Oma Highspeed

Der Kosmos meint es derzeit gut mit mir. So bin ich aktuell nicht nur vom einen oder anderen Superhelden umgeben, sondern auch von einem Haufen wohlmeinender Feen, die keine Wünsche offen lassen. Die eine vermietet mir meine neue Traumwohnung zu einem für Lingendinger Verhältnisse mehr als fairem Preis und spendiert mir nächstes Jahr möglicherweise einen schicken Ostbalkon für meinen Morgenkaffee. Eine andere stabilisiert mich nachhaltig beim Nikotinentzug, indem sie mir keine Zigaretten gibt, auch wenn ich noch so hartnäckig auf Holzscheiten knieend im Schlamm vor ihr herumrutsche. Die nächste zaubert mitten im Umzugsirrsinn für Fanta, mich und unsere Sippschaft ein mediterranes Menü und spendiert tütenweise Haute Couture für die Mädels, eine weitere wiederum will mir günstig ihren Trockner vermachen. Und dann ist da noch die beruflich pensionierte, politisch jedoch hyperaktive Oberfee mit dem langen grauen Zopf, die Frauengeschichte schreibt, keine S21-Demo auslässt und nicht nur meine Wäsche vor heraufziehenden Gewittern in Sicherheit bringt, sondern sie neuerdings auch noch ordentlich zusammengelegt vor meine Tür stellt.

Batman oder Superman?

Ihr entgeht im Übrigen: Nichts. So macht sie mich darauf aufmerksam, dass ich vor einer Minute Fantas Auto leider auf dem Handwerkerparkplatz abgestellt habe und dieses doch bitte umparken möge, dass ich wiederum die Scheibe meines eigenen Fahrzeugs auf der Fahrerseite offen gelassen habe und dass ich gestern Abend entweder Besuch gehabt oder sehr laut telefoniert habe, wobei sie breit grinsend versichert, dass sie selbstredend „kein Wort!“ verstanden habe. Sie hat mittlerweile herausgefunden, dass mein W-LAN Lady Blabla heißt und verrät mir im Gegenzug, dass sie Highspeed wäre. Neulich fängt sie mich mit hochgezogener Augenbraue auf der Treppe ab und sagt mit tiefer Stimme: „Ich habe übrigens Deinen Blog gelesen!“ Noch nicht einsortieren könnend, ob das jetzt gut oder schlecht für mich und unser künftiges nachbarschaftliches Verhältnis ist, kontere ich betont lässig: „Ah ja?“ Darauf sie: „Und wer war das jetzt neulich morgens: Batman oder Superman?“

Darüber hinaus hat sich die Highspeed-Fee kurzerhand zur Vize-Oma für Hotti und Lotti erklärt. So scheucht sie drei Wochen lang meine Brut zum morgendlichen Bus in die Dreckspatzen-Ferienbetreuung, während ich bereits in aller Herrgottsfrühe vollkommen egoman meiner Berufstätigkeit und Selbstverwirklichung in der Landeshauptstadt fröne. Sie beglückt uns mit Apfelmus und Marmelade, Gurken, Brombeeren und Holunderblütensirup, und sie vollbringt sogar das Wunder, die granatensture Lotti dazu zu bewegen, ihr Fahrrad in den Schuppen zu schieben oder sich einen Sonnenhut aufzusetzen, wenn ich mir diesbezüglich schon den letzten Zahn an diesem Esel von einem Kind ausgebissen habe. Und jüngst hat sie beschlossen, für meine Nachkommen Genossenschaftsanteile zur Finanzierung von Mikrokrediten zu erwerben. Ich rechne fest damit, dass sie mir in naher Zukunft zwinkernd drei Haselnüsse in die Hand drücken, dreckig lachen und sagen wird: „Aber um Mitternacht bist Du zu Hause!“

Two princes

Der kosmischen Scherze gibt es ja bekanntlich viele, allein der Themenkomplex „die aktuelle und die Männerwelt“ bildet mittlerweile ein ganzes Genre. Der neueste geht so: Während sich jahrelang kein männliches Wesen so richtig für mich und meine Special Effects erwärmen konnte und ich auf meiner To-do-Liste für die kommenden Jahre erst einmal die Kinder, die neue Wohnung sowie den Hagelschaden meines Autos priorisierte, stehen da jetzt plötzlich zwei Prinzen auf meiner Matte, und zwar sowas von gleichzeitig. Und während der eine, nennen wir ihn spaßeshalber Batman, in mir die tollste Frau des Universums sieht, bin ich für den anderen, nennen wir ihn ebenso spaßeshalber Superman, Hello Kitty und Queen Cola Bitch I. in Personalunion. Nicht, dass ich mich nicht freuen würde ob dieser meiner neuen Beliebtheit in der Welt der Superhelden, man ist ja nicht undankbar. Aber man fragt sich schon auch, was zum Teufel sich der Große Geist bei einem derart miserablen Timing eigentlich gedacht hat. Mutmaßlich zeigt sie mit ausgestrecktem Zeigefinger auf mich und mein frisch gestrichenes Krönchen und kichert irre.

Gemüse versus Stifteköcher

So legt mir derzeit Batman entschlossen die Erträge seines Gemüsegartens in Gotham City vor die Tür, während der Man of Steel in Smallville todesmutig Hello Kitty-Stifteköcher für mich jagt, und beides ist ebenso entzückend wie großartig. Mit Blumen beglücken meine Superhelden mich im Übrigen beide. Und während ich noch Lancelot, der es wagte, mich an meinem 35. Geburtstag mit 35 orangenen Rosen zu bedenken, leider mit einer Kettensäge in seine Einzelteile zerlegen musste, weil mir eine derartige Zuneigungsbekundung definitiv zu weit ging und in meinen Augen an schamloser Übergriffigkeit nicht zu überbieten war, bin ich mittlerweile in der Lage, eine vergleichbar herausfordernde Situation souverän zu meistern. Steht heute ein Prinz, Ritter oder Superheld mit Blumen vor meiner Tür, setze ich mein strahlendstes Lächeln auf, bedanke mich artig und sage: „Ich hol‘ mal eben eine Vase!“ Ein kleiner Schritt für die Otto-Normal-Frau, ein großer Schritt für die aktuelle. Entwicklung ist möglich.

Ihr seht: Es bleibt wie immer spannend, die aktuelle Queen Kitty Cola Bitch of the Universe I. wird Euch auf dem Laufenden halten. Mein besonderer Dank und spezieller Artikel gehen in diesem Fall im Übrigen aufs Herzlichste nach Rothenburg ob der Tauber, genauer an Markus, einen unserer offensichtlich treuesten Fans, der mich gestern Abend auf Ma Bakers Hochzeit dringend dazu aufforderte, ihn doch wieder an unserem Privatleben teilhaben zu lassen. Nichts lieber als das!

Weihnachten in Neukamerun

Um potenziellen innerfamiliären Spannungen zu entgehen, die ja zum Fest der Liebe gerne mal rund um die Nordmanntanne auftreten, packen Hotti, Lotti und ich dieses Jahr am Tag vor Heilig Abend unsere Siebensachen und fahren über die Feiertage zu Santa Fanta und ihren Sprösslingen Mulle, Rulle und Wulle nach Neukamerun. Und siehe da: Friede auf Erden, die Autobahnen 8, 5 und 656 sind frei, die Kinder verschwinden abgesehen von kurzen Unterbrechungen für drei Tage in ihren Zimmern und spielen harmonisch Polizistenraub und Laserlego, während Fanta und ich lesen, den Biomüll vor die Tür tragen, Radler trinken und so lange Tatort glotzen, bis wir Mordopfer, Kommissare und Verdächtige nicht mehr auseinanderhalten können.

Heilig Abend, Neukamerun: Das Krönchen sitzt

Am Morgen des 24. Dezember planen Fanta und ich die Choreografie des Tages: Frühstücken, einkaufen, Baum schmücken, kochen, die Kinder ablenken und zeitgleich die Geschenke ins Wohnzimmer zaubern, essen, musizieren, Geschenke auspacken, und dann machen wir es uns gemütlich! Ein guter Plan, in weiten Teilen geht er sogar auf: Wir schmücken den Baum, dieses Jahr nicht in Naturgrün und mit frischen Äpfeln, sondern in Pink und Glitzer. Wir schälen tonnenweise Kartoffeln für einen Gratin, den Fanta leider mit einem Stinkekäse überzieht, der nicht so wirklich zum Fisch passt, aber egal, in Bethlehem gab’s gar nichts, nicht mal Stinkekäse. Das Christkind beamt unbemerkt die Geschenke unter die Tanne, derweil trudeln Urmel und Elsa ein, Fantas Eltern, die leichtsinnigerweise den Abend mit uns verbringen möchten. Unser Krönchen sitzt, wir haben alles im Griff. Gemeinsam essen wir den halbrohen Stinkegratin, spielen Blockflöte und trällern Weihnachtslieder, und wider Erwarten platzt dabei auch keines der Kinder, weil es sich nicht bis zur Bescherung gedulden kann. Letztere verläuft recht hektisch, aber glimpflich, wir bekommen alle Schlittschuhe und sind glücklich, nur Lotti verliert vorübergehend die Fassung, weil das beim Christkind in Auftrag gegebene und so sehnlich erhoffte Freundebuch fehlt. Danach gibt Urmel noch ein selbstverfasstes Weihnachtsgedicht zum Besten, die Kinder schlafen reihenweise ein, und dann ist auch dieser Heilige Abend Geschichte.

Polizisten auf der Drehscheibe

Der 25. Dezember lässt sich ebenfalls unverhofft gediegen an. Zwar hat die Eislaufbahn geschlossen, auf der wir unsere neuen Kollektivgeschenke ausprobieren wollen, dafür kommt es in den Kinderzimmern zu recht ungewöhnlichen Konstellationen wie Konversationen. So spielen ausgerechnet Teenie-Hotti und Lego-Wulle Verbrecherjagd mit dem neuen „Polizeiauto mit Gefängnis hintendran“. Hotti erläutert die Vorgaben: „Die Polizisten verlieren immer, das ist die Regel. Die werden dann ausgeraubt, und das ist dann Pech.“ Ja, so ist das im Leben. Als nächstes will Hotti den Polizisten rauben, allerdings etwas vorschnell, Rulle weist sie zurecht: „Du musst erst mal die Autotür aufmachen, du Dödel!“ Nach vollzogenem Polizistenraub finden die zwei, der Gute müsse jetzt gefoltert werden, und zwar auf der Drehscheibe: „Wird dir schnell schwindelig?“ „Ja.“ „Super, dann setz‘ dich hier auf die Drehscheibe!“ Der Polizist fängt an zu heulen, doch die Gangster kennen kein Erbarmen: „Wenn du weiter so flennst, kommt auch noch die Bombe zu dir!“ Wulle befiehlt: „Gib mir das MASCHINENGEWEHR, die MASCHINENGEWEHRE kommen hierher, wir brauchen mehr MASCHINENGEWEHRE!!“ Und den Menschen ein Wohlgefallen. Als es schließlich hart auf hart kommt, kreischt der Polizist: „Du kannst mich nicht, ich bin Laser!“

Agenten auf der Terrasse

Fanta und ich machen es uns derweil auf dem Sofa gemütlich, ich lese mein neues Schneckenbuch vom Herrn Nachbarn und Fanta säuselt wohlig: „Man könnte fast vergessen, dass wir Kinder haben.“ Im selben Moment schlagen Mulle, Wulle und Hotti fast die Terrassentür ein: Sie sind als bis an die Zähne bewaffnete Agenten im Garten unterwegs, fordern Plätzchen und wollen Benjamin Blümchen hören, und zwar ein bisschen plötzlich. Gleichzeitig betreiben Rulle und Lotti im oberen Stockwerk ein Gruselzimmer: „Wir setzen uns in den Schrank und leuchten mit der Barbielampe, und wenn jemand kommt, werfen wir den Schwabbeltiger!“ Und wo wir schon beim Gruseln sind, wärmen wir abends lediglich die Reste des Stinkegratins auf, dessen Kartoffeln heute endlich durch sind.

Am 26. Dezember schließlich verlassen uns nacheinander Contenance, Grammatik und Semantik. Fanta und ich bellen abwechselnd Kommandos wie: „Es wird nicht mit Dreckservietten geworfen!“, „Es wird nicht ums Sofa oder den Baum gejagt!!“ oder „Rulle egal, Du bist jetzt allein!!!“ Ein guter Zeitpunkt, um auf die Freilufteislaufbahn auszuweichen, die heute ein Einsehen mit uns hat. Zu den Charts 2012, die aus Lautsprechern durch die idyllische Landschaft Neukameruns dröhnen, ziehen wir mehr oder weniger elegant unsere Kreise, danach geht es zurück in Fantas schicke Doppelhaushälfte, wo wir die Kinder zwingen, Teil 3 des Stinkekäsegratins zu essen, und dann ist es Zeit Abschied zu nehmen. Fanta und ich gratulieren uns zu unseren mütterlichen Meisterleistungen und sind nach diesen drei Tagen um eine entscheidende Erkenntnis reicher: Entspannte Weihnachten sind möglich!

Hurra, wir heiraten!

"Stell Dir vor: Wir heiraten!!"

Es ist soweit, die Wunderbra-Redaktion heiratet, also nicht direkt Ma Baker und die aktuelle, sondern Ma Baker ihren SysOp, aber da man Freundinnen in derart existenziellen wie destabilisierenden Lebenslagen schlecht sich selbst überlassen kann, bin ich gewissermaßen mit im Boot. Bei eingefleischten Dauersingles allerdings, die man mit beziehungstechnischen Erfolgsgeschichten jagen kann und bei denen Hochzeiten maximale Beklemmungen auslösen, bewegt sich die Begeisterung angesichts derartiger Neuigkeiten im Minusbereich. Als sich jedoch herausstellt, dass außer mir noch einige Andere ihren geballten Beziehungsfrust bei der angehenden Braut abladen, tut sie mir leid, und ich sage, dass, wenn sie schon heiraten muss, sie dann aber dringend neue Stiefelchen, schicke Klamotten und Glitzerlidschatten braucht, und dass ich diejenige sein werde, die sie in diesen schweren Stunden durch Schuhgeschäfte, Boutiquen und den Drogeriemarkt führt. Ma ist glücklich, aber der Glitzerlidschatten geht ihr dann doch zu weit.

Rüschen? Spinnst Du??

Unser erster Gang führt uns in einen Hippie-Outlet-Schuppen mit dem vielversprechenden Namen Diva. Mehr ist bei ehemaligen Punkermädchen mental erst einmal nicht drin. Ich schlage ein braunes oder schwarzes Cordröckchen vor, Ma zeigt mir einen Vogel und sagt: „Ich will Farbe!! Wenn schon, denn schon!“ Ich eile mit Oberteilen in Flieder, Beere und Lila herbei, Ma motzt: „Viel zu tot, ich will so ein Hier-komm-ich-Teil!!“ Okay, denke ich, sie ist die Diva, und suche Kleider in Quietsch mit Walla. „Um Himmels Willen, keine Rüschen! Und so ein Esoterik-Walla-Walla, das geht gar nicht!!!“ Nach zwei schweißtreibenden Stunden erwerben wir einen pinken Fummel für obendrüber, einen lila Fummelschal und Stulpen in Beere. Die Accessoires sind eingetütet, fehlt nur noch ein Oberteil für untendrunter sowie ein schwarzer Rock, den Ma jetzt möchte, vielleicht in Cord, und da die Hippie-Boutique das nicht hergibt, machen wir uns auf zur Damenabteilung der nächsten Galeria Kaufhof am Fuße der Schwäbischen Alb.

Die Zeit arbeitet für mich

Dort angekommen, verschwindet Ma umgehend mit je einem braunen und einem schwarzen Cordröckchen, gesäumt von Wallawallarüschenspitze, in einer Umkleide und trägt mir währenddessen auf, ich solle doch mal nach so einem hübschen Shirt in Flieder schauen. Diese modische Zeitverzögerung mittlerweile einberechnend beginne ich, Ma mit paillettenübersäten Funkeloberteilen und Glitzerstrumpfhosen zu behelligen, die sie zwar erwartungsgemäß brüsk abschmettert, aber ich weiß, die Zeit arbeitet für mich. Wenn schon, denn schon! Nach einer weiteren Stunde wird der Rock gekauft. Vollkommen erschöpft von diesem rasanten Ritt durch die gesamte Evolution der Haute Couture an nur einem Nachmittag schleppen wir uns in eine Fischbude und bestellen riesige Portionen Dorsch, Pommes mit Mayo, Sahnesoßenbandnudeln und Cola.

Abgesehen vom folgenden Koffeinrausch, der die zukünftige Braut weitgehend abschießt, frage ich mich, wie man sich derart vollgestopft jetzt noch in irgendwelche Klamotten zwängen kann, aber Ma steuert entschieden den nächsten Laden an. Wir werden fündig, das Outfit steht. Entgegen meiner zeitlichen Berechnungen kann ich zwar mit dem Glitzer nicht mehr landen, aber schließlich heirate ja auch nicht ich, sondern sie. Tot, aber glücklich machen wir uns auf die Heimreise.

Drei Tage später erreicht mich folgende SMS: „Stehe in der Drogerie!! Wie heißt dein Glitzerlidschatten???“

Rampensau

Das Leben ist ja bekanntermaßen eines der absurdesten. Da verliebt man sich im Frühling Hals über Kopf in einen windigen Kommissar aus München (wir berichteten), der sich binnen weniger Wochen mehr oder weniger elegant in Luft auflöst (wir berichteten ebenfalls), verbringt einen Sommer, der an Geschwindigkeit und Madness wenig zu wünschen übrig lässt (keine Zeit zum Berichten), und schwupp, ist es Herbst, und man steht mit eben dem Frühlingskommissar auf ein und derselben Bühne und erntet unter verzweifelten Versuchen, den eigenen Adrenalinhaushalt unter Kontrolle zu bringen, gleichmäßig ein- und auszuatmen und möglichst nicht tot umzufallen, Applaus.

Aber der Reihe nach. Nach der Schlappe mit Leitmayer verbrachte die aktuelle ihre Zeit vor allem damit, ihr Krönchen zu richten und mit stolz erhobenem Haupte, perfekt lackierten Fußnägeln und schicken neuen Pantoletten weiterzureiten, was sich zwar nicht immer so ganz einfach gestaltete, jedoch größtenteils gelang. So galt es beispielsweise im Rahmen des Lingendinger Straßenfestes eine erste Begegnung mit besagtem Kommissar zu überstehen, ohne a) einem Tourette-Anfall zu erliegen, b) heulend nach Hause zu laufen oder c) beim Tanzen direkt vor seiner Nase über die eigenen Füße zu stolpern. Mit Erfolg.

Leben, du Sau

Eine willkommene Ablenkung bot da die Anfrage meines werten Herrn Nachbarn, ob ich nicht Lust hätte, ein paar nette kleine Textchen für eine nette kleine Kindermusikveranstaltung zu schreiben, die im Herbst am Lingendinger Staatstheater aufgeführt werden sollte. Warum nicht, sehr gerne, er komponierte, ich schrieb, alles fein.

Und dann ist er da, der große Tag, an dem meine Lieder das Licht der Bühnenwelt erblicken werden, wie schön, ich freue mich, und mit Röckchen, Stiefelchen, Kinderchen und Madame Mistral geht es los ins Theater, und am Schlagzeug sitzt, Überraschung, niemand anders als Katastrophenkommissar Leitmayer. Leben, ich liebe dich. Und weil ja absurder immer geht, ruft mich am Ende der Veranstaltung der Herr Nachbar ohne Vorwarnung zur Band auf die Bühne, um sich bei mir zu bedanken und mich irgendwas zu fragen, und klatschnass geschwitzt habe ich keine Ahnung, was ich rede, weil zwei Meter neben mir mein Frühlingsdesaster steht und vielleicht hundert Menschen oder mehr vor mir sitzen und ich mich vor Mikrofonen und Präsentiertellern fürchte, und ich überlege, wie ich aus dieser Nummer nur wieder herauskomme und denke, dass das doch alles gar nicht wahr sein kann und ich jetzt leider sterben muss – auf der Bühne, welche Ironie, Willy Millowitsch wäre blass vor Neid. Lieber Herr Nachbar, dafür ist mindestens eine Pizza fällig! Wenn nicht zwei.

Aschenbrödel

Von Aschenbrödel lernen heißt fürs Leben lernen. Denn Aschenbrödel ist nicht nur ein großartiger 70er-Jahre-Weihnachtsschinken mit entzückender Klimpermusik, sondern auch echtes Vorbild in Sachen Lässigkeit und damit beinharte Lebenshilfe. Wir erinnern uns kurz: Die tschechische Cinderella reitet auf ihrem Schimmel Nikolaus immer wieder und verbotenerweise durch den weißen Winterwald und stößt dabei wiederholt auf den Prinzen, der dort ebenfalls unerlaubt unterwegs ist. Während der Prinz versucht, die Identität der schönen Unbekannten herauszubekommen und sich dabei zudem einigermaßen ungeschickt anstellt, entschwindet die angehende Prinzessin ein ums andere Mal erhobenen Hauptes auf weiter, weißer Winterflur, ohne mit der Wimper zu zucken. Außerdem hatte sie ja auch noch ein paar Zaubernüsse sowie eine weise Eule am Start, insofern konnte sie ohnehin unbesorgt ihrer Wege reiten. Der Rest ist Geschichte.

Doof vorm Schloss stehen ist auch keine Lösung

Allein: Was tut man, wenn der Prinz nicht tut, was im Skript steht? Wenn er, anstelle von Aschenbrödel, aus dem Ballsaal stürmt, nur um auf der Treppe seinen gläsernen Schuh zu verlieren und dann, ganz ladylike, auf dem Pferd der künftigen Prinzessin in die Nacht zu entfliehen? Und er sich nicht die Bohne dafür interessiert, wer da eigentlich im Ballkleid vor ihm steht? Dann steht man erst einmal ziemlich doof da, so allein vorm Schloss, mitten in der Nacht, im Ballkleid, ohne Gaul und fragt sich, wer hier eigentlich das Skript nicht gelesen hat. Und warum eigentlich immer alles so kompliziert sein muss, wo es doch, rein theoretisch, so einfach sein könnte. Wenn man dann noch zu einem halbwegs temperamentvollen Charakter neigt, fängt man ab einem bestimmten Zeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an, sich aufzuregen und ein Tourette-Syndrom zu entwickeln. In diesem emotionalen Bermuda-Dreieck ist vermutlich schon so manch eine von uns verlorengegangen.

Aber weil doof Dastehen, sinnlos Grübeln und Sichaufregen dauerhaft auch keine wirklich abendfüllenden Veranstaltungen sind, stellt sich noch einmal die Frage: Was macht man als herausgeputzte Küchenmagd, Mutter, Arbeitnehmerin und angehende Prinzessin ohne Zaubernüsse, wenn sich der Prinz als schnöder Pferdedieb entpuppt? Man erhebt sein Haupt, richtet, einmal mehr, sein Krönchen, macht sich ein Radler auf und gibt niemals (niemals!) den Gaul aus der Hand. Und dann reitet man lässig weiter.

die aktuelle

re:publica 2012 and beyond

Bei so einer großen und wichtigen Blogger-Konferenz wie der alljährlich stattfindenen Berliner re:publica ist es natürlich nicht nur wahnsinnig prickelnd zu erfahren, was Internet-Größen wie Sascha Lobo, Mario Sixtus, Johnny Haeusler, Kathrin Passig oder Markus Beckedahl bei ihren Live-Acts so alles treiben, sondern auch und gerade einmal einen Blick jenseits der großen Netzweltstages zu riskieren. Aus diesem Grund haben sich Erstmaleinerauchen-Sprite und Momentichhabsgleich-aktuelle auf den langen Weg in unsere Hauptstadt gemacht und gemäß dem diesjährigen Motto ACT!ON exklusiv für Euch die finalen Fragen geklärt: Wo gibt es Essen? Wo ist die Raucherecke? Und wo sind hier die Toiletten? #rp12: So war es wirklich.


Weiß Deine Mama, dass Du rauchst?

Der erste Tag ist ziemlich krass. Es steht buchstäblich nichts mehr an seinem Platz, so wie neuerdings auch die lactosefreien Milchprodukte im Kaufland, die re:publica ist nämlich umgezogen in eine gänzlich neue Location, die STATION am Gleisdreieck, und das ist erst einmal zu viel für uns. Schließlich sind wir auch nicht mehr die Jüngsten, worauf man uns freundlicherweise unablässig aufmerksam macht, indem man uns siezt, egal, ob man uns den Kaffee über die Theke reicht oder uns um Papers und Filter anschnorrt. Man ist geneigt zu kontern: „Weiß Deine Mama eigentlich, dass Du rauchst?“

Auf 20 000 Quadratmetern des ehemals größten deutschen Paketumschlagplatzes ringen wir zwischen 4 000 TeilnehmerInnen um Orientierung, fremdeln und müssen erst einmal alles schlechtmachen. „Boah, diese Hallenakustik, das vertrag‘ ich ja echt nicht“, mault Erstmaleinerauchen-Sprite, „Ja, und diese ganzen Menschen!“, jammert Momentichhabsgleich-aktuelle. Abends fallen wir erschossen in unsere insgesamt acht Betten, unsere Hotelzimmer verfügen nämlich über einen jeweils sehr eigenen Humor: In Erstmaleinerauchen-Sprites Jugendherbergszimmer befinden sich sage und schreibe sechs Betten, aber keine Nachttischlampe, in Momentichhabsgleich-aktuelles Doppelzimmer mit Gardinen in erfrischendem Todesschwarz gibt es dagegen zwar nur zwei Betten, dafür aber eine Nachttischlampe, allerdings keine Steckdose. Aber man kann halt auch nicht immer alles haben.

Manisches Location-Loben und: Wo bist Du?

Nachdem wir am zweiten Tag unsere Krönchen zurechtgerückt und die Contenance wiederhergestellt haben, kann es so richtig losgehen: Erst einmal frühstücken, eine rauchen und dann ab zur STATION. Die Orientierung fällt heute schon deutlich leichter. Wir wissen, wo welche Bühne ist, welche Panels wir auf keinen Fall sehen wollen, wie viele Toiletten es gibt und wo man Kuchen, Rote Grütze und die letzte Hühnerbrust mit Ketchup-Mayonnaise bekommt. Ab jetzt ist manisches Location-Loben angesagt: Momentichhabsgleich-aktuelle begeistert sich nicht nur für das professionelle Catering inklusive Blumenschmuck auf den Tischen, sondern ganz besonders darüber, wie ordentlich alles gehalten wird. Kaum ist das Radler leergetrunken, wird auch schon die Flasche eingesammelt.

Um unsere Illusion von Halt, Orientierung und Sicherheit aufrechtzuerhalten, schicken wir uns mehrmals täglich Kurznachrichten wie „Wo bist Du“ oder auch mal „Huhu wo bist Du“, die wir wahlweise mit „Im Raucherhof“, „Vorne im Hof links kommst Du?“, „Raucherhof again“ oder „Auf dem Klo“ beantworten. So sehen Sieger aus! Darüber hinaus sind wir heute total engagiert und filmen alles, was uns vor die Linse kommt, manchmal sogar das Innenleben unserer Taschen. Wir entwerfen ein inneres Storyboard mit einem Spannungsbogen, der seinesgleichen sucht. Danach erst mal aufs Klo, einen Kaffee und natürlich eine rauchen.

Penis-Enlargement und gottesfürchtige Kinder

Herausragend ist an diesem Abend die Poetry-Spam-Lesung mit Sue Reindke, Carolin Buchheim, Maike Hank und Inés Gutiérrez aka Kaltmamsell, in der die vier Ladies einen thematischen Bogen von der Penisvergrößerung (Betreff: „Mäusepimmel?“) über Partnervermittlung bis hin zur Adoption gottesfürchtiger Kinder spannen. Zwischendrin lässt BigBrother-SüssOp die Momentichhabsgleich-aktuelle per SMS wissen, er habe per Webcam gesehen, wie sie zu spät zu eben dieser Veranstaltung gekommen sei. So viel zur allgegenwärtigen Überwachungsparanoia.

Sag zum Abschied leise Servus

Am dritten Tag heißt es Abschiednehmen, nicht nur von der rp12, sondern auch von Momentichhabsgleich-aktuelle, die abends gen Lingendingen aufbricht, um ihre Hotti-und-Lotti-Brut wieder in Empfang zu nehmen. Und obwohl Erstmaleinerauchen-Sprite, die noch einen Tag Hauptstadturlaub hinten dranhängt und daher ohne Peergroup zurückbleibt, zunächst in eine Phase vorläufiger Desorientierung verfällt, gelingt es ihr dennoch, sich ein neues Hotelzimmer zu organisieren. Ihre neue Unterkunft weist zwar lediglich vier Betten auf, dafür aber, Sensation, auch eine Nachttischlampe PLUS Steckdosenanschluss.

Zur gleichen Zeit ärgert sich Momentichhabsgleich-aktuelle im ICE über eine recht christdemokratisch anmutende junge Dame, die sie von ihrem Fensterplatz verscheucht, weil sie „reserviert!“ habe, ihre Nase dann aber doch nur die ganze Zeit in ein blödes Buch steckt. In ein paar Läster-SMS an Dr. Sprite fasst die aktuelle den Plan, das Gesicht der Fensterschnecke an die ICE-Scheibe zu drücken, damit sie auch besonders gut rausschauen kann, und Sprite schlägt vor, das Ganze fotografisch zu dokumentieren und zu flickrn. Als die aktuelle anfängt irre vor sich hin zu kichern, erntet sie pikierte Blicke. Die re:publica ist definitiv zu Ende.

die aktuelle & Dr. Sprite

Kreissparkasse

Es ist ja alles nicht so einfach. Da lernt man einen netten, jungen Mann kennen, nennen wir ihn spaßeshalber Leitmayer, der, wie sich herausstellt, ebenfalls im letzten Jahr aufgrund emotional widriger Umstände das Laster des Rauchens wieder aufgenommen hat, und mit dem man prima plauschen kann, weil er ungefähr ebenso alberne Dinge erzählt wie man selbst. Dann trifft man ihn zufällig noch einmal und noch einmal und noch einmal, nur um irgendwann festzustellen, dass man denselben netten, jungen Mann (immer noch Leitmayer) gerne mal nicht zufällig, sondern eher so ganz gezielt treffen würde. Und, schwupps, hat man ein Problem.

Denn: Man hat weder eine amtlich autorisierte Handynummer noch einen offiziellen Anlass für eine Verabredungsoffensive, dafür jedoch umso mehr Klöße im Hals und Steine im Bauch. Das Problem eröffnet an dieser Stelle mehrere Lösungsmöglichkeiten: Entweder man veranstaltet ein Riesengehampel, um zufällige Begegnungen herbeizuführen, oder man wartet darauf, dass der andere sich möglicherweise erbarmt, was aber dauern kann, bis man Spinnweben ansetzt oder auch gar nicht passiert, oder man geht in die Dateoffensive und riskiert, mit einer Abfuhr emotional geschreddert zu werden, oder aber: Man bleibt auf der sicheren Seite und lässt das Ganze bleiben. Da wir von der Wunderbra-Redaktion jedoch bekanntermaßen fast nichts auslassen, um auch die letzten menschlichen Abgründe auszuloten und die finalen Fragen des Universums zu klären, haben wir uns in den vergangenen Wochen intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt: Wer meldet sich wann bei wem, und wenn ja, unter welchem Vorwand? Die Ergebnisse möchten wir der werten LeserInnenschaft, wie immer, natürlich auf gar keinen Fall vorenthalten.

Lässig wie Aschenbrödel

In meiner stets heroischen und aufopferungsvollen Art habe ich mich als Testperson zur Verfügung gestellt und mich der Problematik folgendermaßen genähert: Nach diversen Wahnsinnsaktionen, die zu gar nichts führten, sondern lediglich Zeit, Energie und Freundinnen verschlissen, und die ich auch nicht wirklich im Detail vertiefen möchte, berief ich schließlich den Hexenrat ein, der einen geschlagenen Nachmittag auf verschiedenen Kanälen damit verbrachte, Chancen und Risiken abzuwägen, um endlich einstimmig zu beschließen: Handynummer von Leitmayer recherchieren, per Kurznachricht Date anfragen, auf „Senden“ drücken und anschließend lässig wie Aschenbrödel über schneebedeckte Ebenen reiten, als wäre nichts passiert.

Und da es gegen die Beschlüsse des Hexenrats recht wenige Vetomöglichkeiten gibt, recherchiere ich gehorsam Leitmayers Handynummer, tippe eine SMS, drücke auf „Senden“, unterdrücke den Impuls, mein Handy auf der Stelle in der Toilette hinunterzuspülen und beneide Aschenbrödel um ihre Lässigkeit. Ich rechne mit Antworten von „Wie, bitte, kommst Du auf das schmale Brett?“ über „Noch eine SMS und ich ruf‘ die Polizei!“ bis hin zu einem schlichten „Nein danke, ich treffe mich nicht mit Stalkerinnen.“ oder einfach: Nichts. Eine Stunde passiert dann auch wirklich nichts. Dann kommt Leitmayers Antwort, und ich bin nicht sicher, ob ich sie lesen oder löschen will. Und dann ist plötzlich alles recht einfach. Per SMS, Gott segne den Erfinder, überlegen wir, was „Freitag“ oder „Samstag“ auf türkisch heißt, und ob wir uns lieber in der Kreissparkasse oder in der Volksbank treffen, entscheiden uns dann aber für erstere, denn da wohnt Leitmayer.

Abspann

Es wurde dann im Übrigen noch ein sehr netter Abend. Leitmayer und ich versackten in der Kreissparkassenküche, plauschten über Prinzessinnen, Halbmonde, Langeweile in der Badewanne sowie das Leben als solches, leerten dabei zwei Flaschen Wein und rauchten geschätzte 200 Zigaretten. Fazit: Die Dateoffensive habe ich überlebt, bei dem Jenseitsschädel am Morgen danach bin ich noch nicht ganz sicher.

die aktuelle

Jahresrückblick: Das war 2011

Der Spiegel tut es, die dpa tut es und Leute wie Günther Jauch tun es sowieso und alle Jahre wieder: Am Jahresende nostalgisch nach hinten blicken, um sich und anderen in Form einer Riesengala noch einmal die Breitseite sämtlicher Promibabies, Politstreits und anderer Katastrophen des vergangenen Jahres einzuschenken, nur um die Promibabies, Politstreits und Katastrophen, die schon wieder vor der Neujahrstür stehen, noch ein bisschen vor sich herzuschieben. Genug Anlass für die aktuelle, dieses Jahr genau das Gleiche zu tun, innezuhalten und zu fragen: Was war 2011, und wenn ja, wozu, und besteht möglicherweise 2012 die Möglichkeit, dass endlich die Rama-Frau mit Hollandrad und Brötchenkorb an meinem Balkon vorbeisegelt und die ultimative Idylle verbreitet? Was also waren die zentralen Themen der aktuellen 2011?

Sterben und sterben lassen
Die Hauptaufgabe 2011 bestand darin, Altes abzuschließen, Altes abzuschließen und Altes abzuschließen. Nicht ohne Stolz kann ich behaupten – und ich möchte das hier noch einmal in aller Deutlichkeit betonen – genau das, wenn auch nicht gerne, so doch pausenlos und immer wieder erfolgreich getan zu haben: Niemand ist das vergangene Jahr so oft gestorben wie ich, immer getreu dem Tarotkarten-Gerd-Bodhygan-Ziegler-Motto „Stirb bevor Du stirbst“, und niemand hat nachts, wenn andere Leute friedlich schlafen, so viele Leute und Goldfische um die Ecke gebracht wie ich. Ansonsten verließ Fanta Lingendingen, nicht ohne vorher noch mit mir nachts die eine oder andere Plazenta im Wald zu vergraben, und ich wurde plötzlich Scheidungskind. Auch der drei Jahre währende Rosenkrieg mit dem Hotti-Lotti-Papa konnte dieses Jahr erfolgreich befriedet werden.

Nikotin
Aufgrund widriger emotionaler Umstände habe ich nach elf Jahren Abstinenz wieder mit dem Rauchen angefangen, was wider Erwarten weder zu einer gesteigerten körperlichen Fitness noch zur Überwindung der widrigen emotionalen Umstände geführt hat. Immerhin schlage ich mir nicht mehr wie noch vor elf Jahren exzessive WG- und Kneipennächte um die Ohren, so dass 20 Kippen pro Tag schon mal wegfallen.

Wohnung
Meine Wohnsituation hat sich dramatisch verbessert, ich bin sowohl meine böse alte Vermieterhexe als auch die hausinterne Sex-Stasi los, und wohne jetzt mit Hotti und Lotti in der Grünen Hölle, wo satte 70% gegen das größte Bahnhofsidiotenprojekt aller Zeiten gestimmt haben, was leider nichts gebracht hat, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Urlaub
Ich habe mit Hotti, Lotti und Lancelot einen Patchworkfamilienurlaub an der Cote d’Azur absolviert, der seinesgleichen sucht, und der dazu führte, dass die doch etwas holprige Romanze zwischen meiner ersten großen Liebe und mir ein noch schnelleres Ende fand, als sie es vermutlich ohnehin getan hätte. Das Wetter war schön, das Essen gut.

Geld
Da ich dieses Jahr nicht nur umgezogen und in eine der teuersten Urlaubsregionen Europas gefahren bin, sondern mein Auto Molli Tüpp gleich zweimal die Grätsche machte, einmal vor und einmal nach dem TÜV, bin ich so pleite wie nie. Dass Hotti jetzt eine Zahnspange für 1000 Euro braucht, die die Krankenkasse dank der neuen gesetzlichen Regelungen nicht zahlt, und die Hotti niemals anziehen wird, macht es nicht besser. Aber Geld ist ja nur eine virtuelle Größe, und mit Hilfe des Jahresloses der Aktion Mensch, das ich mir gerade rausgelassen habe, beziehe ich nächstes Jahr mit Sicherheit eine monatliche Rente von 3000 Euro und eine Traumvilla.

Job
Der berufliche Sechser im Lotto hat dieses Jahr leider noch nicht funktioniert, aber da setze ich 2012 voll auf das oben erwähnte Jahreslos.

Liebe
Ich habe wegen Lancelot nicht nur irrtümlicherweise einen halben Nervenzusammenbruch am Stuttgarter Flughafen erlitten und daraufhin wieder mit dem Rauchen angefangen, bevor ich mit Dr. Sprite nach Berlin flog, die dort drei Tage lang mein Tourette-Syndrom ertragen musste, sondern auch erfolgreich die Beziehung mit selbigem zu etwa 50% in den Sand gesetzt. Da ich mich derzeit noch im akuten Entzug befinde, bitte ich weiterhin inständig darum, mich mit beziehungstechnischen Erfolgsgeschichten, Verlobungen, Hochzeiten, romantischen Liedermachern, Rosamunde-Pilcher-Filmen und „Mein/e Mann/Frau sagt/kocht/kann immer“-Gedöns zu verschonen. *)s. Kommentare

Leibesübungen
Neben meiner Beziehung haben auch meine fünfzehn Jahren alten Joggingschuhe im Traumurlaub an der südfranzösischen Küste das Zeitliche gesegnet, und da ich aus genannten Gründen kein Geld für neue Laufschuhe besitze, belege ich derzeit gemeinsam mit Ma Baker mehr oder weniger regelmäßig einen Yoga-Kurs der örtlichen Volkshochschule. Durch ihn habe ich gelernt, wie der Fisch geht, dass er gut ist für die Schilddrüsenregulation, dass man dabei schlecht oder nicht schlucken kann und dass einem davon die Arme einschlafen. Shantishanti.

Selbstfindung
Ich habe dieses Jahr nicht nur meinen Papa gefunden, der mich regelmäßig ins Tragetuch packt, wenn die Welt gemein zu mir ist, sondern auch eine Mama mit wilden Röcken, die nachts energisch meine Wohnung von alten Hamsterkäfigen und anderem Unrat befreit. Wasser ist dicker als Blut. Ansonsten bin ich mit Soulsister Ma Baker auf den Spuren der heiligen Ursel über die Schwäbische Alb gewandelt und habe mit ihr – Ma, nicht Ursel – in rituellen Hexenfeuern so ziemlich alles verbrannt, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Darüber hinaus habe ich bei einem eigens von Ma Baker geleiteten Frauenseminar an der VHS herausgefunden, was ich in meinem tiefsten Inneren bin: Ein Superman-Marienkäfer, der kleinen Ameisenkindern das Leben rettet.

Ausblick
Die Rama-Frau wird mit großer Gewissheit auch 2012 nicht in Erscheinung treten, Ma Baker und ich haben nämlich im Laufe dieses Jahres ein weiteres der letzten Geheimnisse gelüftet: Die Rama-Frau, die in den 70er Jahren des letzten Jahrtausends den heilen Werbefamilien ein üppiges Frühstück und die pure Idylle in den Garten radelte, gibt es gar nicht, zumindest nicht für uns Irdische. Genauer gesagt wird sie uns erst in unserer letzten Minute, exakt in dem Moment, in dem wir das Zeitliche segnen, als Skelettfrau mit holländischen Frau-Antje-Zöpfen erscheinen, mit frischen Brötchen, O-Saft und einer fetten Packung Rama beglücken, und sagen: Siehst Du das weiße Licht? Komm und folge mir, ich mach‘ Dir Frühstück!

Namasté
die aktuelle

Sneak Preview

Bild: Shhhhhh, Lizenz: cc

Ihr ahnt ja nicht, was nachts bei mir los ist, und wer sich da alles so herumtreibt. Ich gehöre zu den begnadeten oder verfluchten, je nachdem, Menschen, die pro Nacht mindestens einmal, gerne auch mehrmals träumen. Das Themenspektrum reicht dabei von schnöden Erziehungsthemen und magischen Hexeneinweihungsriten über spannende Spionagethriller und mehr oder weniger unterhaltsame Todesvariationen bis hin zu nicht jugendfreien Folterszenen oder gar den letzten Fragen des Universums. Jede Nacht Kopfkino und ganz ohne Drogen. Das macht das Einschlafen besonders spannend, man weiß nie, was heute Nacht gespielt wird, jede Nacht eine Sneak Preview sozusagen, und immer wieder überraschende personelle Besetzungen. Dass man dafür jeden Morgen wie geschreddert aufwacht, ist ein gewisser unangenehmer Nebeneffekt, dafür muss man dann aber auch wieder nicht so oft ins Kino und spart eine Menge Geld. Ich präsentiere an dieser Stelle mal ein paar meiner persönlichen cineastischen Highlights, die samt und sonders aus dem letzten Vierteljahr stammen:

Spionage-Theme
Ich, mein Mann (ich bin real unverheiratet) und ein dritter Mann sind Geheimagenten, haben eine Straftat gegen den Staat und für die Gesellschaft (ich gehöre immer zu den Guten) begangen und werden von der Polizei gesucht. Mein Mann und ich versuchen den Dritten in unserer Matratze zu verstecken, aber der Reißverschluss klemmt. Daraufhin schmuggeln wir den Mann zur Kellertür hinaus. In dem Moment klopft es an der Tür: „Aufmachen!! Polizei!!!“

Psychopathen-Theme
Norman Bates jagt mich durch ein dunkles Haus. Darth Vader jagt mich durch die Volkshochschule. Ein Terrorist jagt mich durch die Stadt und erschießt mich mit Dornapfelpfeilen (!). Frankenstein schleppt mich in einen riesigen Gitterkäfig im Jobcenter und foltert mich vier Nächte lang, womit ich mir meinen Anspruch auf Hartz IV sichere. Bushido überfällt Ma Baker und mich – just in dem Moment, als wir shoppen gehen wollen.

Hexen-Theme
Hexentreffen auf dem Blocksberg, ich bin endlich 137 Jahre alt, darf offiziell partizipieren und bin sehr gespannt. Die alten Hexen sitzen um ein Lagerfeuer und reden nur Stuss. Nach einer Weile sage ich: „Ihr redet nur Stuss!“, verlasse die Veranstaltung und gehe mit Dr. Sprite, Mr. Sonicer, Mr. Matrix und Frau Schnick Radler trinken.

Todes-Theme
Meine eine Oma stirbt (natürlicher Tod). Meine andere Oma stirbt (ich drücke ihr ein Kissen aufs Gesicht). Meine Mutter stirbt gleich dreimal hintereinander (damit habe ich nichts zu tun). Mein über alles geliebter Goldfisch stirbt (ich hatte nie einen und finde Fische eher öde). Johannes Heesters stirbt. Meine Tante Margot stirbt. Und immer muss ich hinterher den ganzen Kram aufräumen.

Erziehungs-Theme
Ich sitze vorm Computer und habe keine Lust, mit den Kindern zu spielen. Ich vergesse die Kinder abzuholen. Ich koche Reis für die Kinder, sie wollen Nudeln. Meine Kinder spielen ‚Mama geht arbeiten‘, und meine Mutter sagt mit hochgezogenen Augenbrauen: „Komisch, meine Kinder haben nie so viel ‚Mama geht arbeiten‘ gespielt!“ Ich vergesse die Kinder abzuholen. Ich vergesse die Kinder abzuholen. Ich erleide einen Schwächeanfall beim Kochen. Ich organisiere Plätzchenbacken mit anderen Eltern. Ich vergesse die Kinder abzuholen.

Absurdistan-Theme
Ich habe Ärger mit meiner Vermieterin, verwandle mich in eine Muschel und werde ins Meer gespült. Auf dem Meer treiben riesige Erpel, die in Menschensprache sprechen. Ich sitze plötzlich auf einem Stuhl (wir sind immer noch auf dem Meer), Leonardo di Caprio kommt und küsst mich wach (ich schwöre, dass ich Leonardo di Caprio unerträglich finde). Ich bin in Portugal, esse ein Sandwich mit Würstchen und Banane und denke: „Ich sollte mehr auf meine Ernährung achten.“ Ich schaue Axel Prahl bei einer Bootsfahrt zu. Ich organisiere einen Photoshop-Kurs, alles läuft aus dem Ruder. Ich versehe Blumentöpfe mit Kategorien (Erdsorte/gegossen/nicht gegossen…), pdf-Dokumente fliegen an meinem Balkon vorbei. Ich bewerbe mich als Automechanikerin, gleichzeitig stellt sich heraus, dass Dr. Sprite früher ein Hörspiel-Kinderstar war. Ich schlage unserem Mittagstisch-Türken bei der Arbeit vor, seine Öffentlichkeitsarbeit zu machen, Luke Skywalker rät dringend zu. Ich verköstige die kaiserliche eritreische Gemeinde von Filderstadt mit Mirabellenmus.

Die-letzten-Fragen-des-Universums-Theme
Das Leben ist ein riesiger Walfisch, der gemütlich wie Raumschiff Enterprise durchs Weltall treibt. Ringsherum hängen winzige angeseilte Menschen und versuchen, den Walfisch zu ergründen. Überall sind Sterne, alles hängt mit allem zusammen, und ich habe auch in dieser Nacht keine Drogen genommen.

Sollte irgendjemand Interpretationen loswerden oder diesen Artikel als Skript für ein psychedelisches Spacemovie verwenden wollen, nur zu!

Gute Nacht
die aktuelle