Once upon a time…

Es gibt unzählige Märchen, in denen der Protagonist aus verschiedenen Gründen in die Fremde ziehen muß: Böse Stiefmütter, die einem das Leben zur Hölle machen, die Erlösung der Dame des Herzens, ohne die das Leben auch Hölle wäre, irgendeine höllisch schwere Aufgabe oder einfach der Wunsch, das Fürchten zu lernen – auch irgendwie höllemäßig, denn wer kommt denn auf so eine unbequeme Idee?

Wir ziehen heute nicht mehr in die Fremde, wir fahren in den            Urlaub, was oft noch eine verschärfte Fremde bedeutet, denn wir  wandern nicht über die schwäbische Alb, sondern steigen in ein   Flugzeug und lassen uns irgendwo auf der anderen Hälfte der Erdkugel wieder ausspucken – mal mit und mal ohne Gepäck, weil dieses leider in die Mongolei geflogen ist. Die zu bestehenden Abenteuer sind vielfältig. Da gibt es zunächst das Bordfrühstück, bestehend aus einem Käsesandwich, das beim Auspacken erstmal heftigen Widerstand leistet und dann urplötzlich in schaumstoffartige Resignation verfällt, sobald man anfängt, darauf herum zu kauen. Bei der Ankunft an einem Flughafen wie Heraklion kommt es zum ersten Kampf – Urlauber gegen Urlauber – als alle, und zwar wirklich alle Reisenden, die mit etwa 20 Flugzeugen in der letzten halben Stunde gelandet sind sich auf dasselbe Gepäckband stürzen. Es gibt keine Anzeige, was wo langfahren wird und das bleibt auch mal noch die nächste Stunde so, aber das ist egal. Jeder will in der ersten Reihe stehen. Das führt dazu, daß nur etwa ein Achtel in der Lage ist, etwas zu sehen. Scheint ein guter Moment für angewandte Mathematik zu sein und ich überlege eine Weile, wie man der Menschenmasse didaktisch klug etwas über das Verhältnis von Kreisumfang und Radius erklären könnte.  „PI,“ bricht es schließlich aus mir hervor, als mich die nächste heranstürmende Neckarmanntruppe an die Wand neben dem Klo abdrängt. „U ist…!“ Mir bleibt in der Enge die Luft weg, als ich an die kalten Fliesen gedrückt werde und der Rest der Zauberformel geht in einem heiseren Keuchen unter. Sie scheinen mich nicht zu hören! Es gelingt mir, die Arme nach oben zu bekommen und ich winke, um auf mich aufmerksam zu machen. Der erbarmungslose Touristendruck läßt für einen Moment nach und ich schreie laut: „U ist gleich 2 mal PI mal Radius!“ Jetzt ist es heraus und ich bin genau solange erleichtert, bis ich bemerke, daß die Armen anscheinend nicht verstanden haben. „Der Kreisumfang…,“ fahre ich eindringlich fort und in meine Stimme schleicht sich Verzweiflung, da ich das nächste herannahende Geschwader auf 11 Uhr ausmache. “ …also U ist direkt proportional…!“ Das Geschwader kommt rasch näher und erfaßt mich, bevor ich meinen Satz beenden konnte. Mit Entsetzen stelle ich fest, daß ich direkt auf die Tür zur Damentoilette zugespült werde. Mit aller Kraft klammere ich mich am Türrahmen fest und kann so dem Sanitärsog für wenige Sekunden widerstehen. „….direkt proportional zum Radius!!!“ Keine Chance! Meine Hände gleiten von den glatten Fliesen ab, ich werde erbarmungslos in die Tiefen des Damenklos gezogen und fühle mich wie Nikolaus Kopernikus, dem keiner zuhören wollte, als er herausfand, daß sich die Erde um die Sonne dreht und nicht andersrum. Etwa zwei Stunden später hab ich mich endlich wieder aus dem Klo befreit. Mein Rucksack fährt allein auf dem Gepäckband, sonst ist weit und breit niemand mehr zu sehen. Hastig stürme ich mit über zwei Stunden Verspätung aus dem Flughafengebäude, geplagt von der Sorge, daß dem Übermittler des Leihautos die Warterei inzwischen zu blöd geworden ist. Doch da steht er wie eine gute Fee, ein Pappschild mit meinem Namen immernoch hochhaltend und sagt: “ Heraklion airport, same shit, different day! You have three whishes!“ Ein Bett, eine Nahkampfausbildung und nie wieder Damenklo, denke ich glücklich und atme auf.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann urlauben sie noch heute.

Ma Baker

Wann ist today?

Today is life - tomorrow never comes! Graffiti in Matala, Kreta

Ja, man wird älter! Das ist ein Naturgesetz! Und damit ändern sich auch die Befindlichkeiten in Bezug auf den wohlverdienten Urlaub. Früher war man selbstverständlich ein unerschrockener Abenteurer, der es zum Gesetz erhoben hat, auf seinem Weg zu den Ärschen der Welt keine einzige Nacht in einem richtigen Bett zu schlafen, und wenn sich das mal nicht vermeiden ließ, dann mußte es doch zumindest verwanzt oder das Klo irgendein schwarzes Loch auf einem gottverlassenen Hinterhof sein. Am besten fühlte man sich aufgehoben unter einem verrosteten Schild mitten in der Pampa, wo man eine echt interessante Zeit damit verbrachte, auf das Phantom eines Busses zu warten, das irgendwann letzte Woche dort mal vorbei gefahren sein soll und dieses unter Umständen nächste Woche wieder tun wird. Sagt der Local, was die gängigere und auch etwas schönere Bezeichnung für den Eingeborenen ist. Und der Local muß es schließlich wissen. Wer einen guten Local hat braucht keinen Reiseführer.
Aber das war wie gesagt früher. Heute hat man es mit dem Rücken, was ein einigermaßen vernünftiges Bett zur Nachtruhe erforderlich macht. Man schläft nicht mehr so tief ( oder trinkt einfach nicht mehr bis zum Präkoma ), weshalb man auch die Geräuschkulisse des regen Prostitutionsbetriebs in den Zimmern nebenan nicht mehr ausblenden kann und sich deshalb  einfach eine Bleibe sucht, die zwar spießig, aber mal kein Puff ist. Man hat die intensive Zeit unter dem Schild in der Pampa dicke, man möchte am Ort der Träume ankommen und nimmt dafür schon auch mal den Luxus eines Mietwagens in Kauf. Wir haben auch einen ganz einfachen Trick entdeckt, wie man trotz Leihauto doch noch so rucksacktouristisch rüberkommt, daß das eigene Ego damit klar kommt. Man packt einfach zwei Wanderrucksäcke mit all den Dingen, die man so den lieben langen Tag brauchen könnte: Badesachen, Lesematerial für verschiedene  Stimmungslagen, Klamotten für unterschiedlichste Witterungsbedingungen, Zahnseide und notfalls ein paar Schaufeln Sand, falls der Rucksack so garnicht voll und schwer aussehen will! Unerläßlich sind auch die staubbedeckten Wanderstiefel an den Füßen. Badeschlappen wirken viel zu relaxt und kein Mensch glaubt Dir, daß Du Kreta damit zu Fuß durchquert hast. Man fährt also mit dem Mietauto so nah wie möglich an den Ort, den man besuchen möchte, parkt dort schnell, springt unauffällig raus und tritt mindestens fünf Schritte zurück. Schnell den Rucksack aufgeladen, ein sonnenverbranntes Gesicht gemacht und alle schauen Dich bewundernd an, weil sie denken, Du hättest Dich zu Fuß die 20 Kilometer durch den furztrockenen Canyon geschlagen, um hier jetzt am Strand ein wohlverdientes Päuschen zu machen. Funktioniert fast immer, außer man muß unter den bewundernden Blicken der anderen Touristen nochmal zum Auto zurück, weil man die Digicam im Handschuhfach vergessen hat.
Und natürlich geht man immernoch in die zwanglosen Kneipen, aus denen die ehemaligen Hippihochburgen an der Südküste Kretas fast gänzlich bestehen. Aber man blickt mittlerweile nicht mehr neidisch zu den wildbärtigen, barfüßigen Aussteigern hinüber, die das Leben dort zurück gelassen hat. Wo man früher Freiheit und Wildheit vermutet hatte sieht man heute Verlebtheit, Abgestumpftheit und nachdem man jeden Abend dieselben Leute in diesen Kneipen trifft weiß man nach spätestens einer Woche, daß die meisten ein echt alternatives Alkoholproblem haben.
Today is life – und ich bin schwer dafür, jede Sekunde davon zu genießen!
Aber tomorrow kommt halt auch!
Und ist dann heute!

Ma Baker, live von einem Balkon in Léntas, Kreta

Miteinander spielen, singen, essen und trinken

Nein, ich habe weder völlig überraschend die Freuden des unkomplizierten zwischenmenschlichen Beisammenseins entdeckt noch bin ich endlich in der grünen Hölle angekommen. Es ist auch keine Auflistung meiner ständigen Tätigkeiten mit meinen Kindern. Die Überschrift ist vielmehr der Titel der Einladung, die ich heute Morgen aus Lottis Postklorolle im Kindergarten ziehen durfte. Der Inhalt dieser Einladung hat mich derart aufgewühlt, dass ich ihn gerne mit der ganzen Welt teilen möchte:

Miteinander spielen, singen, essen und trinken

In diesem Jahr wollen wir anstatt des österlichen Bastelnachmittages einen Eltern-Kind-Spielenachmittag anbieten. Dazu laden wir sie ganz herzlich ein. An diesem Nachmittag sollen Sie Gelegenheit bekommen, den Kindergarten Ihres Kindes „von innen“ zu erleben. Sie können mit Ihrem und anderen Kindergartenkindern spielen, sich mit anderen Eltern austauschen, oder mit einer Erzieherin ins Gespräch kommen. […] Um ca. 15.30 Uhr treffen sich alle Kinder nach dem Aufräumen zum gemeinsamen Essen. Hierfür sollten Sie und Ihr Kind eine Kleinigkeit zum Essen dabei haben. Anschließend gehen wir mit den Kindern in den Garten. […] Zum Abschluss wollen wir um 16.40 Uhr mit allen Kindern und Eltern gemeinsam noch ein paar Kindergarten-Hits singen.

Auf ein fröhliches Miteinander freuen wir uns sehr.
Ihr KIGA-Team

Im Büro muss ich niemanden in sein Zimmer schicken

Alles in Comic Sans MS, der gutgelaunten Kinder- und Familienschrift. Drei Fragen drängen sich mir angesichts eines derartigen Angebotes spontan auf: 1. Wer will das? 2. Bin ich eine Rabenmutter, wenn ich so etwas nicht will, weil ich genau diese Dinge sowieso dauernd mit meinen Kindern mache, und froh bin, wenn ich mit erwachsenen Menschen in meinem Büro sitzen und mit ihnen zum Essen beim Chinesen/Türken/Griechen gehen darf? Ohne dass ich jemandem die Finger abwischen, Essen aus den Haaren fummeln, vom Boden aufsammeln oder in sein Zimmer schicken muss? Und vor allem: 3. Wer kann sich das zeitlich leisten? Ich ziehe meine entzückende Brut überwiegend alleine groß, arbeite 50% in der fern entlegenen Landeshauptstadt und verbringe wöchentlich ca. acht Stunden auf der B1234567. Alleine dieser relativ gewöhnliche Umstand löst bei mir bereits morgens im Bad Tobsuchtsanfälle aus, auf der Bundesstraße Herzrasen, vor der Stechuhr Schweißausbrüche, weil Hotti zwar mittlerweile – hallelujah – in einer Ganztagsschule mit Spätbetreuung bis immerhin 17 Uhr untergebracht ist, Lottis Kindergarten allerdings noch immer vorsintflutliche Öffnungszeiten vorweist: dreimal die Woche muss man seinen Nachwuchs um 13 Uhr abholen, zweimal um 17 Uhr. Wenn Lotti nächstes Jahr in die Schule kommt, ist dann zwar sie ganztagsbetreut, allerdings wechselt Hotti zeitgleich auf die weiterführende Schule, wo sie dann wieder um 12 Uhr auf der Matte steht. (Darüber denke ich bereits seit zwei Jahren nach.)

Zurück zum Ausgangsproblem: Um meine Jüngstgeborene glücklich zu machen, habe ich die Wahl zwischen exakt zwei Möglichkeiten: a) Ich nehme mir einen Tag frei, um den Kindergarten meines Kindes „von innen“ zu erleben (Pest). b) Ich übe mich in Übergriffigkeit und schicke den Hotti-Lotti-Papa hin (Cholera). Option a) fällt flach, weil ich bei sechs Wochen Urlaub pro Jahr bei gleichzeitg zwölf abzudeckenden Wochen Schulferien pro selbem Jahr ohnehin, jetzt bereits im dritten Jahr, das Unmögliche vollbringen muss. Option b) finde ich etwas unangenehm, weil ich den HLP vorhin schon um sein handwerkliches Know-how anbetteln musste, da ich meine neue Wohnungstür mit Nagellackentferner ruiniert habe. Darüber hinaus hallt bereits im Vorfeld Lottis nichtamüsiertes „NIEkommstduzumeinenbastelnachmittagen!“ in meinem schlechten Gewissen nach.

„Reden Sie doch bitte vor der Tür weiter!“

Mich regen solche Einladungen, gelinde gesagt, auf, weil sie mir neben veritablen Schuldgefühlen einen unglaublichen Stress verursachen. Neulich, zwei Tage vor meinem glorreichen Umzug, habe ich mich in die Schule meiner Erstgeborenen gezwungen, um an einem ähnlich gearteten Angebot zu partizipieren, es hieß, soweit meine Verdrängung mich nicht trügt, Eltern-Kind-Spiele-Lernnachmittag. Da durfte man sich dann in gefühlten 2000 Stationen die Lernmaterialien seiner Kinder von seinen Kindern erklären lassen (wer will das??). Ich schleppte mich hin, um mir nicht hinterher nachsagen zu lassen „AllewarendanurDUwiedernicht!!“, und da saßen dann tatsächlich ganze ElternPAARE. Und ich will gerade nicht darauf hinaus, dass ich momentan nicht besonders gut auf traute Zweisamkeit zu sprechen bin, sondern ich frage mich vielmehr: Wie schaffen es gleich ZWEI Leute aus einer Familienfirma, ihrem Sprössling in der Schule über die Schulter zu schauen? Und vor allen Dingen: Wozu überhaupt? Das Dilemma konnte ich immerhin so lösen, dass ich so lange und laut mit einer ebenfalls kurz vor Umzug und Ohmacht stehenden Mutter über die Strapazen des Alltags klagte, bis uns Hottis Klassenlehrerin bat, doch bitte vor der Tür weiterzureden. Geil, wie früher.

Ich will, wieder mal, ein Double, vielleicht sollte ich mal beim Jobcenter nachfragen. Schließlich kann es doch nicht so schwer sein, eine ähnlich gestresste, genervte, erschöpfte Mutter am Rande des Zusammenbruchs aufzutreiben, die sich mit bloßem Authentischsein ein bis zwei Euro die Stunde dazuverdient. Bei meinem nächsten Kundengespräch mit meiner Sachbearbeiterin werde ich mich mal informieren. Bewerbungen werden auch auf wunderbra.org entgegengenommen.

die aktuelle

Bombenstimmung

Sonntagmorgen, 7 Uhr, die Sonne scheint durch die Rollladenritzen, ich habe kinderfrei, ich kann nicht mehr schlafen, mir ist schlecht, alles tut weh, ich mag nicht aufstehen, und ich will auch sonst nichts machen und „schöne Sachen“ schon gar nicht, nicht joggen, nicht Kaffee trinken, nicht Zeitung lesen, nicht Verabreden, keinen Spaziergang, keine Radtour und erst recht nicht „in die Sonne“. Ich bin: alt, böse, hässlich, leer, taub, stumpf, schwarz, krank, tot. Reicht das, um sich die nächsten 70 Jahre krank schreiben zu lassen und die Außenwelt nicht mehr betreten zu müssen? Den Rolladen ganz herunterzulassen schaffe ich nicht, also verschwinde ich unter der Decke. Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, wann ich beim nächsten Sonnenstrahl zu Staub zerfalle und doch noch von Bier auf Blut umsteigen muss.

Isolierte Irre mit 32 Katzen

Wenn es einem dauerhaft, sagen wir mal ganz euphemistisch, nicht so prickelnd geht, fragt man sich ja schon, wie lange das Umfeld das so mitmacht. Oder um es mit einem sehr treffenden Tweet zu sagen: Da ist man mal zwei, drei Jahre mies drauf, und schon ist man die mit der schlechten Laune. (aufgeschnappt auf der re:publica, Verfasserin mir leider unbekannt) Abgesehen davon will man sich ja bei seinen FreundInnen auch überhaupt nicht mehr blicken lassen, weil man befürchtet, dass einem Kröten, Spinnen, Schlangen und andere hässliche Dinge aus dem Mund fallen, sobald man ihn aufmacht. Man will auch keine glücklichen Familien sehen, die sich sonntags nicht verabreden, weil sie da „immer was als Familie“ machen, oder engagierte Väter, die die lieben Kleinen auf dem Weg zur Arbeit im Kindergarten absetzen („sonst sehen wir uns den ganzen Tag nicht“), man will nichts hören von Großeltern, die einspringen, wenn’s „finanziell oder zeitlich eng“ wird, und beziehungstechnische Erfolgsgeschichten („mein Mann sagt/macht/kann ja immer…“) sind das Allerletzte, was man hören will (Probleme und Katastrophen gerne). Gut, das schränkt dann den Gesprächsradius schon etwas ein, und weder in der neuen Heimat, die aus lauter Rama-Familien zu bestehen scheint, noch auf der Arbeit, wo Kollegen heiraten und zusammenziehen, macht man sich mit einer solchen Haltung dauerhafte Freunde. Man wird zur kommunikativen Zumutung. Mit viel Glück behält man seinen Arbeitsplatz und endet nicht als isolierte Irre mit 32 Katzen in der Wohnung, die ein Jahr nach ihrem Tod verwest in ihrer Wohnung aufgefunden wird, weil die Nachbarn plötzlich gemerkt haben, dass es etwas streng riecht.

Aber jetzt nicht den Teufel an die Wand malen, immer schön im Hier und Jetzt bleiben. Aber jetzt ist verdammt lang, wenn es einem schlecht geht, und die Zeit vergeht ja irgendwie auch gar nicht, wenn man darauf wartet, dass alles endlich besser wird. Stellt sich also die Frage: How long is now? Und draußen toben der Frühling, das Leben und eine Million widerliche Verliebte. Pfui Teufel, kann man da nur sagen. Naja, Kopf hoch, der nächste Winter kommt bestimmt, und dann bin ich die mit der Bombenlaune.

re:publica 2011 and beyond

Tag 1
Berlin, Berlin, wir (Dr. Sprite und ich) fahren nach Berlin, und zwar zur großen Konferenz über Blogs, soziale Medien und die digitale Gesellschaft, die re:publica 2011. Auf dem Weg zum Flughafen bricht allerdings mein Herz endgültig auseinander, weil der Bus plötzlich und unerwartet in den Unwahrscheinlichkeitsdrive gerät und fünfzig Minuten durch die Hölle statt durch den Schönbuch fährt, und ich versteinere. Mein tiefster Dank gilt an dieser Stelle Dr. Sprite, die meine Überreste an Terminal 2 zusammenkratzt, souverän die Führung übernimmt und mich im weiteren Verlauf des Tages mit Tabak und Alkoholika versorgt. Die erste Zigarette nach elf Jahren schießt mir fast die Lichter aus, und wir steigen in den Flieger. Angekommen in der Hauptstadt schlägt meine Versteinerung um in ein ausgewachsenes Tourette-Syndrom, und ich bekämpfe den Drang wild um mich zu schlagen sowie unkontrolliert Kraftausdrücke und wüste Beschimpfungen auszustoßen.

Aber ich bin ja nicht zum Spaß hier, sondern in höherer Mission. Daher hier mein persönliches inhaltliches Highlight in Form eines Franzosen namens Jérémie Zimmermann, der das ebenso reaktionäre wie internationale ACTA-Abkommen, das das bestehende Urheberrecht zementiert statt weiterzuentwickeln, folgendermaßen quittiert: „Wir Geeks und Hacker haben das Internet einmal erfunden, wir können das auch ein zweites Mal!“ Ganz im Sinne von Das Leben ist nicht totzukriegen oder May the coolest minds prevail. Das gibt Hoffnung, in jeder Hinsicht.

Tag 2
Zwischen zwei Sessions laufe ich an einem Spiegel vorbei und kann mein Spiegelbild nicht sehen. Beunruhigt zerre ich Dr. Sprite vor den Spiegel und stelle fest, dass auch sie nicht erscheint: Der Spiegel ist verschachtelt, und ich darf weiter Bier statt Blut trinken.

Tag 3
Habe einen Kreativen-Koller und kann keine Glatzköpfe mit Hornbrille mehr sehen.

Wer (noch) mehr Inhaltliches lesen möchte, darf dies gerne in den folgenden Tagen auf dem medienpädagogischen Portal ihres/seines Vertrauens tun (Verlinkung folgt).

Abschließend noch ein paar nette Element of Crime-Zeilen. Ein Zusammenhang mit jedweden toten oder lebenden Personen oder Begebenheiten ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig.

Frag mich nicht, ob ich Dich noch liebe.
Das Herz endlich gebrochen, und Spaß dabei.
Und alles geht immer irgendwie weiter.
Im Himmel ist kein Platz mehr für uns zwei.

Die Postkarte des Monats: Ich kann auch ohne Spaß Alkohol haben.
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New Mom in Town

Da wäre ich dann also wieder, mitten in der Grünen Hölle, wie der Spiegel ebenso schön wie nicht ganz unwahr meine neue alte Heimat jüngst betitelte. Die Kisten sind fast alle ausgepackt, bis auf einige wenige im Kinderzimmer, die ich mich nicht getraue aufzumachen, weil in ihnen die Feng-Shui-Hölle tobt: angefangene Bastelarbeiten, auf der Straße gefundene Dinge und andere Kostbarkeiten, Hottis Stiftespitzen-Sammlung (ja, sie sammelt abgebrochene Buntstiftspitzen, die Gute), Lottis Schießmunition-Sammlung (kleine gelbe Plastikkügelchen, die Jungs mit Plastikknarren im Park verschießen) und ca. 50 Millionen Kuscheltiere. Ich dagegen habe mir anlässlich der neuen Gegebenheiten ein eigenes Zimmer (Feng-Shui-Himmel) rausgelassen und mich von jedwedem irdischen Kram befreit, der bei 3 nicht auf den Bäumen war. (Dearest Fangemeinde, wenn Ihr mich wirklich liebt, dann schenkt Ihr mir ab jetzt nur noch Dinge, die verwelken oder essbar sind.)

Der Volkspark heißt jetzt Panzerhalle

Der Volkspark (Grünfläche mit 2 Spielplätzen, in der alten Heimat unser zweites Wohnzimmer) heißt jetzt Panzerhalle (Panzerhalle inmitten einer spielplatzähnlichen Grünfläche, in der neuen Heimat vermutlich mein dritter Balkon), Volkspark für Fortgeschrittene sozusagen, und da hänge ich jetzt mit den ganzen LOHAS-Eltern herum, die sich zehn Tage nach dem Spiegel-Verriss noch vor die Haustür trauen: jung, dynamisch, ökologisch, nachhaltig, schick (mutig: weiße Blusen), ausgerüstet mit elektrolytischer Apfelschorle und zahnschonenden Reiswaffeln für den alternativen Nachwuchs sowie einer gepflegten Latte Macchiato für sich selbst. Bei der Recherche nach der richtigen Schreibweise bin ich gerade über das sehr netten Abschnitt der „Kulturellen Bedeutung“ dieses koffeinhaltigen Heißgetränks in der Wikipedia gestolpert, das ich an dieser Stelle kurz anbringen möchte:

„Latte macchiato wird, ähnlich wie auch auch Bionade, häufig als Symbol für trendbewusste Neu-Großstädter der kreativen Mittelschicht und jungen Elterngeneration in Szenebezirken verwendet und demzufolge auch abwertend als Modegetränk der Yuppies und sarkastisch als Symbol und begleitendes Getränk von Gentrifizierungsprozessen betrachtet; Stereotype die unter anderem auch von Kabarettisten wie Rainald Grebe und Philip Tägert oder in dem Musical Mama Macchiato karikiert werden. Betroffene Bezirke werden in diesem Zusammenhang häufig als „Latte-macchiato-Viertel“, beziehungsweise „Latte-macchiato-Kiez“ bezeichnet. Unter der Bezeichnung „Latte-macchiato-Eltern“ oder auch speziell „Latte-macchiato-Mütter“ definieren Trend- und Zukunftsforscher eine marktwirtschaftlich relevante Zielgruppe, die einen bewusst urbanen Lebensstil in das Familienleben integrieren möchte.“ (Wikipedia)

Hat Dieter Thomas Kuhn seinen Porsche schon verkauft?

Ich lasse das jetzt mal so stehen, man muss es sich ja nicht gleich in der dritten Woche nach dem Umzug mit dem neuen Sozialgefüge verscherzen, zumal der Spiegel-Artikel hier nicht wirklich auf begeisterte Anhänger spieß, äh, stieß, und die meisten Leute hier sind ja auch wirklich nett. Gell! Bin heute übrigens an Dieter Thomas Kuhn beim nachmittäglichen Drink mit seinen Kumpels vorbeigelaufen, habe leider ganz vergessen ihn zu fragen, ob er seinen Porsche schon verkauft hat.

Hotti und Lotti sind völlig im Glück, sie ahnen noch nichts von Gentrifizierungsprozessen und Schlagermusik, sondern rennen den ganzen Tag durchs Treppenhaus, um andere Kinder einzusammeln, schwingen sich an Lianenschaukeln durch die grüne Hölle oder stürzen sich todesmutig in die Blaulach, den reißenden, an seiner breitesten Stelle ca. 50 cm fassenden Strom, der vor unserem Haus dahinplätschert.

Ich persönlich stehe noch ein bisschen unter dem Nachbeben des Umzugs, der mich physisch, mental und ökonomisch an meine Grenzen und darüber hinaus gebracht hat (wo nie ein Mensch zuvor gewesen…). Die Bilanz: Rückenschmerzen, entzündete Sehnen und Handgelenke, ein zerrüttetes Nervenkostüm und Schulden bei der Bank. Ansonsten versuche ich mich gerade an 5 Meter gegenüberliegende Häuser mit riesigen Fensterfronten zu gewöhnen, in denen Katalogfamilien zu Abend essen und an deren Dachterrassen Muschelketten hängen, und auch dass die mir plötzlich alle beim Ausziehen – Schlafen – Nasebohren zuschauen können, finde ich noch leicht grenzwertig. Aber sicher nicht mehr lang, schließlich sind wir ja alle eine grüne Familie.

Höllische Grüße
die aktuelle

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Time for a Change!

Der Balkon gehört mir und potenziellen Zwergkaninchen.

Wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein radikaler Umbruch her, der geschwind Dein Leben auf den Kopf stellt. Dieser alten Lebensweisheit entsprechend wurde mir letzte Woche nicht nur meine Traumwohnung, sondern auch gleich mein Traumjob angetragen. Aber mein Tarot hat’s ja gleich gesagt.

Gerade noch rechtzeitig, bevor die hausinterne Sex-Stasi den Deutschen Mieterverein auf den Plan rufen konnte, ruft mich die Mutter von Hottis bester Freundin an und fragt, ob ich nicht in ihren Wohnblock ziehen wolle, da werde gerade eine bezahlbare Dreizimmerwohnung frei und zwar im Prinzip sofort. In diesem Wohnblock wohnt im Übrigen auch Lottis beste Freundin, auch wenn die ein Junge ist, das macht aber nichts, Lotti sagt immer: „Der Dino ist meine beste Freundin.“

Jedenfalls: 3 Zimmer, 2 (!) Balkone (einer für Kräuter und potenzielle Raucherbesucher, einer für mich und potenzielle Zwergkaninchen), 1 nette Hausgemeinschaft mit ca. 972 Kindern, 1 obercooler Innenhof mit Spielplatz, in den sich die Kinder während der Sommermonate bequem ausquartieren lassen, 1 Hausmeister, der meinen Müll rausträgt und Kehrwoche macht (!!), 1 Bach, der idyllisch vor meinen 2 (2!) Balkonen dahinplätschert, und 1 Waldrand, in dem Hotti und Lotti Bären jagen und sich die Klamotten zerfetzen können. Darüber hinaus ein paar supernette Vermieter, die mir nicht nur eine neue Küche passgenau um meine Spülmaschine herum einbauen, sondern auch noch sämtliche Wände streichen, die Böden abschleifen und einen sozial verträglichen Mietpreis verlangen. Wunder gibt es immer wieder.

Und weil das noch nicht cool und krass genug ist, ruft als nächstes der SysOp an und fragt mal eben, ob ich vielleicht Interesse daran hätte, meinen Traumjob auszuüben, er könne ja mal ein Vorstellungsgespräch organisieren. Och, weißt Du…

Meine To-Dos für die nächsten Wochen gestalten sich dementsprechend folgendermaßen:

1. Geld auftreiben für ganz viele tolle schicke Möbel, 1 Umzugswagen und 2 doppelte Monatsmieten (Kleinigkeit)

2. Menschen auftreiben, die meine vielen tollen schicken Möbel schleppen, meine Kinder sitten und das Catering organisieren (keine Sorge, Ihr bekommt rechtzeitig Bescheid!)

3. eine Plastiktüte auftreiben, in die ich beim Vorstellungsgesprächsessen mit meinem zukünftigen Chef atmen kann.

Das ist überschaubar.

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Fanta geht

Nichts ist sicher, das stand schon mit 15 auf meinem Lieblings-T-Shirt. Meine Freundin, Mitmutter und Cohexe Fanta verlässt mich und Lingendingen, um ihre Zelte und ihre drei Kinder Mulle, Rulle und Wulle in der nordschwäbischen Provinz aufzuschlagen. Ich kann nur sagen: I am not amused!

Wir waren: Neurotische Erstlingsmütter

Mulle.

Gemeinsam stillten, schuckelten und tauschten wir unsere mondgesichtigen Säuglinge und zogen sie im Fahrradanhänger durch die Gegend, um der anderen 30 Minuten Luft vom Babywahnsinn zu ermöglichen. Zu unserer Belustigung setzten wir ihnen Perücken und Strumpfhosen auf die Köpfe, verbrachten etliche Sommer im Schwimmbad, wo wir unsere beschwimmflügelten Schnuckis durch pisswarme Planschbecken zogen, buken tonnenweise Kuchen im Sandkasten und hüteten unsere bereits vorhandenen Kinder, wenn die andere ein weiteres zur Welt brachte.

Hotti.

Wir hechelten individuelle Entwicklungsschritte durch (Zähne, Sprache, Motorik), diskutierten Ernährungs-, Erziehungs- und Beziehungsfragen, Vor- und Nachteile diverser Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie Chancen und Risiken von Stoffwindeln und Mehrfachimpfungen, arbeiteten uns in Homöopathie für Kinder ein und absolvierten gemeinsam einen Erste-Hilfe-Kurs für Kleinkinder, als Hotti sich eine Ladung Waschpulver ins Gesicht kippte. Kurz, wir machten all das, womit neurotische Erstlingsmütter ihrer Umwelt den letzten Nerv ziehen.

 
Rosa Baumwollunterhosen und Heidelschnucki

Scheidungfeiern beim rituellen Adventskranzbinden.

Später gestanden wir uns, wie gern wir die lieben Kleinen manchmal an die Wand klatschen würden, entlausten und bestritten Kindergeburtstage, gingen hotten in die Russendisco, und als unsere Beziehungen den Bach runtergingen, hingen wir einen Winter lang am Telefon, um uns von Kinderknast zu Kinderknast psychisch und nervlich über Wasser zu halten. Als Stiftung Hexentest nahmen wir potenzielle Liebhaber der jeweils anderen unter die Lupe, und als ich wochenlang mit einer äußerst unlustigen Lungenentzünzung vor mich hinvegetierte, ging Fanta sogar rosa Baumwollunterhosen für mich einkaufen – das ist wahre Freundinnenschaft! Gemeinsam schulten wir unsere Kinder ein und begossen schließlich Fantas Scheidung mit einer Flasche Sekt beim rituellen Adventskranzbinden.

And then came Heidelschnucki, in den Fanta sich so verknallte, dass sie jetzt Lingendingen den Rücken kehrt, der Rest ist Geschichte. Tja, so schnell geht das. Gemäß meines diesjährigen Tarots werde ich jetzt nicht hadern und zähneklappern, sondern Fanta auf diesem Wege Liebe, Glück, Segen, keine weiteren Kinder und eine stabile Internetverbindung wünschen: Good bye, old friend – may the Force be with you!

Alles Liebe
Cola

Willkommen, Welcome, Bienvenue…

…ein neues Jahr erwartet Sie. So, mein Herz, ich und hoffentlich auch die britischen Synthiepopper von Hurts haben das alte Jahr überlebt und sind irgendwie im neuen angekommen, and we proudly present: 2011. Klingt jetzt noch nicht so wahnsinnig spektakulär, aber das kann ja noch kommen.

Mein Jahrestarot habe ich in Form des Keltischen Kreuzes vorgestern gelegt, insofern ist mein Jahr bereits gelaufen. Ich habe gezogen: den Gehängten, den Tod und den Mond (der ungefähr so ätzend ist wie der Gehängte und der Tod zusammen). Aber man soll ja nicht immer alles so schwarz sehen, schließlich hätte es noch schlimmer kommen können, ich hätte noch dazu den Turm, den Untergang und die Grausamkeit erwischen können, habe ich aber nicht, ich alter Glückspilz. Zusammenfassend lässt sich über das mir bevorstehende Jahr 2011 sagen: Ich werde innerlich und äußerlich steinreich, soll Altes abschließen, soll Altes abschließen und soll Altes abschließen. Darüber hinaus soll ich Altes abschließen, um frei zu sein für all die wunderbaren Dinge, die da auf mich zukommen. Immer vorausgesetzt, ich überlebe das alles.

„Meine Güte, Aktuelle!“

Meine Wachstumskarte für dieses Jahr ist „Der Wagen“, der im Übrigen auch meine Persönlichkeitskarte ist, am Ende komme ich möglicherweise doch noch irgendwie bei mir an. Passend dazu entfuhr es meiner Mutter neulich, als ich mich mal wieder über das Leben als solches, und welche Haken es doch immer wieder schlägt, wunderte: „Meine Güte, Aktuelle! Du bist jetzt 35 Jahre alt, Du müsstest doch langsam mal kapiert haben, wie dieses Leben funktioniert!!“ Mama! So energisch und entnervt ob meiner gelegentlichen Naivität und Fassungslosigkeit dem Leben gegenüber habe ich sie in den letzten 35 Jahren selten, wenn nicht gar nie, erlebt. Ich muss ihr wirklich auf den Keks gegangen sein oder sie hat sich aus irgendeinem Grund total vergessen. (Ich muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass meine Mutter die Zurückhaltung in Person und Contenance ihr zweiter Vorname ist.)

Zurück zu 2011: Wunderbra wünscht seiner stetig wachsenden Fangemeinde (es dürften inzwischen 10 sein) aus tiefstem Herzen ein großartiges, glückliches und wunderbrares neues Jahr!

die aktuelle

Gib mir 5!

5 gewinnt.

Hooray, Lotti ist 5! Das bedeutet einerseits, dass sie nun reifer, verständiger, selbstbewusster, frecher, widerspenstiger, bockiger und noch eigenwilliger ist als je zuvor; andererseits, dass es nur noch ca. 15 Jahre bis zu ihrem Auszug sind. Wenn man 5 wird, bekommt man einen Kindergeburtstag, und was für einen. Ich weiß nicht, was Lotti sich konkret vorstellte, als sie seit Ende November den Countdown bis zum Tag X runterzählte („Noch 32 Mal schlafen, noch 31 Mal schlafen, noch 30 Mal….“). Dass sie einen Abend vorher („Gell, Mama, nur noch EINMAL SCHLAFEN?!???!!!!“) nicht hyperventilierte, grenzt an ein Wunder.

Der Tag X ist da und fängt erstaunlich entspannt an. Zuerst kriechen Hotti und Lotti unter meine Decke zum Wachschnuckeln, dann gibt’s Bescherung, Hotti und ich schmettern „Heute kann es regnen, stürmen oder schnein“, Lotti strahlt rolfzuckowskimäßig wie der Sonnenschein, wir setzen die Geburtstagsqueen auf ihren mit Luftschlangen und Luftballons geschmückten Thron, diese packt Geschenke aus und ist im Rosaglitzermädchenglück (ein rosa Glitzerspiegel, ein rosa-lila Glitzereinhorn, eine rosa Glitzerperücke mit Blümchenhaarreif), alle stopfen noch im Schlafanzug Kuchen in sich rein. Später kommt der Hotti-Lotti-Papa, sogar fast pünktlich, bringt Muffins mit und verwandelt mit den beiden das Kinderzimmer in ein Girlanden-Luftballon-Luftschlangen-Paradies. Alles prima.

Ich setze „Schnaps“ auf meine innere Einkaufsliste

Und dann geht’s rund, die Gäste kommen, alle auf einmal, alle haben einen totalen Feiertagshaschmich, und kein Elternteil, das seinen Spross zwischen den Jahren bei mir abstellt, versäumt darauf hinzuweisen, wie großartig sie das finden, dass sie jetzt mal einen Nachmittag Pause haben und sie so unverhofft zum Shoppen / zum Friseur / zurück ins Bett gehen können. Juhu, ich komm‘ mit. Den Auftakt macht Paul, der in dem Moment, als er feststellt, dass seine Mutter das Geburtstagsgeschenk wieder mitgenommen hat, schlicht durchdreht. Auch als seine Mutter zwei Minuten später wieder auf der Matte steht, um das Geschenk abzuliefern, ist für Paul die Party gelaufen, er will heim und zwar sofort, und ich bange um meine Fensterscheiben. Währenddessen versucht ein Papa, sein Kind im Kinderzimmer bei den anderen Gästen zu parken, aber sein Kind will nicht, weil die anderen zu laut sind und das Kind eher leise. Nach langem Hin und Her kann der Papa gehen, und das Kind klebt nicht mehr an seiner Hand, sondern an meinem Bein. Nebenan flippen 7 überdrehte, feiertagsaufgestaute, mit Süßigkeiten vollgestopfte, partygeile Vorschulkinder komplett aus, ich bin froh, dass das Hochbett an der Wand festgeschraubt ist, und spiele mit dem Gedanken, einen Schnaps zu trinken, habe aber leider keinen da. Ich setze „Schnaps“ auf meine innere Einkaufsliste.

Und dann werfe ich mich todesmutig ins Auge des Kinderpartytornados, zwinge die Berserker zum Flaschendrehen und strukturierten Geschenkeauspacken, verfrachte sie an den Kuchentisch, wo sie sich mit noch mehr Süßbapp vollstopfen, verbinde ihnen die Augen, drücke ihnen Kochlöffel in die Hand und zwinge sie auf den Boden: „LOS, TOPF SUCHEN, ALLE HELFEN MIT, WÄRMER, WÄRMER, KÄLTER, WÄRMER, HEEEEI???, JAAAAA!!!! LOS UND DER NÄCHSTE, HOPP!!!“ Das ist der Punkt, wo Hotti sich langweilt, nur noch doof im Weg rumsteht und ich sie entnervt in ihr Zimmer schicke, woraufhin das Geburtstagskind anfängt zu heulen und sagt, was das für ein blöder Geburtstag ist, und so hätte sie sich das alles überhaupt nicht vorgestellt. Innerlich kippe ich einen zweiten, dritten und vierten Schnaps. Und atmen. Unerwartet interveniert plötzlich der Hotti-Lotti-Papa und sediert für ein paar Minuten den ganzen Haufen mit seinem Phlegma und den neuen Plemo-Spielsachen.

Dann noch Schatzsuche in der eigenen Wohnung (und alle so yeah), Brezeln, und der Spuk ist vorbei, die Meute wird abgeholt, meine Hülle sinkt auf dem Küchenstuhl in sich zusammen. Für den nächsten Kinderwahnsinn notiere ich: 1. Auswandern in ein Kinder-Hüpf-und-Kreisch-Center. 2. Schnaps, viel.