne auch mehrmals träumen. Das Themenspektrum reicht dabei von schnöden Erziehungsthemen und magischen Hexeneinweihungsriten über spannende Spionagethriller und mehr oder weniger unterhaltsame Todesvariationen bis hin zu nicht jugendfreien Folterszenen oder gar den letzten Fragen des Universums. Jede Nacht Kopfkino und ganz ohne Drogen. Das macht das Einschlafen besonders spannend, man weiß nie, was heute Nacht gespielt wird, jede Nacht eine Sneak Preview sozusagen, und immer wieder überraschende personelle Besetzungen. Dass man dafür jeden Morgen wie geschreddert aufwacht, ist ein gewisser unangenehmer Nebeneffekt, dafür muss man dann aber auch wieder nicht so oft ins Kino und spart eine Menge Geld. Ich präsentiere an dieser Stelle mal ein paar meiner persönlichen cineastischen Highlights, die samt und sonders aus dem letzten Vierteljahr stammen:

Spionage-Theme
Ich, mein Mann (ich bin real unverheiratet) und ein dritter Mann sind Geheimagenten, haben eine Straftat gegen den Staat und für die Gesellschaft (ich gehöre immer zu den Guten) begangen und werden von der Polizei gesucht. Mein Mann und ich versuchen den Dritten in unserer Matratze zu verstecken, aber der Reißverschluss klemmt. Daraufhin schmuggeln wir den Mann zur Kellertür hinaus. In dem Moment klopft es an der Tür: „Aufmachen!! Polizei!!!“

Psychopathen-Theme
Norman Bates jagt mich durch ein dunkles Haus. Darth Vader jagt mich durch die Volkshochschule. Ein Terrorist jagt mich durch die Stadt und erschießt mich mit Dornapfelpfeilen (!). Frankenstein schleppt mich in einen riesigen Gitterkäfig im Jobcenter und foltert mich vier Nächte lang, womit ich mir meinen Anspruch auf Hartz IV sichere. Bushido überfällt Ma Baker und mich – just in dem Moment, als wir shoppen gehen wollen.

Hexen-Theme
Hexentreffen auf dem Blocksberg, ich bin endlich 137 Jahre alt, darf offiziell partizipieren und bin sehr gespannt. Die alten Hexen sitzen um ein Lagerfeuer und reden nur Stuss. Nach einer Weile sage ich: „Ihr redet nur Stuss!“, verlasse die Veranstaltung und gehe mit Dr. Sprite, Mr. Sonicer, Mr. Matrix und Frau Schnick Radler trinken.

Todes-Theme
Meine eine Oma stirbt (natürlicher Tod). Meine andere Oma stirbt (ich drücke ihr ein Kissen aufs Gesicht). Meine Mutter stirbt gleich dreimal hintereinander (damit habe ich nichts zu tun). Mein über alles geliebter Goldfisch stirbt (ich hatte nie einen und finde Fische eher öde). Johannes Heesters stirbt. Meine Tante Margot stirbt. Und immer muss ich hinterher den ganzen Kram aufräumen.

Erziehungs-Theme
Ich sitze vorm Computer und habe keine Lust, mit den Kindern zu spielen. Ich vergesse die Kinder abzuholen. Ich koche Reis für die Kinder, sie wollen Nudeln. Meine Kinder spielen ‚Mama geht arbeiten‘, und meine Mutter sagt mit hochgezogenen Augenbrauen: „Komisch, meine Kinder haben nie so viel ‚Mama geht arbeiten‘ gespielt!“ Ich vergesse die Kinder abzuholen. Ich vergesse die Kinder abzuholen. Ich erleide einen Schwächeanfall beim Kochen. Ich organisiere Plätzchenbacken mit anderen Eltern. Ich vergesse die Kinder abzuholen.

Absurdistan-Theme
Ich habe Ärger mit meiner Vermieterin, verwandle mich in eine Muschel und werde ins Meer gespült. Auf dem Meer treiben riesige Erpel, die in Menschensprache sprechen. Ich sitze plötzlich auf einem Stuhl (wir sind immer noch auf dem Meer), Leonardo di Caprio kommt und küsst mich wach (ich schwöre, dass ich Leonardo di Caprio unerträglich finde). Ich bin in Portugal, esse ein Sandwich mit Würstchen und Banane und denke: „Ich sollte mehr auf meine Ernährung achten.“ Ich schaue Axel Prahl bei einer Bootsfahrt zu. Ich organisiere einen Photoshop-Kurs, alles läuft aus dem Ruder. Ich versehe Blumentöpfe mit Kategorien (Erdsorte/gegossen/nicht gegossen…), pdf-Dokumente fliegen an meinem Balkon vorbei. Ich bewerbe mich als Automechanikerin, gleichzeitig stellt sich heraus, dass Dr. Sprite früher ein Hörspiel-Kinderstar war. Ich schlage unserem Mittagstisch-Türken bei der Arbeit vor, seine Öffentlichkeitsarbeit zu machen, Luke Skywalker rät dringend zu. Ich verköstige die kaiserliche eritreische Gemeinde von Filderstadt mit Mirabellenmus.

Die-letzten-Fragen-des-Universums-Theme
Das Leben ist ein riesiger Walfisch, der gemütlich wie Raumschiff Enterprise durchs Weltall treibt. Ringsherum hängen winzige angeseilte Menschen und versuchen, den Walfisch zu ergründen. Überall sind Sterne, alles hängt mit allem zusammen, und ich habe auch in dieser Nacht keine Drogen genommen.

Sollte irgendjemand Interpretationen loswerden oder diesen Artikel als Skript für ein psychedelisches Spacemovie verwenden wollen, nur zu!

Gute Nacht
die aktuelle

Karte rein, glücklich sein

Wenn man innerhalb von 21 Monaten die 89. Runde unerquicklichsten Liebeskummers wegen dem gleichen Typen dreht, gibt es fast nichts Besseres als einen Abend mit Wärmflasche, Stricksocken, Schlabberhose, Plüschdecken, Ignatia D6, einer halben Flasche Wein und dem Programm von Sixx, auch wenn man normalerweise weder trinkt noch fernsieht. Liebeskummer ist Luxus, und man entwickelt ja eine gewisse Routine. Glücklicherweise laufen vier Folgen Sex and the City am Stück, unglücklicherweise läuft dazwischen ein Haufen dämlicher Werbung. Frauenwerbung, schließlich ist Sixx der einzige autorisierte Frauensender, zumindest hierzulande.

Jedenfalls, die Werbung. Da hätten wir als erstes windeln.de mit einer „Riesenauswahl an Babyartikeln“, als nächstes irgendeine Schokolade, direkt gefolgt von einem Mittel gegen „Dehnungsstreifen“ (nie gehört). meinmuesli.de verspricht „das perfekte Müsli“, Edeka mobil dagegen „Karte rein, glücklich sein“. Dazwischen eine erfrischende Vorschau für das Halloween-Programm: Scary Movie I+II und der Serienmontag mit vier Folgen Vampire Diaries, prima, da falle ich wenigstens nicht auf. Dann irgendwas mit „Mode, Styling, Wellness – einfach alles, was uns Frauen interessiert, spannend und bunt wie wir“ (ich distanziere mich) und schließlich Chance Chanel. Elitepartner.de für „Akademiker und Singles mit Niveau“ gibt mir den Rest. Und dann sind es auch noch die letzten vier Folgen der letzten SATC-Staffel, und alle entdecken die Liebe, und Big holt Carrie nach New York zurück. Gott, was für ein Dreck.

die aktuelle

Highway to Neues

Das monotone Brummen läßt mich in eine Art Halbschlaf zurücksinken, während das Getriebe unter mir den Gang wechselt und ich sanft hin und her geschüttelt werde. Ich werfe einen Blick aus dem Fenster mitten ins Morgengrauen, das gerade anfängt, die Alb mit orangenem Gold zu überziehen. Es ist halb acht und ich fahre mit dem Bus, so wie ungefähr 150 andere mehr oder weniger ausgeschlafene Mitmenschen, die sich in dasselbe öffentliche Nahverkehrsmittel quetschen. Es ist eng, stickig und laut. Die charmante Männerstimme vom Band verkündet den nächsten Halt: Kliniken Berg! Erstaunt stelle ich fest, daß ich nicht aufspringe und mir den Weg zur Tür freikämpfe. Nein, ich lehne mich nochmal entspannt zurück und atme aus, während die Bergklinik Richtung Morgengrauen hinter mir zurück bleibt. Und mit ihr die Waschlappen, Sauerstoffmasken, Blasenkatheter in 40 verschiedenen Größen, die Flächendesinfektionsmittel, die verschwundenen Akten und DAS OPFER! Jenes langatmige, facettenreiche Klagelied über miserable Bezahlung, Burnout, Rückenschmerzen, kaputte Topfspülen (man trägt AA in der Schüssel gerne wochenlang über das halbe Stockwerk:-)), Hilflosigkeit, Überforderung, schwachsinnige Hirarchien und TROTZDEM unermüdliches Weiterarbeiten. Man war jemand – ein Opfer dieses Systems, eine Ausgebeutete, die aber doch mit einer so wichtigen Aufgabe betraut war. Das Opfer ist wie ein sicheres stabiles Netz, in das man jederzeit getrost zurückfallen kann, wenn man mit anderen Entwürfen der eigenen Identität scheitert. Das Opfer ist sicher, es ist immer da und es nimmt einen jederzeit wieder freudig auf wie die verlorene Tochter. Und es ist geschickt darin, zu verschleiern, daß man einen verdammt hohen Preis für die Dauerkarte in die warme vertraute Höhle zahlt, in der es immer ein wenig nach alten Socken riecht.
Mit einem Ruck wechselt der Bus wieder den Gang und kämpft sich tapfer weiter den Berg hinauf Richtung Hörsaalzentrum Morgenstelle, in eine neue, unvertraute Welt. Ich kann sie riechen. Sie riecht nach Vielfalt und Möglichkeiten, nach Mensaessen, nach Freiheit, zweifelhaftem Automatenkaffee, nach Eigenverantwortung und nach Computern, die samt der fast fertigen Hausarbeit abstürzen. Sie riecht fremd, sie ist ein anderer Mikrokosmos mit eigenen Gesetzen und vielen Unbekannten. Sie macht Angst. Der schützende Opferanzug funktioniert nicht mehr und dort, wo er gewohnt hat, klafft jetzt ein unschönes Loch in der eigenen Identität. Und die Natur mag keine Löcher, genauso wenig wie mein Unk, der ein solches Vakuum sofort mit vielfältigsten Befürchtungen flutet. Wenn ich kein Opfer mehr bin, was zum Geier bin ich dann? Ein erwachsener Mensch mit Möglichkeiten? Eine Privilegierte? Und wie bin ich so, wenn ich privilegiert bin und mir Möglichkeiten offenstehen? Was für eine Frau kommt da am Ende raus? Mag ich die dann noch?
Das Beruhigende ist: Ich hab satte 3 Jahre, um das rauszufinden.

Ma Baker

3-2-1-0 Ein notwendiger Abgesang

Bild: DoctorWho, Lizenz: CC

Schon seit Anfang September lief der Countdown langsam aber sicher Richtung Krankenhaus-Glastür, die sich bald für immer hinter mir schließen sollte – ich draußen und der Rest bitte DRINNEN!! Die Schwester war angezählt, ein totes Pferd. Agent Elliot Panty hat ihre letzte Mission erfüllt – sie hat nach ausgiebigem Bebrüten des Eis, wie das so ihre Art ist, kühn und präzise zugeschlagen und gekündigt. Eigentlich sollte dies ein Artikel in bekannter Wunderbramanier werden, ein humoristisch aufbereiteter Abgesang auf 11 Jahre Fencheltee, Schichtwechsel, Kreuzschmerzen, Waschlappen, Lebenretten und Paradiespunkte. Seit meinem finalen Spätdienst letzten Dienstag warte ich darauf, daß sich irgendein wuchtiges Gefühl einstellt – riesengroße Erleichterung, Wehmut wegen den Kollegen, neue Freiheit – irgendwas muß doch jetzt von mir abfallen wie eine Geröllawine. Oder? Die Wahrheit ist eine sehr verhaltene Mischung aus allem gleichzeitig, die auch nach lägerem Nachdenken keinen lustigen roten Faden hergeben will. Also heute mal weniger witzig, dafür mehr wahr.
Hier ein kleiner Blick in meinen Kopf, den seit Tagen Erinnerungen durchwandern. Der Backstagebereich eines Krankenhauses ist eine sehr eigene Welt, die sich von Serien wie Emergency Room im Wesentlichen dadurch unterscheidet, daß man sich in der Realität immer fragt, wo denn die ganzen Leute mit der kleinen Rolle sind, die auf Abruf bereit stehen und ständig rufen: Ich kümmer mich drum! Um die Anlage einer Thoraxdrainage (weil der Patient keine Luft mehr kriegt), oder um eine Notfallcomputertomographie (weil alles den Anschein hat, als wären mal eben einige Liter Blut irgendwo im Patient verloren gegangen, die man dringend wiederfinden sollte, oder zumindest das Loch, durch das sie entwischt sind). Dort, wo in der Glotze einfühldsame Ärzte einfühlsame Gespräche mit Angehörigen führen findet sich in der Realität oft niemand, und der hat für sowas auch keine Zeit. Was hätten wir für einen aufblasbaren George Clooney gegeben, der immer im richtigen Moment mit seinen Rehaugen zur Stelle gewesen wäre und die richtigen Worte gefunden hätte.
Es ist eine Welt, in der einem Seiten des Menschseins begegnen, die man im Leben draußen nicht zu Gesicht bekommt. Vor allem ältere Menschen produzieren nach einer Narkose oftmals einen vorübergehenden Verwirrungszustand. Man bekommt Teetassen an den Kopf und im nächsten Moment eindeutige Avancen, man wird vergöttert, verflucht, gestreichelt, angespukt und dann wieder von vorn.
Und egal, ob sie nun verwirrt sind, Schmerzen haben, bei jedem Handgriff auf Hilfe angewiesen sind oder im Sterben liegen, den meisten Patienten kommt man sehr nahe – so nah, wie man ihnen im normalen Leben nie kommen würde. Man erfährt etwas über das Menschsein an seinen Grenzen. Und über das Sterben, den Tod, den man dann hastig in Kühlfächern verschließt oder versucht, wegzudesinfizieren, obwohl er einfach in der Luft liegt. Manchmal begegnet man ihm in Frieden, winkt mit einem weißen Taschentuch, welches sagt: Du darfst kommen! Aber meistens zieht man in eine Schlacht, bewaffnet mit Beatmungsgeräten, Defibrillator und allem, was pharmazeutisch gut und teuer ist, und erst nach Wochen wird endlich kapituliert. Man fühlt sich wie der Weihnachtsmann und der Osterhase gleichzeitig, der jemandem nach 3 Tagen Nüchternsein den ersten Schluck Wasser anbietet oder ist die gute Fee mit dem hochpotenten Morphinderivat im Anschlag, das grausige Schmerzen in einer weichen weißen Wolke auflöst. Man erfährt tiefe Dankbarkeit und weiß, daß einem etwas sehr Wichtiges anvertraut ist.
Neben dem jahrelangen berechtigten Klagen und Schimpfen wollte ich das nochmal ausdrücklich erwähnen.
Und jetzt bye bye Schwester, es war auch schön mit Dir!

Ma Baker

Horrorskop vom 21. – 28. Septembär 2011

Die globalen Aktienkurse fallen, die Blätter auch, Zeit um die Johanniskrautkapseln aus dem Schrank zu holen, schließlich brauchen die ja auch etwa vier Wochen, bis sie wirken, und der Winter und Weihnachten kommen immer so plötzlich. Heute schon an morgen denken, deswegen jetzt Geschenke kaufen und Silvester planen. Raten dringend: Der Kosmos und Lady BlaBla.


Widder: Hundert Jahre Einsamkeit. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Das Geisterhaus. Ihr Leben fühlt sich an wie ein Roman? Schreiben Sie lieber selbst einen.


Stier: 4, 3, 2, 1 – das End of Sister ist in Sicht. Darauf einen Dujardin. Oder zwei. Oder gleich einen Kasten Radler. Prognose für Anfang Oktober: Mit dem Hormon-Ticket ab in die Studi-Hölle. (Sorry, der Kosmos ist unbestechlich…)


Zwilling: „Ich will dir sagen, wieso du hier bist. Du bist hier, weil du etwas weißt. Etwas, das du nicht erklären kannst. Aber du fühlst es. Du fühlst es schon dein ganzes Leben lang, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Du weißt nicht was, aber es ist da. Wie ein Splitter in deinem Kopf, der dich verrückt macht.“ Wenn Sie mir sagen können, aus welchem Film dieses Zitat stammt, bekommen Sie auch ein Knoppers.


Krebs: Sie sind schon so ein Problembär. Dennoch liefern Sie Ihren ZeitgenossInnen zur Zeit wertvolle Informationen. Holen Sie sich Ihr Knoppers in Zimmer 218 ab.


Löwe: Sie kämpfen mit Job, Kindern und der Wohnungssuche im Rhein-Main-Gebiet. Hätten Sie mal die Küche sauber gemacht, wäre Ihnen letzteres erspart geblieben.


Jungfrau: Happy Birthday, liebe Jungfrau! Sie sind zwar ein Jahr älter, Ihr Tempo in den frühen Morgenstunden ist allerdings genau das gleiche: Minusgeschwindigkeit.


Waage: Wer braucht moderne Kommunikationstechnologie? Sie telepathieren, was das Zeug hält. Eine Freundin ist Ihnen dafür sehr verbunden. Telepathisch, versteht sich.


Skorpion: An Ihnen ist ein Literaturkritiker verloren gegangen. Sie fragen sich nur, warum man Ihnen die wirklich großen Werke des 21. Jahrhunderts, zum Beispiel diesen Blog, so lange vorenthalten hat.


Schütze: Willkommen im Alltag, der Ihnen wieder einmal bestätigt, dass schlimmer immer geht. Wo wollten Sie noch einmal im November hin? New York? Malediven? Oder einfach nur: weit weg?


Steinbock: IMMER haben die anderen Geburtstag und NIE Sie, und IMMER bekommen die anderen die tolleren Marzipanschweine (und NIE Sie). Sie sind schon eine arme Wurst. Trösten Sie sich: Wenn SIE Geburtstag haben, gibt es im weltweiten Handel noch viel mehr Marzipan zu kaufen. Vielleicht nicht in Schweineform, aber Kartoffeln sind doch auch ganz hübsch.


Wassermann: Schule hat begonnen. Zeit mit Freundinnen frühstücken zu gehen. Oder sich die Decke über den Kopf zu ziehen.


Fische: Der Guppy (Poecilia reticulata, Synonyme: Lebistes reticulata, Lebistes reticulatus) ist einer der beliebtesten Süßwasser-Aquarienfische. Der lebendgebärende Guppy vermehrt sich im Aquarium sehr schnell. mehr…

Jingle Bells
Lady Blabla

Horrorskop vom 14. – 19. September 2011

So, nachdem der astrologische Mittwoch eingeschlagen ist wie eine Bombe, hat Lady Blabla sich für eine grundlegende Umstrukturierung entschlossen und schaut jetzt immer mittwochs statt sonntags in die neue Glitzerglaskugel. Das hat exakt zwei Gründe: 1. Sonntags hat Lady Blabla tagsüber meistens Kinder und muss abends Tatort schauen. 2. Mittwochs besucht sie vormittags den Weisen Mann, der ihr die Fingerzeige des Universums zu deuten hilft. Davon haben ja dann schließlich auch alle was. Und los geht’s!


Widder: Quicky-Online folgt Ihnen jetzt auf Twitter, DIE ZEIT dagegen schickt Ihnen „Eine Anleitung zum Vatersein“. Sie lieben das digitale Zeitalter.


Stier: Sie spielen mit dem Feuer, und es macht einen Heidenspaß. Wenn Sie jetzt noch Ihre Einkommensteuererklärung in die Flammen werfen und dann darüber laufen, treibt das den Funfaktor auf die Spitze.


Zwilling: Die Stimmung im Büro hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Jetzt tauschen Sie mal mit Ihrer Kollegin Kümmelbrezeln und Knoppers, und dann sieht die Welt wieder ganz anders aus. Wenn nicht, fragen Sie sie, ob sie eine rauchen möchte. (Ja, sie will!)


Krebs: Sie werden neuerdings von ziellos herum irrenden Frauen auf Ihrem Arbeitsplatz heimgesucht. Kleine Anregung: Das nächste Mal könnten Sie durchaus ein Tässchen Kaffee mit (Schoko-)Keks reichen, das verschafft Ihnen noch mehr Sympathien.


Löwe: Schlafen Sie mittlerweile unter der Brücke oder haben Sie doch lieber Ihren kleinen Bruder aus der Wohnung geworfen? Letzteres würde Ihnen ähnlicher sehen.


Jungfrau: Sie haben die nächste musikalische Entwicklungsstufe erreicht und dürfen Rolf Zuckowski und die Schlumpfhitparade nun getrost hinter sich lassen. Aber Techno kommt mir nicht ins Haus!


Waage: Eine aufregende Woche liegt sowohl hinter als auch vor Ihnen, sie stecken quasi mittendrin. Zeit, um wieder zurück nach Lingendingen zu kehren.


Skorpion: Was haben Sie in Ihrem letzten Leben eigentlich verbrochen, dass Sie im jetzigen eine hysterische junge Frau nach der anderen zusammenpuzzeln dürfen? Ich finde, das sollten wir uns mal genauer anschauen. Zum Beispiel nächsten Mittwoch.


Schütze: Abgründe tun sich vor ihrem Urlaubs-Ich auf, unerschrocken durchqueren Sie diese. Und das ganz ohne Nikotin, chapeau!


Steinbock: Erpressungsversuche lassen Ihre Mutter unbeeindruckt, sie zwingt Sie einfach mit in den Schuhladen zu kommen. Außerdem: Wessen Füße müssen denn hier eigentlich gemessen werden? Meine oder Ihre??


Wassermann: Summ, summ, summ, wo treiben Sie sich rum? Hinter Bergen, hinter Hügeln – tun Sie filzen oder bügeln? Summ, summ, sal, melden Sie sich mal!


Fische: Fische, Fische, also bei Ihnen ist die Kugel ja so was von beschlagen, zumal mir da recht wenige Ihrer Art bekannt sind. Wenn jemand Fische kennt, bitte bei mir melden!

Howdy
Lady Blabla

Plazenta-Party

Kinder, wie die Zeit vergeht. Da bekommst Du ein Kind, Deine Freundin auch, dann ein zweites, Deine Freundin auch, die bekommt ein drittes, Du nicht, aber egal. Du kommst zwar zu nix mehr, aber als perfekte 1A-Alternativ-Supermutter schleppst Du nach der Geburt natürlich trotzdem die im Schweiße Deines Angesichts produzierte Plazenta aus dem Geburtshaus mit nach Hause, um sie angemessen würdevoll und rituell zu begraben und ein Lebensbäumchen für das Kind darauf zu pflanzen. Nur, vor lauter Stillen, Wickeln, Biobrei-Kochen, Bauernhofbilderbüchervorlesen, Babymassage und Schwimmkursen, Musikgarten und Pekipgruppe, durchzechten Kreischnächten, Windpocken, Streptokokken, Impfterminen, Kindergruppeneingewöhnungen, Wieder-in-den-Beruf-Einsteigen, Scheidungsschlachten und dem ganz normalen Überleben kommst Du leider nicht mehr zum rituellen Vergraben des heiligen Mutterkuchens, und eh Du Dich versiehst, wirfst Du ihn einfach in die Gefriere. Oder, wenn Du keine eigene Gefriere hast, in die einer guten Freundin. Du denkst nicht mehr groß daran, die Freundin auch nicht, und wenn, dann höchstens: Nicht jetzt. Die Jahre vergehen, und dann zieht Deine Freundin um und muss die Gefriere abtauen.

Wir glühen vor, die Plazenten tauen auf

In Fantas Kühltruhe lagern mittlerweile drei Plazenten, nämlich die von Lotti, Rulle und Wulle, die von Hotti und Mulle konnten wir anderweitig entsorgen. Nach 256 geplatzten Plazenta-Party-Terminen spielen wir mit dem Gedanken, die Dinger einfach in den Restmüll zu kippen, aber zwei Tage vor Fantas Umzug packt uns schließlich der Ehrgeiz. Wir sitzen auf meinem Balkon und warten, bis Hotti und Lotti eingeschlafen sind. Während wir mit Radler vorglühen, tauen im Eimer auf Fantas Gepäckträger die Plazenten auf. Als es dunkel wird, ziehen wir los Richtung Wald. Im Rucksack: eine Taschenlampe, eine kleine Gartenschaufel und eine große Flasche Gran Reserva. Im Eimer: drei halb aufgeweichte Mutterkuchen in Plastikbeuteln. Kaltblütig stolpern wir durchs Unterholz und suchen nach einer ebenso würdigen wie wurzelfreien Stelle, was im Wald nicht ganz einfach ist, außerdem hat es seit Tagen nicht geregnet, und der Boden ist furztrocken. Aber was ist ein nächtlicher Wald gegen zwei entschlossene Alternativmütter?

Fehlt nur noch die Polizei

Wir entscheiden uns schließlich für einen Platz im Irgendwo, und als mir irgendwann auch meine Taschenlampe wieder einfällt, wird es richtig lauschig. Wir zerteilen Regenwürmer, Spinnen kriechen durch die Erde, und auch ansonsten ist im Wald schwer was los. Fantas Handy klingelt, große wilde Tiere rascheln im Gebüsch, fehlt nur noch die Polizei. Nach zwanzig Minuten haben wir ein circa zehn Zentimeter tiefes Loch. Wir sind schweißgebadet, die Handgelenke schmerzen, ein Stück vom Schaufelgriff bricht ab, und wir fragen uns, wieviel Tage man wohl braucht, um eine Leiche zu verscharren. Plötzlich wird uns wird klar, warum so viele Leute ihre Leichen einfach in Betongruben werfen. Fanta schimpft: „Jaja: ‚Lebe wild und gefährlich!‘ Darunter habe ich mir sowas wie wilden Sex vorgestellt und nicht die Produkte von Sex im Wald zu vergraben!“ Ich denke, den Spaten von Dr. Sprite auszuleihen, hätte durchaus Sinn gehabt.

Aber es hilft ja nichts, da müssen wir jetzt durch, und die Vorstellung, irgendwelche Füchse oder andere räudige Waldbewohner könnten unsere schönen ehemaligen Körperteile ausgraben und auffressen, treibt uns weiter an. Nach gefühlten drei Nächten knieen wir schließlich vor einem Loch, in das unsere angetauten Ex-Organe, wenn man sie richtig hinein quetscht, gerade so passen müssten. Wir diskutieren kurz, ob es karmatechnisch zu verantworten ist, sie mit Plastikbeutel zu vergraben, entscheiden uns dann aber dagegen. In Ermangelung eines Taschenmessers reißt Fanta die Plazentatüten auf, eine ist gleich dreifach eingepackt, und die Soße läuft ihr über die Hände. Es ist nicht schön, und wir bringen die Sache schnell hinter uns. Als wir hinterher die große Flasche Gran Reserva kippen, sind wir uns einig, die Dinger in die Restmülltonne zu werfen, hätte nicht halb so viel Laune gemacht. Das kann ja jede 0815-Mutti.

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Defäkation in Achtsamkeit

Es wird Herbst, der Schwesternrücken tut weh und Ma wollte sich deshalb heute mal umschauen, ob man denn irgendwo einen Yogakurs machen kann. Hatten wir vor ein paar Jahren schon mal und war an sich echt gut. Habe also recht unbedarft die Tür zu den vielen Möglichkeiten geöffnet und bin seitdem auf der Flucht. Auch diese Zeilen hacke ich im Laufen in irgendeine Tastatur und man möge mir die Flüchtigkeitsfehler verzeihen, die sich in einer solch bedrohlichen Situation einschleichen werden. SIE sind hinter mir her wie eine wollene Armee, die tausend dicken Socken, die man mitbringen muß, während die Decken wild flatternd versuchen, mir den Weg abzuschneiden, um mich in einen Mantel aus vermeintlicher Gemütsruhe einzuhüllen. Sind wir nicht alle ein bißchen A.C.H.T.S.A.M?? Im Herzen, im Ohrschmalz und auch im großen Zeh, dem wir auch gleich einen dicken Knutschi geben, weil er uns so gut durch’s Leben trägt (wofür dann ja wohl ein Yogakurs erforderlich ist, denn wer kriegt schon einfach so seine Flosse an den Mund?) Entdecken wir doch unseren inneren Kraftquell beim Sitzen auf selbstgehäkelten und aufgeladenen Meditationskissen und tönen uns in die nächste Dimension der Erleuchtung für Anfänger. Wellbalanced beim Zähneputzen, Einkaufen, Kinderanschreien, in der Scheidung und wenn das Klopapier alle ist.
Mit letzter Kraft schaffe ich es, mich vor meinen Verfolgern in ein einsames Klohäuschen zu retten und die Tür zu verrammeln.
Aufatmend setze ich mich, um in Ruhe über meine Situation nachzudenken. Da ertönt ein dunkler Gong, der irgendetwas in meinem Inneren zum Schwingen bringt. Und dann eine sanfte Stimme, die sagt:

Danke, daß sie die achtsame Toilette benutzen. Schließen Sie jetzt Ihre Augen und spüren Sie die Teile Ihres Hinterns, die auf der Klobrille aufsitzten. Dann wandern sie mit Ihrer Aufmerksamkeit einmal von oben nach unten durch Ihren Gastrointestinaltrakt – vom Mund durch die Speiseröhre – sie sind sich ihres Magens voll bewußt, sie passieren dann den Übergang in den Dünndarm und gelangen von dort in den Dickdarm, der in der Medizin den klangvollen Namen Colon trägt. Tönen sie nun in einer für sie angenehmen Tonhöhe mehrfach laut das Wort Colon und spüren Sie, wie Ihr Dickdarm zum Leben erwacht. Lassen Sie sich von seinen geschmeidigen Bewegungen weitertragen, bis Sie dann nach langer Dunkelheit wieder Licht am Ende des Tunnels erblicken. Lassen Sie ganz los und sich einfach fallen in diesen wunderschönen Moment der Ausgeglichenheit.

Ma Baker